Die Betonarche des Architekten Robert Konieczny
Die Arche ist gelandet
Konieczny‘s Ark / Polen / KWK Promes, Architekt Robert Konieczny
2014 gastierte im AZW die Wanderausstellung über polnische Einfamilienhäuser und Wohnträume. Im Gegensatz zu den in Polen weitverbreiteten, seit 1898 entstandenen Zeichen des sogenannten „Kapitalismusbarock“ mit Türmchen, Sphinxen und Alabasterbalustraden im Zuckerbäckerstil – ironisch-liebevoll mit dem Namen „Gargamel“ (der böse Zauberer aus der Trickfilmserie „Die Schlümpfe“ haust in einem Schloss dieses Stils) bedacht – sah man durchaus interessante Lösungen. Sie waren Beispiele eines Wandels in der Baukultur des Landes.
Konieczny‘s Ark auf einem steilen Berghang in Polen ist die Antwort von Architekt Robert Konieczny auf die fordernde Topografie, eine bedachte technische Lösung und Konstruktion in einer präzisen Form. Aus Beton, ohne Vollwärmeschutzsystem an der Außenseite und doch ein tolles Wohnhaus.
Dieser Wandel ist mittlerweile unübersehbar. So auch in dem Wohnhaus des Architekten Robert Konieczny im Bergland der Gegend um Brenna. Wie eine gelandete Betonarche schwebt der Körper auf einer relativ steil abfallenden Wiese in einer unberührten Landschaft. Die Ausblicke vom Grundstück sind phänomenal. Die Architektur, die Konieczny geschaffen hat, bildet die Fassung für diese Panoramen. Deshalb ist das Haus auch mit Ausnahme der Stirnseiten, mit großen, raumhohen Glasöffnungen versehen, die den Eindruck vermitteln, die Landschaft und die Natur flössen durch den Körper hindurch. Der eingeschossige Baukörper bietet von seiner gesamten Grundfläche aus die gleichen Aussichten.
Da das Grundstück in einem abgelegenen Gebiet situiert ist, wurden Sicherheitsbedenken bezüglich Eindringlingen sowie Umweltbeeinträchtigungen berücksichtigt. So wurde zum Einen der Körper nicht quer zum Hang gestellt, sondern leicht in Richtung Falllinie positioniert. Somit hat das Gebäude bloß im oberen Eck Kontakt mit dem Grund und die Schlafbereiche ragen in die Luft, ähnlich einem „ersten Stock“. Um die obere, gegen den Hang gerichtete Seite des Hauses zu sichern, entwickelte der Architekt zum Schutz der Glasfront eine Art Zugbrücke, die im heruntergelassenen Zustand den Zugang zum Haus bildet und im hochgezogenen die Fenster hermetisch verschließt.
Die Positionierung des Volumens auf dem Hang brachte außerdem die Gefahr von Hangrutschungen mit sich. Ein Problem, das immer öfter in den polnischen Bergen auftritt. Diese Risiken minimierte man, indem die Architektur wie eine Brücke ausgebildet wurde, unter der das Regenwasser natürlich abfließen kann. Der Kontext zur Umgebung, wie auch die polnischen Baugesetze, verlangten ein Satteldach und so ist der Körper analog zu den in der Gegend zu findenden, typischen Scheunen ausgebildet. Drei dünne Wände in der Querrichtung bilden seine Tragstruktur. Um eine Steifigkeit für diese Scheiben zu erreichen, sind sie mit dem Boden eines umgedrehten, leicht von der Erdoberfläche abgehobenen, zweiten Daches verbunden. Da der Körper also mit zwei „Dächern“ konstruiert wurde, begann er immer mehr einer Arche, die über der Wiese schwebt, zu ähneln. Der Besitzer beschloss auch deshalb, auf jegliches Garten- und Landschaftsdesign rundherum zu verzichten, um diesen Eindruck einer Landung in der Natur nicht zu schmälern. Den dazu am besten passenden Zaun stellte ein Weidezaun dar, Zugang bzw. Zufahrt erfolgen über einige, wenige Steinplatten.
Da das Wohnhaus einfach und kostengünstig zu errichten sein sollte, beschloss man, es nur an der Innenseite zu isolieren. Die Sichtbetonaußenseite bekam lediglich einen veredelnden Anstrich. Das „obere“ Betondach ist zusätzlich mit einer thermoplastischen, UV-beständigen Dachbahn auf Basis von Polyolefinen einlagig abgedichtet. So wurden auch alle lästigen Anschlussdetails vermieden, den Beton hat ein lokaler Produzent geliefert. Ein geschlossenzelliger Schaumstoff erwies sich als beste Isolierung, er bildet gleichzeitig auch die Dampfsperre. Die Glasscheiben der Schiebetüren und Fenster sind bewusst nicht abdunkelnd gewählt, um den Bewohnern einen ungehinderten Ausblick zu sichern. Die Arche hat es auch einigen Tieren ermöglicht, im Raum unter dem Fußboden ihren Unterschlupf zu finden – ein wahrlich metaphorisches Bild.
Man bekommt beim Betrachten dieser Architektur das Gefühl, dass in Polen endlich – mehr als 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – Architektur nach freiem Ermessen und nach den Maßstäben von Sinnhaftigkeit und innerer Intelligenz entworfen und gebaut wird. Dass die Bauten Anleihen aller Art, von den sogenannten sozialistischen Würfelhäusern über Vorarlberger Holzbauten bis zu Minimalismusbeispielen à la Japan nehmen – tut ihrer Qualität keinen Abbruch. Wir leben eben in einer globalisierten Welt. Man darf nur hoffen, dass nachhaltiges Gedankengut, wie Umweltschutz, CO2-Fußabdruck und Effizienz, nicht auch erst 25 Jahre später in der polnischen Architekturauffassung ihren Niederschlag finden werden.
Konieczny‘s Ark
Brenna, Polen
Bauherr: Robert Konieczny
Planung: KWK Promes, Architekt Robert Konieczny
Mitarbeiter: Marcin Harnasz, Aneta Świeżak, Łukasz Marciniak
Statik: Kornel Szyndler
Grundstücksfläche: 1.694 m2
Bebaute Fläche: 78 m2
Nutzfläche: 138 m2
Planungsbeginn: 2011
Bauzeit: 2011 – 2015
Fertigstellung: 11/2015
Fotos: © Olo Studio, Jakub Certowicz
Text: Peter Reischer