Wohnen unter der Erde

7. Januar 2025 Mehr

Der Entwurf des Periscope House, das in Knokke-Heist, Belgien, geplant ist, steht exemplarisch für kreative und zugleich technologische Ansätze. Das Architekturstudio Claerhout-Van Biervliet greift, in Zusammenarbeit mit dem Künstler Adriaan Claerhout, auf ein architektonisches Konzept zurück, das die Herausforderungen der nachhaltigen Bauweise mit einem innovativen Raumverständnis vereint. Durch die Unterbringung des gesamten Gebäudes unter der Erde wird nicht nur die visuelle Beeinträchtigung der Landschaft minimiert, sondern auch die thermische Isolierung auf natürliche Weise optimiert.

 

 

Die zentrale Herausforderung für unterirdische Gebäude – die oft von Dunkelheit und einem Mangel an Ausblick geprägt sind – wird durch ein ausgeklügeltes Spiegelsystem, das als „Periskop“ fungiert, auf bemerkenswerte Weise gelöst. Ein Doppelspiegel-System, welches entlang der äußeren Kontur des Gebäudes verläuft,  kann auf verschiedenen Ebenen des Gebäudes positioniert werden und ermöglicht so den tiefen Einfall von Tageslicht sowie weite Ausblicke in die umgebende Natur. In Anlehnung an das Prinzip eines Periskops sind die Spiegel in einem Winkel von 45 Grad angeordnet und heben sich bei Tag, um Licht und Ausblick bis in die unterirdischen Räume zu reflektieren. Bei Nacht sinken sie wieder zurück in die Landschaft und verschwinden nahtlos in der Umgebung.

 

 

Architektur als Energiequelle

Die Mobilität des Spiegel-Systems ist jedoch nicht nur ein ästhetisches Element, sondern dient auch als nachhaltige Energiequelle. Die Spiegelsysteme tragen schwere Pflanzbehälter, die tagsüber über solarbetriebene Motoren angehoben werden. Die in diesen Hebebewegungen erzeugte potentielle Energie wird abends in elektrische Energie umgewandelt, indem die schwer beladenen Spiegel wieder absinken und einen Generator antreiben. Diese „Schwerkraftbatterie“ nutzt den Höhenunterschied der massiven Pflanzcontainer und speichert so erneuerbare Energie, was das Periscope House zu einer innovativen Lösung im Bereich der nachhaltigen Architektur macht.

 

 

Eine Hommage an historische Vorbilder

In seiner architektonischen Gestaltung lehnt sich das Periscope House an die räumliche Ordnung antiker römischer und palladianischer Villen an, bei denen zentral platzierte Innenhöfe das Herzstück der Architektur bilden. Der große zentrale Patio im Periscope House erfüllt nicht nur diese traditionelle Rolle, sondern schafft eine einzigartige Verbindung zwischen Innen- und Außenraum in einem vollständig unterirdischen Kontext. Das Gebäude scheint das Konzept der Raumwahrnehmung neu zu definieren, indem es den Bewohnern das Gefühl von Offenheit und Naturverbundenheit vermittelt – trotz seiner Position unterhalb der Erdoberfläche.

 

 

Architektur jenseits der Wohnnutzung

Obwohl das Periscope House für den privaten Wohnbau konzipiert wurde, zeigt das Projekt ein großes Potenzial für weitere Anwendungen. Claerhout-Van Biervliet und Adriaan Claerhout sehen in dem Konzept eine vielseitige Lösung, die auch für Büros, kulturelle Einrichtungen oder Museen wertvolle Impulse bieten kann. In diesen Kontexten könnten die Periskop-Spiegel als Lichtbringer und Ausblick-Generator neue Möglichkeiten für die Nutzung von unterirdischen Räumen schaffen.

 

Renderings: Adriaan Claerhout

 

Kategorie: Projekte