Schwarze Kunst

19. März 2020 Mehr

Eine alte Fabriksanlage in Humpolec/Tschechien haben die OK Plan Architects s.r.o. zu einem Ausstellungs- und Kulturzentrum umgewandelt. Das Projekt beweist, welche ästhetische und nachhaltige Substanz in alten Mauern stecken kann, wenn man ein bisschen Kreativität anwendet. Re-use statt new-built!

 

 

Schon im Jahr 2010 sind die Gebäude der ehemaligen Textilfabrik Karel Trnka in Humpolec, Tschechien einer sogenannten Low-Cost-Erneuerung unterzogen worden – die dunkle, anthrazitfarbene Fassade war das augenfälligste Merkmal dieser Renovierung. Eine wesentlich grundlegendere Veränderung führten die OK Plan Architects in den Jahren 2016 – 2018 durch. Sie verwandelten den alten Bau in die Art Zone 8smička (der „Achter“), in ein Kunst- und Kulturzentrum für die gesamte Region. Heute kann man in den Räumen des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Komplexes (damals wurde die Stadt auch „Böhmisch Manchester“ genannt) moderne Kunst aus Tschechien und den angrenzenden Ländern betrachten. All das wird durch eine private Stiftung ermöglicht.

Die Architekten Štěpán Malovec und Martin Odehnal von OK PLAN ARCHITECTS – sie haben ihr Büro gleich neben dem Fabriksbau angesiedelt – gliederten das dreigeschossige Bauwerk neu und sehr effektiv: Im Erdgeschoss befinden sich heute der Hauptausstellungsbereich, gewidmet der Tschechischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst, ein Café und ein Buchgeschäft. Diverse Nebenräume, WC-Anlagen und ein multifunktionaler Konferenzraum ergänzen das Programm auf dieser Ebene. Ein weiterer Ausstellungsbereich für moderne und zeitgenössische Kunst liegt im ersten Stock, zusammen mit einigen Privaträumen. Im zweiten Obergeschoss hat man das Depot der Bilder untergebracht, insgesamt beträgt die Nutzfläche ca. 3.000 m².

 

 

Das optische Signet dieser Institution – ein riesiger Achter an der dunkelgrauen Fassade – ist schon von der Autobahnausfahrt der D1 aus zu sehen. In den beiden Umrisskreisen dieses Achters ändern sich ständig die Logos, je nach Ausstellung und Thema, das schlägt sich bis auf die Internetpräsenz der Galerie durch. Überhaupt haben die Architekten die Identität des Projektes durch die Ziffer 8 und deren visuelle und typografische Varianten geprägt: Im Bookstore sind jeweils acht Stapel Kataloge nebeneinander zu finden, im Café sind jeweils acht gleiche Köstlichkeiten in der Vitrine angeordnet, das Personal ist mit entsprechenden Kleidern und T-Shirts versehen usw. Ein weiteres Wahrzeichen der Anlage ist natürlich der riesige, erhalten gebliebene Schlot aus roten Ziegeln.

Betritt man als Besucher vom kleinen Kundenparkplatz aus das Gebäude, ist man zu allererst von der Klarheit und Stringenz der verwendeten Materialien überrascht. Um so mehr, wenn man die Information bekommt, dass eigentlich alles Sichtbare entweder recycelt, oder aus alten Materialien neu interpretiert ist. Die dunkelgrauen Betonsteine, die im Inneren teilweise sichtbar sind, entsprechen genau den Größen der an der Außenfassade verwendeten Steine, wurden aber großteils neu erzeugt. Die Bücherregale im Café und dem angrenzenden Sitzbereich sind aus alten Traggestellen, die man in der Stoffproduktion verwendet hatte, hergestellt und neu interpretiert. Radiatoren in den Ausstellungshallen haben einen industriellen Touch und entsprechen dem Design der damaligen Zeit, wirken aber topmodern.

