Soumaya Museo – FREE Fernando Romero
Hätten die Azteken – deren Hauptstadt Tenochtitlan an der Stelle der heutigen Stadt Mexico-City lag – Aluminium besessen und verarbeiten können, so hätten sie wahrscheinlich nicht nur mit Stein verkleidete pyramidenförmige Bauwerke, sondern auch solche wie das Soumaya-Museum gebaut. Zeichenhaft, beeindruckend, geschlossen nach außen, ein kleiner fast unsichtbarer Eingang – errichtet um etwas zu bewahren oder anzubeten – Ähnlichkeiten zu den Pyramiden der mexikanischen Geschichte und Kultur lassen sich genügend finden. All das gibt einen Hinweis, ja fast eine Bestätigung für die Qualitäten dieses wegweisenden, objekthaften Bauwerkes, das der Architekt Fernando Romero hier geschaffen hat.
Das Soumaya-Museum ist ein Teil eines großflächigen, in gemischter Bauweise angelegten Stadtentwicklungsprogrammes im Bezirk Polanco, eines der exklusivsten Gebiete in Mexico City. Situiert in einem ehemaligen Industriegelände aus den 1940er-Jahren, ist das Museum das herausragende Kulturereignis der Gegend. Es stellt einen Initiationspunkt für die kulturelle Entwicklung und Akzeptanz im städtischen Leben dar. Seine Rolle als Institution fördert eine programmatische Entwicklung, intensiviert und aktiviert den öffentlichen Raum und fördert kommerzielle Aktivitäten in der Nachbarschaft.
Um eine neue Identität in diesem Teil der Stadt zu schaffen, war es notwendig, dass der Entwurf eine sowohl starke urbane wie auch ikonografische Präsenz darstellte. Deshalb wurde das Museum als ein um seine Achse rotierender skulpturaler Körper entworfen, es ist somit beides: Objekt und auch Teil der Stadt.
Umhüllt von schimmerndem Aluminium ragt das Museum ca. 50 Meter in die Höhe. Dort kragt es wie ein Riesenpilz aus, wobei die Fassade Ähnlichkeiten mit einer silbrig glänzenden Bienenwabe hat. Die avantgardistische Hülle des Gebäudes setzt neue Maßstäbe für die mexikanische und auch die internationale Architektur. Die Konstruktion besteht aus 28 unterschiedlichen gekurvten Stahlsäulen, die in Umriss und Größe variieren.
Stabilisiert werden die Säulen durch sieben Ringe, die die einzelnen Ebenen bilden. Die Außenhülle ist eine blickdichte Fassade, die aus hexagonalen Aluminiumplatten besteht – sie minimieren alle Öffnungen nach außen, und gleichzeitig maximieren sie die Haltbarkeit und die Pflege des gesamten Gebäudes.
Gestaltet ist die Fassade aus 15.000 Platten mit insgesamt 1.000 verschieden Größen. Diese Haut windet sich gleichsam um eine sehr ökonomische Tragstruktur und schafft im Innenraum verschiedene Ebenen, die wiederum durch lange schräge Rampen miteinander verbunden sind.
Der Eintritt in das Museum wird kostenlos sein, die Sammlung mit ihren rund 66.000 Exponaten wird jedermann offenstehen. Da sind Vincis und Toulouse-Lautrecs, Picassos und Dalís, Riveras und Renoirs, religiöse Relikte und auch ein Münzschatz der spanischen Eroberer. Eine Rodin Sammlung – die zweitgrößte der Welt und die größte in privater Hand – befindet sich im obersten Geschoß und zeigt bedeutende Werke wie „Der Kuss“. Ermöglicht hat dies der Milliardär Carlos Slim Helù, der damit seiner Heimatstadt ein komplettes Museum samt Sammlung schenkt.
Diese verschiedenen Sammlungen sind in einem 6.000 m² kontinuierlich fließenden Raum untergebracht, der sich über sechs Geschoße erstreckt. Ebenso bietet das Haus Bereiche für öffentliche und private Aktivitäten, ein 350 Sitze umfassendes Auditorium, eine Bücherei, ein Restaurant, den Museumsshop, eine Mehrzwecklounge und die Verwaltungsbüros.
Ein großzügiger Eingangsbereich nimmt dabei die Besucher auf, gewährt ihnen Raum, um die Gedanken zu sammeln und sich auf den Museumsbesuch geistig vorzubereiten. Das Haus wirkt wie ein Filter zwischen den Erfahrungen und Wahrnehmungen der Stadt im Außenraum und der Kunst im Inneren. Langsam können sich die Menschen den verschiedenen Angeboten nähern. Die Verbindung der einzelnen Bereiche und Zonen erfolgt durch eine nichtlineare Verkehrszone, die sich wie ein Mäander durch das Gebäude zieht und überall Plätze für Kommunikationsbereiche bildet. Der Höhepunkt ist eine multifunktionale Galerie im obersten Geschoß, die die Rodin-Sammlung enthält.
Fußgänger, die das Museum passieren, blicken oft halb neugierig, halb beunruhigt zu dem enormen Überhang hinauf. Man hat den Eindruck, als ob das Museum nur auf das nächste Erdbeben wartet, um sich auf die Stadt zu stürzen. Aber nichtsdestotrotz – es ist Mexikos größte Hoffnung auf ein international anerkanntes und renommiertes Kunstmuseum.
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