Alphabeta – Londons 1. cycle-in-office
Cycle in statt drive in. Vergessen Sie Arbeitsplätze, die durch grüne Glashäuser oder sonstige Goodies aufgewertet werden, vergessen Sie alles, was sie über hippe Arbeitsplätze je gehört haben: Alphabeta vom Studio RHE in London ist der neueste architektonische Ausdruck der ‚New Economy‘, einer Fusion von Landmark-Architektur des modernen Selbstverständnisses mit Büros, Chill-out-Zonen, Dachbar, Loft-Atrium und einer allgemeinen vibrierenden Betriebsamkeit. Und noch dazu ist es der Traum jedes Fahrradfreaks. Denn auch London hat das Radfahren längst entdeckt, nicht nur wegen der täglichen Staus in der verstopften City. Kein Wunder, wo es doch in Japan bereits Hotels gibt, in denen man sogar auf dem Rad sitzend an der Rezeption einchecken kann.
Alphabeta ist das erste, richtige ‚Cycle-in-Office‘, und als solches schon beachtenswert. Findige Arbeitgeber in London haben ja längst diverse Annehmlichkeiten für ihre radfahrenden Angestellten eingeführt. Radfahrende Mitarbeiter dieses umgewandelten Bürokomplexes am Londoner Finsbury Circus können nun direkt in das Gebäude hineinfahren und über eine schwarz-gelb gestrichene Rampe in den Keller hinunter. Dort befinden sich ca. 250 Abstellplätze für Räder inklusive Umkleidekabinen, Schließfächer und diversen Nebenräumen. Im Haus ist auch ein Mechaniker, der sich um eventuelle Radprobleme der 2.200 Angestellten kümmern kann.
Das Studio RHE, London, leitete die Renovierung und den Ausbau der drei separaten Gebäude, die alle in den Jahren 1904 – 1930 errichtet und 1980 zum sogenannten Triton Court zusammengelegt wurden. Die Lage ist in der trendigen Shoreditch Nachbarschaft und dem Finanzdistrikt Londons und da viele Medien- und Technologiefirmen die Nähe dieses Punktes suchen, bietet das 64 Millionen Euro Projekt eine Nettonutzfläche von 32,300 m2 an.
Dass nicht der Baggerzahn auf die Architektur losgelassen wurde, sondern eine teilweise Entkernung und Neustrukturierung erfolgte, zeigt einen langsamen, aber doch stattfindenden Umdenkprozess mancher Architekten – weg vom ständigen neu Bauen. Es ist zwar vielleicht doppelt so teuer wie üblich, wird aber sicher vier mal so lange halten. Das ist Teil einer vor-ausdenkenden, nachhaltigen Architekturauffassung.
Der das Projekt leitende Architekt hat die Rampe – die vom Erdgeschoss aus durch eine Glasscheibe eingesehen werden kann – entworfen, damit vielleicht mehr Menschen den Mut finden, mit dem Fahrrad in die Arbeit zu fahren. Aber auch als Teil des Neudesigns des Gebäudes, das auch Leckerbissen wie einen Holztisch in Kipferlform als Rezeption im Erdgeschoss, eine Bibliothek und kulinarische sowie sportliche Annehmlichkeiten bietet.
Die Benutzer von Alphabeta können das Gebäude durch Drehtüren vom Platz im Süden her betreten, oder durch einen neuen Eingang an der Worship Street in der Nordecke. Diese beiden, sich gegenüberliegenden Eingangssituationen, einer zur Stadt hin und einer gegen den Shoreditch District, sollen möglichst viele und verschiedene Benutzer anziehen. Im Inneren sind die Arbeitsumgebungen um ein zentrales Atrium herum gruppiert. Immer bieten Glasflächen den Ausblick auf die ankommenden und abfahrenden Radfahrer.
Im Erdgeschoss befindet sich das schon erwähnte, gekurvte Empfangspult aus Holz. Es enthält auch eine Bar mit Arbeitsmöglichkeiten. Der Tisch wickelt sich um einen bronzefarbenen Stiegenabgang, der ins Untergeschoss führt, herum. Auf der Eingangs-ebene befinden sich noch die Cafeteria, ein fünf Meter langer Holztisch mit sämtlichen elektronischen und elektrischen Anschlussmöglichkeiten, eine Bibliothek und ein eckiger Korridor, der zum Basketballplatz führt.
Sechs auskragende Sitzungszimmer erstrecken sich an der Ost- und Westseite in den Luftraum des Atriums hinein. Ihre kubische Form, die irregulär geometrische Fensteranordnung, die aus den Wänden ausgeschnitten ist, geben Ausblicke für die Benutzer in den Empfangsbereich und die stattfindenden Aktivitäten frei.
Die Nordseite des Atriums wird von zweigeschossigen rahmenlosen Glasscheiben gebildet, getrennt werden sie durch Holzbretter. Die horizontalen Öffnungen an der gegenüberliegenden Seite werden von unbehandelten, stumpfen Stahlplatten flankiert.
Andere Materialien, die verwendet wurden, um die ästhetische Diversität der Innenräume zu betonen, sind: Stahlbeton, keramische Fliesen, schwarz hinterlegtes Glas. In den Nebenräumen dominieren Oberflächen aus weißem, perforiertem Stahl und unbehandeltem, galvanisiertem Stahl.
Die Architekten entfernten jegliche früheren ‚Substandard‘- Einbauten und trachteten danach, das Gebäude passend für eine zeitgemäße Arbeitsumgebung zu gestalten, indem sie die Offenheit und Lichtdurchlässigkeit der einzelnen Ebenen betonten. Immer unter Einbeziehung des komplexen und eher exzentrischen Originalgebäudes. Erhalten wurden deshalb auch alte Stahlsäulen, Unterzüge und Ziegelmauerwerk und die unterschiedlichen Decken- und Raumhöhen verstärken den Gesamteindruck mehr, als dass sie ihn verbergen. Einfache und dezent wirkende Dachterrassenbüros ersetzen die ehemaligen Aufbauten, die mit der historisierenden Architektur kollidierten, zwei Originaltürme sind in erhöhte Besprechungsräume umgewandelt und weitläufige Dachterrassen bieten ultimative Rundblicke über die Londoner Skyline.
Alphabeta
London, England
Bauherr: Resolution Property
Planung: Studio RHE
Statik: Furness Partnership
Nutzfläche: 32.300m2 / 17% Steigerung der Flächenausnützung zum vorherigen Status
Planungsbeginn: 01/2012
Bauzeit: 02/2013 – 09/2015
Fertigstellung: 09/2015
Baukosten: 64 Mio. Euro
Fotos: ©Hufton + Crew
Text: Peter Reischer