Deutsches Zentrum für Raumfahrt und Luftfahrt
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) / Lampoldshausen / hammeskrause architekten
Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen und von der Öffentlichkeit abgeschirmt, werden seit Anfang der 1960er Jahre im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Institut für Raumfahrtantriebe, am Standort Lampoldshausen Raketentriebwerke getestet. Aktuell ist es der Antrieb für die Ariane 5 Midlife Evolution. Es ist ein verwunschener Ort mitten im Wald und plötzlich steht man vor einer bis zu acht Meter hohe geschwungene Glasfassade, die in den Waldhang einschneidet. Mit dieser beeindruckenden architektonischen Geste begrüßt das neue DLR-Forum den Besucher.
Bis vor Kurzem waren die Gebäude und Prüfstände des DLR-Instituts für Raumfahrtantriebe eher unsichtbar, kaum etwas deutete bislang auf einen hochtechnologisierten Standort hin. Die Anlage war von einem dichten Wald verdeckt.
Nun ist alles anders: Eingebettet in die Topografie des Ortes, empfängt das 2.600 Quadratmeter umfassende Bauwerk mit seiner großen, geschwungenen Schaufassade den Besucher wie mit offenen Armen. Bereits von außen kann man die Ausstellungsbereiche erblicken und das Gebäude selbst wird zur Ausstellungsvitrine, in der – gestaffelt über zwei Ebenen – die Exponate vor tiefblauem Hintergrund im (Welt)Raum zu schweben scheinen.
Dieses übergroße Schaufenster gewährt Einblicke in 50 Jahre Raumfahrtgeschichte. Damit die Exponate-Schau im Gebäudeinnern auch bei sommerlichen Temperaturen ein Genuss bleibt, wurde die Glasfront mit Sonnenschutz Außenjalousien ausgerüstet. Und diese intelligenten Verschattungselemente sind auch eine Besonderheit an dem Projekt.
Neben der einladenden Geste und dem Sichtbarmachen der Exponate nach außen, sollte die großzügig verglaste, 300 Quadratmeter große Gebäudefront vor allem eines erreichen: von Tageslicht durchflutete Räume. Je größer eine verglaste Fläche aber ist, desto eher heizen sich dahinterliegende Räume bei starker Sonneneinstrahlung auf – besonders bei Südorientierung der Fassade, wie hier in Lampoldshausen. Damit Hitze in den Ausstellungsräumen des DRL-Forums erst gar nicht zum Thema wird, sorgen außen liegende Aluminium-Jalousien für ein ganz besonderes Wohlfühlklima. Sie halten die Räume nicht nur blendfrei, sondern schützen vor solarer Einstrahlung und damit Überhitzung selbst zur Mittagszeit im Hochsommer.
Die besondere Geometrie der gekrümmten Fassade ließ dabei keine Standard-Sonnenschutzlösung zu. Fast jede der 44 Jalousien musste an die Gegebenheiten der zweifach gekrümmten Fassade und an die unterschiedlichen, bis zu 5 Meter hohen Einzelscheiben angepasst werden. Abspannelemente und Konsolen wurden ebenfalls als Sonderlösungen gefertigt. Die 80 Millimeter breiten, zart dimensionierten und silbern beschichteten Lamellen unterstreichen nicht nur die filigrane Ästhetik der Glasfassade. Sie sind gleichzeitig außerordentlich stabil und überzeugen mit ihrer hohen Flexibilität. Selbst hoher Windbelastung halten die flexiblen Lamellen durch ihre spezielle Aluminiumlegierung auch an der windexponierten Fassade stand und sie kehren immer wieder in ihren Originalzustand zurück.
Mit diesen Außenjalousien wird Tageslicht nicht einfach ausgesperrt, sondern kontrolliert genutzt und der Raum damit – im wahrsten Sinne des Wortes – ins beste Licht gerückt. Die drahtseilgeführten Lamellen lassen sich mit 180 Grad Wendung in jeden beliebigen Winkel einstellen und sorgen somit für eine individuell gewünschte Helligkeit im Raum. Angetrieben werden die Behänge von leistungsstarken, leisen Einzelmotoren, die über ein zentrales BUS-System programmier- und steuerbar sind. In den Büros und Werkstätten kamen etwas schmälere, nur 60 Millimeter breiten Außenjalousien in gleicher Ausführung zum Einsatz. Auch hier schützen sie die Arbeitsplätze vor Blendung und Überhitzung und sorgen bei jeder Wetterlage für ein gutes Gefühl.
Mit der offenen, transparenten Architektur soll der DLR-Standort Lampoldshausen bei der Bevölkerung stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Doch das Gebäude erfüllt nicht nur die Wünsche einer interessierten Öffentlichkeit. Sein vielseitiges Raumprogramm hat auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs einiges zu bieten. Vorlesungen und qualifizierte Schulungen sollen im Rahmen der Initiative ‚DLR-Campus‘ die Zusammenarbeit mit den Hochschulen und Universitäten intensivieren, die Lehre verbessern und Forscher wie Mitarbeiter weiter qualifizieren. Eigens dafür integrierten die Architekten neben der Haupteingangspforte zum Institut, dem zentralen Foyer und dem Museum Hörsäle, Konferenzräume und Schülerlabore. In einem separaten Baukörper, der über dem elliptisch geformten Grundkörper auskragt, sind zudem Büros und die Institutswerkstatt untergebracht.
Der Neubau wurde als Stahlbetonmassivbau errichtet, dessen betonierte Schalendecke sich zwischen den beiden massiven Auflagern an den Fußpunkten des Hanges wölbt. Im nördlichen Auflager am Eingang ist die Sicherheitspforte integriert, während der südliche Teil den Hang stützt. Verkleidet sind die beiden Gebäudeausläufer mit anthrazitgrauen, hinterlüfteten Faserzementelementen. Bündig zur Vorderkante der Vorhangfassade schließt die Glasebene der bis zu acht Meter hohen Pfosten-Riegel-Fassade an. Deren Profile aus Aluminium wurden bei Längen über 6 Meter durch Stahleinschüblinge statisch verstärkt. Da die Profile an der Stahlbetonattika des Massivbaus kraftschlüssig aufgedübelt sind, hängt die Fassade und ist an den Fußpunkten lediglich fixiert. Sie steht demnach nicht auf und erfährt Zug- anstelle von Druckbelastung, weshalb die Profile sehr schlank und filigran ausgebildet werden konnten. Die Glasfassade wirkt dadurch leicht und elegant.
Neubau DLR-Forum für Raumfahrtantriebe, Lampoldshausen
Lampoldshausen, Deutschland
Bauherr: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. in der Helmholtz-Gemeinschaft,
Baumanagement: Süd, DLR Standort
Planung: hammeskrause architekten bda, Stuttgart
Mitarbeiter: Jakob Dürr, Yong Liang
Statik: BKSi GmbH, Stuttgart
Grundstücksfläche: 3.250 m2
Bebaute Fläche: 1.580 m2
Nutzfläche: 2.300 m2
Planungsbeginn: 07/2010
Bauzeit: 05/2011- 03/2013
Fertigstellung: 03/2013
Baukosten: 5,6 Mio. Euro
Text: Peter Reischer
Fotos: © Wolf-Dieter Gericke