Schimmerndes Sonnenkleid

14. Juni 2022 Mehr

Der Neubau des Amts für Umwelt und Energie am Fischmarkt in Basel ist so konzipiert, dass seine Elemente, ihre Funktion und deren Zusammenspiel nach innen wie außen erkennbar sind. Besonderes Gestaltungsmerkmal des von jessenvollenweider entworfenen Nullenergiehauses in Holz-Beton-Hybridbauweise ist die leichte Photovoltaikfassade, die das flexible Raum- und Tragsystem umhüllt.

 

 

Energie, Abfallbewirtschaftung, Gewässer- und Lärmschutz, Altlastensanierung sowie Landwirtschaft sind die Kerngeschäfte des Amts für Umwelt und Energie in Basel. 2021 bezog das Amt den neu errichteten, markanten, achtgeschossigen Holz-Beton-Hybridbau mit Photovoltaikfassade im Herzen der Stadt. Das ortsansässige Architekturbüro jessenvollenweider konzipierte den Entwurf als Antwort auf den dichten städtebaulichen Kontext und konnte mit einer ausgefeilten energietechnischen Lösung die gewünschte Zertifizierung als Minergie-A-ECO erreichen.

Die Ausschreibung für den Neubau der AUE BS forderte bereits 2013 ein Leuchtturmprojekt in Hinblick auf Nachhaltigkeit und Minergie-A, die für das Bauen in Basel eine Vorbildfunktion einnehmen sollte. Mit der gelungenen Umsetzung des Projekts konnte der Kanton die Chance nutzen, weit über die gesetzlichen Vorgaben hinauszugehen. Kein anderes Bürogebäude in Basel weiß bislang die Verwendung von regionalem Holz, eine ans Stadtbild angepasste PV-Fassade oder eine aktive Raumkühlung aufzuweisen. Die Zuständigen erhoffen sich auf interner Ebene aber auch von der offenen Arbeitswelt ohne individuelle Arbeitsplätze neue Impulse, sowie regen, externen Besucherandrang im neuen Kompetenzzentrum.

 

 

Um allen Ansprüchen gerecht werden zu können, war für die Architekten bereits früh klar, dass es darum gehen würde, eine Einheit im grundsätzlich Gegensätzlichen zu schaffen. Dies bot die Chance sichtbar zu machen, wie ein zeitgemässes städtisches Haus, das die Grundsätze des nachhaltigen Bauens und ein sinnvolles Maß an gezielten technischen Innovationen verwirklicht, selbstverständlich in einen historischen Stadtkontext integriert werden kann. jessenvollenweider positionierten einen leichten Holzbau in Hybridbauweise inklusive hochmoderner Photovoltaikfassade inmitten der Altstadt von Basel, die vom Baustoff Stein dominiert wird. Das Fassadenkonzept entwickelte sich als besondere Herausforderung im Laufe der Planungsphase analog zur rasant voranschreitenden Evolution der Technik stetig weiter. So verlagerte sich der konzeptionelle Fokus von der polykristallinen Zelle – die in der Materialität und Farbigkeit die Verwandschaft zu den angrenzenden Gebäuden in Naturstein sucht – hin zur monokristallinen Zelle mit bis zu 30 Prozent mehr Leistungsfähigkeit. Die Erscheinung ist dabei grundlegend anders, nämlich dunkel und monoton. Das Trägermaterial Glas erhält somit eine besondere Bedeutung. In diesem Zusammenhang wurde ein Schmelzglas entwickelt, das eine plastische, unregelmäßige und im Licht changierende Lebendigkeit entfaltet und durch seine Struktur die dahinter liegenden PV Zellen abbildet. Zusammen mit den in das Glas integrierten metallischen Farbpunkten aus Titannitrid wird die dunkle Farbe der PV-Zellen überlagert und die charakteristische Erscheinung der Fassade ermöglicht.

Die Entscheidung, die Photovoltaikflächen auf die Fassade zu packen, ist auch der Tatsache geschuldet, dass die zur Verfügung stehende Dachfläche schlicht zu klein war, um den Bedarf an Betriebsenergie für das Klimagebäude aus erneuerbaren Quellen in Form von Sonnenenergie decken zu können. Die Module enthalten effiziente monokristalline PERC-Zellen, die auch über Bereiche mit weniger Sonneneinstrahlung Energie erzeugen können. Das Fassadenkleid vereint Leistung, Langlebigkeit und Ästhetik in besonderem Maße. Der Reiz des Erscheinungsbildes rührt aus dem unterschiedlichen Lichteinfall zu verschieden Tageszeiten her: Die Bandbreite reicht vom dunklen technischen Kraftwerk über die farbliche Einbindung in den Kontext der sandsteinfarbenen Nachbarn bis hin zum leuchtenden Glashaus, das die Umgebung widerspiegelt und das Sonnenlicht bricht.

