Revival of the Betonmonster – Fosbury
Co Working Spaces / Brüssel / Constantin Brodzki
Neun Geschosse Beton, lauter gleiche, ovale Fenster mit gelblichen Glasscheiben erinnern an alte Scifi-Filme. Der Bau von Architekt Constantin Brodzki, in der Nähe von Brüssel gelegen, wurde renoviert und mit einem Konzept der Innenarchitekten vom Studio Going East in aufregende co-working spaces für Fosbury & Son – einem Unternehmen, das sich mit der Kreation von neuen Arbeitskonzepten befasst – transformiert.
Wie bei jeder Wiedergeburt kann man auch hier staunen: Das von Constantin Brodzki in den 70er Jahren erbaute Bürogebäude mit den ovalen Fenstern, in Boitsfort bei Brüssel gelegen, könnte auch aus einem Scifi-Film stammen. Perfekt und seriell ist die Gestaltung, ein Musterbeispiel einer Brutalismusikone mit einem doch sensiblen Charme. Der noch lebende, heute 94 Jahre alte Brodzki konnte die Wiedergeburt und Neubenutzung dieses Stahlbetonbaus noch genießen und sich darüber freuen, dass vom Studio Going East für Fosbury & Sons in diesem neungeschossigen Hochhaus stilvolle Coworking-Spaces gestaltet wurden. Einige der Innenräume wirken in ihrer Eleganz und Gestyltheit fast wie aus einem Film entnommen.
Dieses Projekt ist ein Beispiel für den Wandel, der gerade in der Architekturszene stattfindet. Nicht nur, dass immer öfter bestehende Bauten renoviert und neuen Inhalten zugeführt (statt abgerissen) werden, auch die Funktionen der Architektur sind nicht mehr auf „nur“ Nutzen abgestimmt. So wird in diesem Projekt zwar hochfunktioneller Büroraum geboten, aber gleichzeitig kommt ein Service dazu, das einerseits aus einem Marketinggedanken entspringt, aber auch den Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt rückt. Es soll das Gefühl eines Zuhause-Seins, eines Willkommens vermittelt werden. Denn so lassen sich in unserer Welt, die vom IoT bestimmt ist, wieder Motivation und Identität erzeugen.
Hier ist nicht nur eine Fassade bereinigt und erneuert, sondern auch ein Platz für digitale Nomaden und Andere, die nicht nur auf Abgeschlossenheit bei der Arbeit Wert legen, geschaffen worden. Alles in allem befinden sich in dieser Architektur Räume für 600 Mitarbeiter und 250 Firmen auf 7.000 Quadratmeter Bürofläche. Es gibt sowohl Suiten für kleine und mittlere Unternehmen wie auch Großraumbüros und zahlreiche weitere Arbeitsbereiche. Eine Lobby mit Bar im Erdgeschoss wird nach Arbeitsschluss sehr stark für Drinks und Imbisse frequentiert.
Die vielen, seriell angeordneten ovalen Fenster mit ihren leicht bernsteinfarbenen Gläsern erinnern ein wenig an einen Bienenstock – dahinter wird gearbeitet. Hier mischt sich eben der Charme des Brutalismus mit den Anforderungen des neuen Working Space. Besser als ein völliger Neubau allemal. Die diversen Arbeitsbereiche sind sehr geschickt mit einzelnen Versatzstücken aus Vintage und klassischem Design bestückt. Immer im bewussten Kontrast zu den Sichtbetonflächen. Die Atmosphäre trägt die Handschrift von Anaïs Torfs und Michiel Mertens, den Innenarchitekten vom Studio Going East. Ein Glück für die Raumakustik war, dass die Rippendecken des Bestandes unverkleidet sind und eine hervorragende Geräuschdämpfung abgeben. Auch die Originalfußböden und Einbauschränke aus Kirschholz von Brodzki konnten erhalten und restauriert werden.
Anstelle von unattraktivem Büroraum wird hier Office-Space mit viel Stil, Service und Eventmöglichkeiten geboten. Statt Petflaschen stehen hier auch elegante Glasflaschen für Getränke auf den Pults. Als Highlights sind – dank einer Kooperationen mit Brüsseler Galerien und Künstlern – neben vereinzelten extravaganten Leuchten in den Räumen viele Kunstwerke zu sehen. Beim Büro der Zukunft geht es nämlich darum, inspirierende Orte zu kreieren, die eine angenehme, produktive Atmosphäre fürs Arbeiten und Netzwerken schaffen.
Früher war diese Architektur einmal das Headoffice der Zementfirma CBR, hier passten Betonbrutalismus und CI sehr gut zusammen. 756 konvexe Fenster in ovalen Betonmodulen und die parallelen Linien der bemerkenswerten Fassade verleihen dem neunstöckigen Gebäude von Fosbury & Sons’ eine monolithische Atmosphäre. Die senkrechten Linien und die Betonmodule ziehen sich sogar ins Erdgeschoss weiter, so lässt sich auch diskret der Eingang in das Bürogebäude verstecken. Die Form dieses Baus hat damals in Belgien einen ganz Schwarm von Folgeprojekten hervorgerufen. Das war auch ein Grund, dass Brodzki als einziger belgischer Architekt bei der Ausstellung „Transformations in Modern Architecture 1960-1980“ im Museum of Modern Art in New York ausgestellt wurde.
Das Haus ist eine außergewöhnliche, historische Architektur in dem Geist der Jahre, in denen es erbaut wurde. Alles passt! Eine hervorragende Architektur und auch sehr funktionell. Die 7.000 Quadratmeter Nutzfläche verteilen sich sieben der neun Geschosse, zusätzlich gibt es drei Ebenen für Parkflächen unterirdisch. Der Immobilienbetreiber stellt seinen Nutzern auch ein Restaurant und die Bar „Giorgio“, welche einen Panoramablick aus dem achten Stock bieten, zur Verfügung. Es gibt 15 bestausgestattete Meetingräume, einen großen Veranstaltungssaal in der Lobby und die Bar, welche von Nutzern und auch Außenstehenden gemietet werden können. Ein Auditorium mit 75 Sitzplätzen und Großbildschirm steht ebenfalls zur Verfügung.
Zusätzlich bietet der Betreiber auch eine App für Handys an. Sie dient dazu, Mitarbeiter und Mitglieder zu vernetzen und ihre Kommunikation im realen Leben zu stimulieren. Sie können sich so ihren Lieblings(gesprächs)partner für einen Kaffee in der Bar organisieren. Allerdings waren weder die Architekten noch die Innenarchitekten oder die Auftraggeber oder deren Pressestelle bereit, Grundriss, Schnitte Ansichten oder grafisches Material zu diesem Projekt zur Verfügung zu stellen: Soviel Geheimhaltung trotz internationaler, medialer Präsenz?
Text:©Peter Reischer
Fotos:©Jeroen Verrecht
Kategorie: Projekte