 

 

Beeindruckend ist auch das technische Equipment der Galerie: Hightech, wohin man blickt und alles perfekt verarbeitet. Das liegt auch an den abgehängten Gipsdecken, diese verbergen die darunter liegende Infrastruktur, wie Klimaanlage, Verrohrung und Beleuchtungssysteme und sind gleichzeitig, durch ihre Gestaltung eine sehr wirksame Akustikdämmung. Alles dient dem Komfort, der Konzentration und der Geruhsamkeit der Besucher. Diese Akustikdecken beschränken zwar die Raumhöhe von 3 auf 2,60 Meter, tun aber der Großzügigkeit der Inszenierung keinen Abbruch. Es ist ein durchgehender und harmonischer Kompromiss zwischen Industriehalle und Galerieraum, der ideale akustische Bedingungen für Sprache und Vorträge in den Räumen bietet – es ist keinerlei Nachhall zu bemerken.

Auch bei den Beleuchtungskonzepten waren die Architekten erfinderisch. Licht ist ja ein wesentliches Element für alle musealen Bereiche und Konzepte, so auch für das Innere des 8mička‘s. Naturlicht ist klarerweise schwieriger zu beherrschen und kann auch bei den Exponaten Schäden hervorrufen, sowie Alterungsprozesse beschleunigen. Deshalb wählte man ein sehr ausgeklügeltes, künstlerisches System. Diese Technologie ermöglicht es sowohl Spotlights für bestimmte Objekte zu verwenden, wie auch Streulicht und andere Effekte. Das Aufbausystem stellt ein wandlungsfähiges Arrangement für Licht in allen Räumen zur Verfügung, denn jede Ausstellung verlangt nach einer individuellen Lichtinszenierung. Dies wird durch eine leichte Veränderungsmöglichkeit der Lampen ermöglicht, bedient werden sie mittels digitalem Fernsteuerungssystem DALI über Computer oder mobile Endgeräte.

Eine Vorgabe für die Erneuerung der Fabrik war es, die alten Fensteranordnungen in der Fassade zu erhalten. Man verwendete Metallfenster im Industriedesign mit einer Doppelverglasung und im Erdgeschoss und ersten Stock wurden semitransparente Scheiben eingesetzt. So ist der Lichtschutz der Ausstellungsobjekte gewährleistet. Im zweiten Stock hat man aus Sicherheitsgründen für das Depot lichtundurchlässige Scheiben verwendet.

 

Das Herz der notwendigen Klimaanlage ist in einem Maschinenraum im Keller untergebracht. Die Heizung der gesamten Räume wird mit zwei Luft/Wasser-Wärmepumpen bewerkstelligt. Diese Anlage versorgt alle Räume mit Frischluft und Wärme. Jeder Ausstellungsraum besitzt eine Steuerung, um die Temperatur zwischen 18 und 20 Grad und die Luftfeuchtigkeit zwischen 50 und 55 Prozent zu halten, denn das ist für die Exponate lebenswichtig. Die raumbezogene Steuerungseinheit ist jeweils in Nischen der Struktur untergebracht. Die Radiatoren sind immer in Fensternähe angeordnet, um das Risiko von Kondensatbildung an den Glasflächen zu minimieren.

Die Fußböden der Galerieräume und der Buchhandlung im Erdgeschoss sind mit einem Epoxidharz überzogen und im ersten Stock entsteht eine gemütliche Atmosphäre durch die Verwendung von Eichenbrettern, genauso wie im Café im Erdgeschoss. Die Architekten haben ausschließlich tschechische, nach Möglichkeit sogar lokale Firmen und Handwerker beschäftigt: So stammt die Kaffeehauseinrichtung von TON und die Frontseite der Bar ist mit Resten von Bilderrahmenprofilen verkleidet – ein perfektes Recycling.

 

Art Zone 8mička
Humpolec, Tschechische Republik

Bauherr: Endowment Fund 8smička
Planung: OK PLAN ARCHITECTS, s.r.o.
Mitarbeiter: Architekt Luděk Rýzner, Ing. arch. František Čekal
Statik: Dagmar Palánová

Grundstücksfläche: 3.000 m2
Baufläche: 1.073 m2
Nutzfläche: 3.000 m2
Planungsbeginn: 2015
Bauzeit: 11/2016 – 03/2018
Fertigstellung: 04/2018

 

Text: Peter Reischer Fotos: Lukáš Žentel

 

Kategorie: Projekte