Offen für neue Arbeitswelten
Einem Unternehmen, das jährlich rund 20.000 Tonnen an flüssigen und schlammartigen Abfällen behandelt und den größten Teil davon als sauberes Wasser zurück in die Umwelt leitet, dem wird der Ökologiegedanke nicht fremd sein. So wie dem Entsorger und Brennstoffhändler Ekos aus Südtirol, der sich entschloss, seine Geschäftsbereiche an einem Ort zu versammeln und dafür einen neuen Firmensitz in Massivholzbauweise zu errichten.
Die Besichtigung eines Informationszentrums in Berlin-Marzahn hatte die Unternehmensleitung von Ekos so sehr beeindruckt, dass sie dessen Designer, das Berliner Büro Partner und Partner Architekten, mit der Planung ihrer neuen Firmenzentrale in Vahrn in Südtirol beauftragten.
Die Gebäudestruktur des ersten fünfgeschossigen Bürogebäudes aus Holz in Südtirol wurde von den Architekten kompakt gestaltet, um den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Die Konstruktion besteht aus einem einfachen Tragwerk aus Massivholz mit den Maßen 17x17x17 Meter. Auf ein Untergeschoss wurde verzichtet. Dank der industriellen Vorfertigung der Massivholzwände in der Fabrik konnte das Gebäude in nur einem Jahr realisiert werden. 45 m3 Brettschichtholz sowie 500 m3 Brettsperrholzelemente wurden dabei verarbeitet und an die Baustelle transportiert. Die besonderen Herausforderungen bei diesem Projekt lagen in der Montage der Holzteile bei stark wechselnden Witterungseinflüssen und in der sehr schwierigen Baustellenlogistik. Selbst der Aufzugschacht wurde aus Massivholz geplant, in zwei Teilen vorgefertigt und vor Ort montiert. Für die Bodenplatte wurde anstelle von XPS-Dämmung das Recyclingprodukt Glasschaumschotter verlegt, dazu kam für die Bodenplatte selbst Recycling-Beton zum Einsatz. Aus dem Verschnitt der Brettsperrholzwände ließen die Architekten hochwertige Türblätter für die Türöffnungen in den Innenwänden herstellen. Spezielle Türbänder können das hohe Gewicht des BSP-Türblattes aufnehmen.
Neue Bürostandards
Das Bürogebäude der Kostner Unternehmensgruppe befindet sich in der Industriezone im Bereich der Autobahnein- und ausfahrt in Vahrn. Eine der Vorgaben der Bauherren lautete, das Gebäude für mögliche Veränderungen in der Arbeitsweise, der Nutzung und beim Personalzuwachs fit zu machen. Zugleich war dem Unternehmen die Einbeziehung aller Mitarbeiter in einen partizipativen Planungsprozess ein Anliegen, um nicht nur die Arbeitsmethoden zu optimieren, sondern auch neue Bürostandards zu etablieren. Dazu gehört eine effiziente Kommunikation zwischen der Firmenleitung und ihren Mitarbeitern in einem Gebäude, das drei Unternehmen vereint.
Diesen Ansatz verwirklichten die Architekten, indem sie dem Gebäude mit einer bebauten Fläche von 293 m2 ein zentrales, zweigeschossiges Foyer verpassten, das im Erdgeschoss als Anlaufpunkt für Besucher dient und von dem aus sämtliche Räume erschlossen werden. Eine zentrale Freitreppe mit überkreuzenden Stiegenläufen verbindet die einzelnen Geschosse an verschiedenen Positionen und schafft dadurch unterschiedliche Sichtbeziehungen. Im zweiten Obergeschoss befindet sich ein offener Aufenthaltsraum mit Teeküche für die Mitarbeiter, die im obersten Geschoss gelegene Gemeinschaftsküche ist mit einer geräumigen Dachterrasse verbunden. Über Verbindungsgänge in den Geschossen 0 bis 2 ist das neue Firmengebäude an eine bestehende Halle angebunden, ein externes Stiegenhaus bildet einen Puffer zwischen Bestand und Neubau.
Um dem Wunsch der Auftraggeber nach Nutzungsflexibilität zu entsprechen, planten die Architekten in bestimmten Abständen Trennfugen im Bodenaufbau und in den Wänden ein, um nachträglich Bürotrennwände einziehen zu können und die entstehenden Räume auch schalltechnisch trennen zu können. Beleuchtung, Heizung und Belüftung sind ebenfalls so konzipiert, dass die Nutzer ohne technische Anpassungen zwischen Großraumbüros und kleineren Büroeinheiten wechseln können.
Holz als bestimmendes Element
Die Architekten legten bei der Ausführung Wert auf ökologische Materialien: Die massiven Holzwände wurden ebenso wie der Stiegenlauf aus Massivholz nicht verkleidet, sondern in Sichtqualität belassen und nur mit atmungsaktiver Holzlasur behandelt. Sämtliche Holzverbindungen wurden nicht sichtbar ausgeführt. Die nichttragenden Innenwände sind mit Lehm verputzt, der die Luftfeuchtigkeit bei durchschnittlich 50 Prozent hält. Der Bodenaufbau in den Obergeschossen besteht aus Trockenestrich, hergestellt aus Wellpappe und verdichtetem Quarzsand. Als Bodenbelag dient Linoleum.
Holz bildet auch das bestimmende Element der Fassade: Das Gebäude ist mit Tannenholz verschalt, das verkohlt wurde und so widerstandsfähiger gegen Witterung und Schädlinge ist – eine alte japanische Technik zur Holzkonservierung. Vor der Holzfassade ist außerdem eine Grünfassade im Entstehen, die zur außenliegenden Verschattung und als Staubfilter dient und außerdem im Sommer einen optisch spannenden Kontrast zum Schwarz der Holzfassade bildet. Es wurden Pflanzen ausgewählt, die im Sommer grün sind und damit als Sonnenschutz dienen und im Winter ihre Blätter verlieren und so Sonneneinstrahlung ins Gebäude lassen. Die Rankpflanzen sind geschossweise hydrophonisch, also ohne Erde, angesetzt, werden automatisch bewässert und wachsen entlang von vertikal gespannten Drähten.
Bürogebäude Ekos
Vahrn, Südtirol
Bauherr: Kostner Unternehmensgruppe, Vahrn, Südtirol
Planung: Partner und Partner Architekten, Berlin
Statik, Technische Gebäudeausrüstung, Brandschutz: Bergmeister Ingenieure, München
Grundstücksfläche: 525 m2
Bebaute Fläche: 293 m2
Nutzfläche: 679 m2
Bruttogeschoßfläche: 1.737 m2
Planungsbeginn: 09/2018
Baubeginn: 03/2021
Fertigstellung: 03/2022
Text: Roland Kanfer
Fotos: Oliver Jaist
Kategorie: Projekte