Die künftige Überprüfung der Wirksamkeit des Energiekonzepts des Gebäudes kann mithilfe eines digitalen Zwillings evaluiert und entsprechende Parameter gegebenenfalls justiert werden. Dieses Monitoring soll im Eingangsbereich auch den Besuchern und Mitarbeitern aufbereitet präsentiert werden.

 

 

Neben der Fassade überzeugt das Amt für Umwelt und Energie aber auch in räumlicher und konstruktiver Hinsicht. Als Basis für ein ressourcenschonendes Bauen setzten die Architekten einen kompakten Baukörper auf das trapezoid verzogene Grundstück. Einerseits Solitär, definiert das achtgeschossige Gebäude andererseits den Straßenraum der Spiegelgasse und bildet mit seiner Attika an der Blumengasse eine Torsituation für die Passage zwischen Marktgasse und Spiegelhof aus. Haupteingang, Foyer und Empfang orientieren sich zum Fischmarkt, während sich der Eingang für die Mitarbeiter mit integriertem Veloabgang ins Untergeschoss an der Blumengasse befindet.

Auf struktureller Ebene fungiert die stringente Skelettstruktur ohne aussteifenden Kern als wirtschaftliches und flexibles Raum- und Tragsystem. Die Arbeitsbereiche orientieren sich aufgrund der Lichtsituation in Richtung Westen, während die Archivflächen in Richtung Nordosten zum beengten Innenhof hin verortet wurden. Im Zentrum befindet sich ein zenital belichtetes Treppenhaus mit Lift, von dem aus sich auch die Besprechungs- und Nebenräume erschließen lassen. Dank einer gewissen Großzügigkeit bildet das Treppenhaus den zentralen Ort im Haus, der zur fußläufigen Bewegung zwischen den Ebenen animiert und zufällige Begegnungen unter Kollegen und Besuchern fördert und fordert.

 

 

Die Decken wurden als Holzbetonverbundkonstruktion mit Bauteilaktivierung ausgeführt. In Kombination mit dem Lüftungskonzept, welches eine natürliche Nachtauskühlung ermöglicht, konnte auf die heute für konventionelle Bürogebäude übliche Klimatisierung verzichtet werden. Der extrem hohe energetische Standard basiert zudem auf einer sehr gut gedämmten Gebäudehülle, der kompakten Gebäudeform sowie einem einfachen Haustechnikkonzept, das auf einer klaren Systemtrennung und der Nutzung von Sonnenenergie fußt. Die Maßnahmen wirken sich in ihrer Gesamtheit – mit wenig Technik, aber ausgeklügelter Gebäudeautomation – zudem positiv auf die Raumbehaglichkeit aus.

In Zukunft hofft man, mit der innovativen Fassade sogar mehr Energie produzieren zu können, als für den Eigenbedarf nötig. Und dass zahlreiche neugierige Besucher das Gebäude für sich entdecken und sich für die Zukunft inspirieren lassen. Ein (Sonnen-)Kleid für alle Fälle anstelle von High Fashion lautet die Devise.

 

 

Amt für Umwelt und Energie
Basel, Schweiz

Bauherr: Kanton Basel-Stadt, vertreten durch das Hochbauamt des Kantons Basel-Stadt
Planung: jessenvollenweider architektur ag, Basel
Projektleitung: Mira Lüssow GP-Leiter: Sven Kowalewsky
Statik: SJB. Kemter.Fitze AG, Frauenfeld
Fassadensystem: WICONA / Hydro Building Systems Switzerland AG 

Grundstücksfläche: 335 m2
Bebaute Fläche: 335 m2
Haupt-Nutzfläche: 1.267 m2
Planungsbeginn: 2014 (WB 1. Preis 2013)
Bauzeit: 2018-2021
Fertigstellung: 11/2021
Baukosten: 18,3 Mio. CHF (Gesamtinvestitionskosten inkl. MwSt.)

www.jessenvollenweider.ch

 

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Philip Heckhausen

 

Kategorie: Projekte