Raum für Autobusse – Spanien
Estepa-Busstation / Spanien
Fernando Suárez Corchete, Lorenzo Muro Álvarez, María Pilar Casado Villa
Busstationen und Busbahnhöfe zählen auch zu den Nicht-Orten unserer Zivilisation. Der Begriff Nicht-Ort (frz. non-lieu, engl. non-place) bezeichnet ein Gedankengebäude des französischen Anthropologen Marc Augé. Nicht-Orte sind insbesondere mono-funktional genutzte Flächen im urbanen und suburbanen Raum, wie Einkaufszentren (Shopping Malls), Autobahnen, Bahnhöfe und Flughäfen. Der Unterschied zum traditionellen, insbesondere anthropologischen Ort besteht im Fehlen von Geschichte, Relation und Identität sowie in einer kommunikativen Verwahrlosung. Vielleicht auch deshalb werden in letzter Zeit verstärkt Anstrengungen unternommen, Verkehrsbauten attraktiver und angenehmer zu gestalten. Diese Konstrukte müssen sich an wesentlich umfassendere Parameter halten und orientieren, als andere Bauten.
Ein eher gelungenes Beispiel für einen neuen Busbahnhof findet sich in Spanien, in Estepa, einem kleinen Ort, circa zehn Kilometer von Sevilla entfernt. Er befindet sich im Zentrum Andalusiens und ist verkehrstechnisch gut an Malaga und Sevilla durch die Autobahn A 92 (und ihre Seitenäste) angebunden.
Gestaltet wurde diese Architektur von Architekt Fernando Suárez Corchete und seinem Team. Das Projekt begann für den Architekten mit einer ausführlichen Analyse der Gegend, um die Verkehrsflüsse und -richtungen sowie Anbindungen an die A 92 zu identifizieren. Die Avenue, an der das Grundstück liegt, ist eine alte Hauptstraße, die noch immer ihren ursprünglichen Charakter aufweist. Sie verbindet sich mit der Autobahn am westlichen und am nordöstlichen Ende der Stadt. In der Nähe des Terminals ist eine sehr stark befahrene Kreuzung und es war eine Bedingung für den Auftrag, dass die zukünftigen Verkehrsentwicklungen der Stadtplanung in keiner Weise beeinträchtigt werden durften. Ebenso mussten die Ein- und Ausfahrten zum Terminal harmonisch in den Verkehrsfluss eingebunden werden. Es entstand eine Architektur in Form einer Insel im städtischen Gefüge, die von den Bussen umfahren werden kann und deren Design sowohl die Bedürfnisse der Fußgänger, wie auch die der Autofahrer berücksichtigt.
In einer detaillierteren Studie stellte sich eine Höhendifferenz von fast drei Metern zwischen den, diametral gegenüberliegenden, südwestlichen und nordöstlichen Eckpunkten heraus. Die Südfassade bot eine gute Belichtungssituation gegen die Hauptstraße hin und eine kreisförmige Verkehrsführung ermöglicht heute die Zirkulation der Busse und deren Richtungswechsel. Aus all diesen Faktoren entwickelten die Planer nun das Design der Station. Die Einfahrt und die Ausfahrt der Busse wurden an die möglichst weit auseinander liegenden Punkte verlegt. So werden der optimale Verkehrsfluss und die Abfolge der Reise gesichert. Eine neue Straße für die Stadt entstand, der Beginn ist in der Sendastraße (unwichtige Seitenstraße) und ihr Ende schließt an die Andalucia Avenue an. Die erwähnte Höhendifferenz von 3 Metern wird im Bereich der Station durch eine, an der Straßenseite gelegene Fußgängerrampe überwunden. Die ankommenden Busse fahren unten in die Station hinein und parken in den fünf Buchten, reversieren und fahren über eine Rampe am oberen Ende in die diversen Richtungen wieder hinaus.
Ein großes, elegantes Betondach, durchbrochen von kreisförmigen Lichtöffnungen ist das zeichengebende Element der Station. Im Querschnitt kann man klar die Trennung in Öffentlichkeit, Busse und Terminalgebäude auf der unteren Ebene erkennen. Die auffallende Überdachung, die den Bereich überdeckt, schaut auf der Straßenseite heraus. Interessant ist, dass die Straßenfassade einen durchaus kontrollierten, menschlichen Maßstab aufweist. Ein zickzack-geformtes Metallgitter bildet den Abschluss zum öffentlichen Raum, es lässt die Querlüftung des eine Ebene tiefer liegenden Bahnhofs und auch die Belichtung zu. Ebenso ist auf diesem Gitter in roten Buchstaben die Stationsbezeichnung angebracht.
Zeichengebendes Element der Station ist ein großes, elegantes Betondach, durchbrochen von kreisförmigen Lichtöffnungen.
Die Organisation der Terminalebene mit den fünf Parkbuchten für Busse ermöglicht nicht nur den Passagieren ein bequemes Ein- und Aussteigen, sondern schafft auch einen kleinen Wartebereich in der Nähe des Fußgängerzuganges. Das Terminal selbst ist sehr einfach gehalten: Das Büro für den Fahrkartenverkauf und die Cafeteria sind an den äußeren Enden der Architektur gelegen und die Wartebereiche liegen dazwischen. Neben der Cafeteria öffnet sich das Gebäude zu den Plattformen und ein gut gepflegtes Blumenbeet schafft eine angenehme Komfortzone für den Aufenthalt.
Alle verwendeten Materialien sind einfach und in den Oberflächen unbehandelt, um eine problemlose Wartung zu gewährleisten. Die Hauptstruktur ist aus Stahlbeton mit einer einheitlichen Decke. Säulen und Böden sind sauber, ebenfalls aus Stahlbeton und schaffen eine lichte, offene Atmosphäre für den öffentlichen Raum. Das Stationsgebäude ist, um einen Kontrast zum Stahlbeton zu schaffen, in einem zarten Blauton gefärbt, wie eine Box in der Box. Die einfache und vielseitige Ziegel- und Putzstruktur ist zum Bahnhof hin offen und verglast, sie erhält ebenfalls das Tageslicht an der Rückseite vom Süden über die Fußgängerrampe an der Hauptstraße. Die fünf Parkbuchten werden durch große, kreisförmige Öffnungen in der Stahlbetondecke, die sich durch Zylinder nach oben verlängern, um einen Sonnenschutz zu bieten, belichtet.
Estepa Bus Station
Estepa, Spanien
Bauherr: Agencia de Obra Pública de la Junta de Andalucía (Regional Goverment)
Planung: Fernando Suárez Corchete / Lorenzo Muro Álvarez / María Pilar Casado Villa
Statik: Fernando Suárez Corchete
Grundstücksfläche: 2.510,00 m2
Bebaute Fläche: Station: 260,65 m2 / Fußgänger: 298,32 m2 / Busplattform: 1.951,03 m2
Planungsbeginn: Juni 2009
Bauzeit: 11 Monate
Fertigstellung: Februar 2016
Fotos:©Fernando Alda
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Projekte