Mehr als eine Boutique – Le 27
Das in Mailand beheimatete Studio Vudafieri-Saverino Partners hat ein historisches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert in einen Raum, halb Konzeptstore und halb Galerie, verwandelt. Der Prozess lief im Geist von Eklektizismus und Kontamination ab und stellt eine Revolution in der Sprache und Ausdrucksweise von Delvaux, der ältesten (gegr. 1829 in Belgien) und luxuriösesten Ledermarke der Welt dar. Das neue Geschäft im Herzen von Brüssel trägt die Bezeichnung „Le 27“. Am Boulevard de Waterloo, der High-End-Luxusshoppingmeile gelegen, ist es nun eine einzigartige Umgebung, eine Kombination der feinsten Lederwaren mit den tollsten Stücken belgischen Designs, Malerei, Kunst und Keramik.
Die italienischen Designer haben seit 2012 schon 40 Stores der Luxusmarke weltweit gestaltet und dabei immer wieder unterschiedliche Projekte realisiert. Hier heißt nun eine Eingangsarkade die Besucher in der imposanten Privatvilla willkommen. Auf zwei Ebenen angesiedelt, behält der Shop die ursprüngliche Struktur der Architektur, mit den Wandverzierungen, Spiegeln, Medaillons und Stuckelementen, die einst die Rezeption verzierten. Die vier Meter hohen Räume geben Materialien wie Marmor, Holz oder gebogenes Eisen ein breites Wirkungsfeld. Die große Stiegenanlage im Eingang führt zum geräumigen Obergeschoss, welches in ein surreales Licht aus einem Art-Deco-Oberlicht getaucht ist. Der historische Raum ist erhalten geblieben, aber mit einer Neuinterpretation des Interieurs in einer avantgardistischen Sprache versehen worden, voll von Referenzen und Bezügen. Durch eine feine Interaktion von modularen Elementen in Kombination mit Strenge und Trompe-l‘œil-Versatzstücken organisieren, rationalisieren und verschönern die Displays die Präsentation der Taschen und Accessoires. Wandregale erscheinen als abstrakte Gemälde im Stile Mondrians. Ihre geometrische und klassische Form wird durch vertikale hellgraue Flächen ausbalanciert und gleichzeitig wird damit die Symmetrie durchbrochen. Das wiederum betont die feinen Linien der Regale und Konsolen. Sie sind als minimal asymmetrische Formen entworfen und durch edle Materialien, wie man sie eigentlich aus dem Möbeldesign der Art-Deco-Periode kennt, wie Marmor oder poliertes Nickel, bereichert.
Die Möblierung des insgesamt 270 Quadratmeter großen Stores wird durch ausgesuchte Stücke der berühmtesten belgischen Künstler bereichert. Alle Werke sind signiert und einzigartig, wie in einer Museumskollektion. Zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Stock scheint eine Art Gemäldegalerie an den Wänden zu hängen. Bei näherer Betrachtung erweisen sich die alten Meister jedoch als Serie von Fotografien, archivarischen Pigmentdrucken des argentinischen Künstlers Romina Ressia, der die post-neo-flämischen Portraits mit Elementen des täglichen Kitsches versetzt hat: ein brillanter Trick und eine spielerische Illusion. Es scheint, als ob in der Einrichtung von hochwertigen Läden und Stores immer mehr die Leere zählt. Luxusmarken haben es nicht not, mit Fülle und Reichtum zu werben, sondern extravagante Konzepte sind besser geeignet, Kunden bei der Stange zu halten und das Renommee zu verbreitern.
Fotos:©Santi Caleca
Kategorie: RETAILarchitektur