Wohnen im Strohhaus
Zwischen 2014 und 2016 plante und realisierte der angehende Architekt Marc Rupf während seines Masterstudiums den Bau seines ökologisch nachhaltigen und strohgedämmten Einfamilienhauses in Tirol. 2023 steht mit dem Anbau von Gästezimmer und Home Office die nächste Herausforderung für den jungen Architekten an.
Als sich Marc Rupf – den Bachelor in Architektur in der Tasche und eben zurück von einer sechsmonatigen Motorradreise gemeinsam mit seiner Frau – an den Bau seines Eigenheims in der kleinen Gemeinde Scharnitz in Tirol in Österreich machte, absolvierte der angehende Architekt parallel zum eher theorielastigen Masterstudium an der Universität Innsbruck den Praxisteil sozusagen in Eigenregie. Diesen Umstand hatte Rupf einem glücklichen Zufall zu verdanken: Nachdem sich die Suche nach einer kleinen Hütte im Wald im Umkreis der Landeshauptstadt als Rückzugsort für den Wahl-Tiroler und seine Frau sowie deren damals einjährige Tochter als erfolglos erwiesen hatte, brachte eine nicht gelöschte Online-Annonce das Baugrundstück am Eingang zum Karwendel aufs Tableau. Die junge Familie griff zu, wechselte den Hauptwohnsitz, die Planung nahm ihren Lauf und quasi über Nacht wurde Rupf zum self-made Universal-Handwerker.
Alles aus eigener Hand
Unter der Prämisse, alles selber und möglichst ökologisch bauen zu können, konzipierte Rupf seinen Entwurf eines Einfamilienhauses als strohgedämmten Holzbau. Der Untergrund aus blankem Fels ließ keinen Keller zu, sodass der Architekt sein Haus auf Fundamenten aus Betonstreifen quasi in der Luft schweben ließ. Böden, Wände und Decken basieren auf dem gleichen Prinzip: Holzständerkonstruktionen, die mit 35 Zentimeter starken Kleinstrohballen gefüllt sind. Auch hier setzte Rupf nicht auf ein fertiges System eines Herstellers, sondern produzierte alle Bauteile in Eigenregie. Im Umkehrschluss verzichtete der Bauherr auf sämtliche nicht notwendigen Wände und plante das Haus vielmehr als einen großen Raum mit eingestellten Serviceboxen. So befinden sich in der unteren Ebene ein Garagenstellplatz, der Windfang, das Bad und eine große Wohnküche mit Kamin sowie Lagerflächen und eine Werkstatt. Eine Wendeltreppe führt auf eine Galerie, die neben einem kleinen Arbeitsplatz die Schlafkoje der Eltern und ein Kinderzimmer umfasst. Der selbstgebaute Hühnerstall im Garten musste seinen Ort hingegen schon wechseln – hier entsteht demnächst ein Anbau samt Gästezimmer und Arbeitsplatz.
Reduce, Reuse, Recycle
Die Hands-on-Mentalität Rupfs basiert zum einen auf dem Credo, „dort zu leben, wo andere Urlaub machen“ und die eigene Zeit entsprechend sinnvoll zu nutzen – zum anderen auf der Maxime, ökologisch nachhaltig leben und handeln zu wollen. Der Clou: Man sieht dem Gebäude seine inneren Werte erst auf den zweiten Blick an. So produziert eine Photovoltaikanlage auf dem Dach Strom, geheizt wird mit dem selbst geschlagenen Holz aus der Umgebung und auch die Glasscheiben bestehen aus wiederverwertetem Material ausrangierter Fenster. Hühner und ein Gewächshaus tragen zur Selbstversorgung bei und wenn einmal eine Reparatur vonnöten ist, drucken sich die Bewohner die Ersatzteile mit dem 3D-Drucker einfach selbst. Einfach bauen, einfach leben.
Dämmen mit Stroh
Das regional verfügbare, bei der Getreideproduktion anfallende Nebenprodukt Stroh ist aufgrund seiner natürlichen Beschaffenheit frei von Schadstoffen. Strohgedämmte Häuser bieten daher ein gesundes und behagliches Raumklima. Das Material ist diffusionsoffen, hat hervorragende Dämmeigenschaften und wirkt zudem aufgrund seiner vergleichsweise hohen Masse sommerlicher Überhitzung entgegen. Der Dämmstoff verfügt außerdem über ausgezeichnete schallisolierende Eigenschaften.
Stroh bindet während des Wachstums – ähnlich wie beispielsweise Holz – CO2. Da eine Weiterbearbeitung allerdings nicht nötig ist, wird auch keine weitere Energie bei der Produktion verbraucht. Eine 35 Zentimeter dicke Dämmung mit Stroh entspricht etwa einer 26 Zentimeter starken konventionellen Dämmung.
Ein Learning
„Nicht alles, was man an Material geschenkt bekommt, eignet sich auch für den Einbau. Im Nachhinein hätte ich außerdem besser gleich ein Gästezimmer mit einplanen sollen – diesem Manko schafft nun der Anbau Abhilfe. Auch der Lehmputz in Kombination mit einer Wandheizung hat uns doch vor größere Herausforderungen gestellt – ich würde aber trotzdem alles nochmal so machen.“
„Ein solches Projekt schafft man nicht allein. Es braucht die richtigen Menschen um einen herum. Die Umsetzung wäre ohne einen Partner wie den Holzbaubetrieb Horst Sprenger und dessen großartige Hilfe in der Art nicht möglich gewesen. Der größte Dank jedoch gilt meiner Frau für ihre bedingungslose Unterstützung in allen Hochs und Tiefs die das Hausbauen so mit sich bringt.”
EFH Hinterautal
Scharnitz, Österreich
Bauherr: Susanne & Marc Rupf
Planung: Marc Rupf
Planungspartner: Holzbau Sprenger, Scharnitz
Grundstücksfläche: 671 m2
BGF: 222 m2
Nutzfläche: 152 m2
Planungsbeginn: 01 / 2014
Bauzeit: ca. 2 Jahre
Fertigstellung: Sommer 2016
Baukosten: 150.000 EUR
Text: Linda Pezzei
Fotos: Marc Rupf