Saugkraft, statt Strom
Office- und Arbeitsflächen sind das Spezialgebiet von M Moser Associates. Auf über 13.000 m2 demonstrieren sie das in Singapur einmal mehr: Dort verwandelte das Planungsbüro ein ehemaliges Kraftwerk in das neue Dyson Headquarter. Inspiriert vom industriellen Erbe, transformierten die Architekten das Gebäude in einen repräsentativen Bürokomplex und schaffen damit beste Voraussetzungen für zukünftige Innovationen des internationalen Technologieunternehmens.
Die 1926 erbaute St. James Power Station befindet sich am Hafen der Metropole. Zur damaligen Zeit stellte die Anlage nicht nur das größte Kraftwerk des Inselstaats, sondern auch eines der ersten Industriegebäude seiner Art in Südostasien dar. Bis zur Stilllegung Mitte der 1970er-Jahre versorgte die Fabrik die umliegenden Lagerhallen, Werften und Wohnhäuser des Areals mit Strom. Nach etlichen Renovierungen und Sanierungen sowie mehreren Eigentümer- und Nutzungswechseln kaufte die Immobiliengesellschaft Mapletree den historischen Bau, der seit 2009 zu den nationalen Kulturdenkmälern zählt. Im Zuge des jüngsten Umbaus wurde die einstige Power Station nun zum neuen Hauptsitz von Dyson umfunktioniert.
Die Gebäudehülle im edwardianischen Stil mit ihren bodentiefen Bogenfenstern wurde in Anlehnung an die Ansichten des historischen Originals gemeinsam mit den Planern von W Architects wiederhergestellt. Unterstützung in Sachen Denkmalschutz holte man sich dafür von den vor Ort ansässigen Experten von Studio Lapis. Neben den roten Backsteinmauern zeugen die beiden charakteristischen Schornsteine – einer davon neuerdings mit dem Firmenlogo versehen – bis heute von der vormaligen, industriellen Nutzung des Komplexes. Im Inneren lag der Hauptfokus des Revitalisierungsprojekts jedoch darauf, das ursprünglich auf Maschinen ausgelegte Bauwerk an den Menschen anzupassen. Anstelle von effizienten Produktionsflächen sollte künftig neuer Raum für die Produktentwicklung und die übrigen Abteilungen des Konzerns geschaffen werden, in dem die Mitarbeiter einzeln oder gemeinsam arbeiten und sich treffen können. Um Innovation und Forschung bestmöglich zu fördern und ein kontinuierliches Wachstum des Unternehmens zu begünstigen, entschied man sich für einen campusartigen Entwurf.
Der Weg vom Industriegebäude zum Innovationscampus stellte das Planerteam vor diverse gestalterische Herausforderungen. In den Arbeitsbereichen galt es, die unterschiedlichen akustischen und technologischen Anforderungen der Büros, Labors und Zwischenflächen zu berücksichtigen und untereinander zu koordinieren. Außerdem sollten jedem Team verschiedene Räume und Office-Angebote – von ruhigen Bibliothekszonen für konzentriertes Arbeiten bis hin zu Besprechungsräumen und Open-Space-Bereichen – zur Verfügung stehen.
Nach dem akademischen Vorbild des „Quadrangels“ – einem rechteckigen Innenhof und beliebten Element aus der Universitätsarchitektur – wird die ehemalige Turbinenhalle, in der sich einst die großen Stromgeneratoren befanden, zum Herzstück und zentralen Knotenpunkt des Firmensitzes. Als vierstöckiges Atrium verbindet der Raum nicht nur sämtliche Arbeitsetagen miteinander, sondern fungiert auch als Rückzugsort und flexibel nutzbarer Gemeinschaftsbereich. Durch ein großes Dachfenster von oben belichtet, lädt im Erdgeschoss eine offene Studienlandschaft mit Sitzgruppen zum Verweilen und Austauschen ein. Eine schwarze Wendeltreppe aus Metall bildet das funktionale Rückgrat der Halle. Als besonderer Hingucker erschließt die skulpturale Treppe alle Ebenen. Sie empfängt sowohl Mitarbeiter als auch Besucher und erinnert zugleich an die industrielle Vergangenheit des Gebäudes. Auf der gegenüberliegenden Seite schließt mit dem sogenannten Amphitheater ein geräumiger Treppenraum mit breiten Sitzstufen an. Dieser führt nicht nur in die oberen Geschosse weiter, sondern dient als nonchalanter Kommunikations- und Arbeitsort.
Alle Gebäudeteile des neuen Dyson Headquarterbaus werden von den unverkleideten Stahlelementen der Konstruktion geprägt. Die mächtigen, schwarzen Träger zeichnen die Kraftverläufe nach und zonieren gleichzeitig die Arbeitsbereiche. Im Dachgeschoss bleibt die Stahl-Fachwerkstruktur ebenfalls sichtbar und verleiht den Büroflächen einen industriellen Charakter. Beim modernen Design der vielfältigen Arbeitsplätze entschied man sich weitgehend für natürliche Materialien wie Stein und Holz und kombinierte diese mit Metallakzenten. An vielen Stellen wird die alte Bausubstanz innen bewusst freigelegt und schafft mit ihren rohen Oberflächen einen spannenden Kontrast zu den neuen Eingriffen. So erhält man zum Beispiel am Fuße der Schornsteine Einblick in die gemauerten Schlote und funktionale Betonböden verweisen auf die Geschichte des alten Kraftwerks. Ergänzend zur umweltfreundlichen Materialwahl und einer ressourcenschonenden Energieplanung garantiert intelligente Gebäudetechnik Komfort und Wohlbefinden der Mitarbeiter. Zusätzlich will man durch Begrünung die Luftqualität verbessern: Dafür sollen Bäume mitten in der neuen Haupthalle sowie eine üppig bepflanzte Dachterrasse sorgen. Flexible Einrichtung und verstellbare Möbel lassen sich an die individuellen Bedürfnisse anpassen. Damit rundet man das Konzept der Office-Landschaften stimmig ab und erhofft sich eine gesteigerte Produktivität.
Vergangenheit und Zukunft treffen im Hauptsitz von Dyson auf beeindruckende Weise aufeinander. M Moser Associates gingen sowohl auf den Bestand als auch auf die Nutzer geschickt ein. Das Ergebnis ist ein nachhaltiger, menschenzentrierter Büro-Campus, der dem St. James Kraftwerk in Singapur zu neuem Glanz verhilft und zudem eine angenehme Arbeitsatmosphäre schafft. In diesem interessanten Spannungsfeld zwischen Alt und Neu finden die Wissenschaftler und Ingenieure des Unternehmens perfekte Voraussetzungen, um die innovativen Technologien und Designs von morgen zu entwickeln.
Dyson Global HQ
Singapur
Bauherr: Dyson
Innenarchitektur: M Moser Associates
Partnerarchitekten: W Architects
Gebäuderestaurierung: Studio Lapis
Nutzfläche: 13.000 m2
Fertigstellung: März 2022
Text: Edina Obermoser
Fotos: Finbarr Fallon
Kategorie: Projekte