design Was alles aus Beton entstehen kann Im Juni 2013 wurde in Wien ein kleines, feines Designgeschäft mit dem bezeichnenden Namen ‚Unikatessen‘ eröffnet. Die Besitzerin Daniela Cismigiu hat den Rahmen der Vienna Design Week genützt um Noémi Kiss und Christopher Rhomberg, den Gestalter des Geschäfts, um eine Auseinandersetzung zu bitten. Herausgekommen sind dabei Arbeiten, die mit dem Unfertigen spielen. Im Stile der klassischen Geschichtserzählung werden Raum und Objekt nicht definiert, sondern umschrieben. Das Interesse der Gestalter gilt der Materialität und Struktur, nicht dem Endprodukt und seiner funktionalen Bestimmung. Es entstehen ‚non-habitable spaces‘: Gebrauchsobjekte, die man nicht besetzen kann, Böden, die man nicht begehen kann, Oberflächen, die man nicht berühren kann. Strukturen aus Beton, organisierte Gebilde aus Kunststoff & korrodiertem Stahl, Formationen aus Stacheldraht & zerschnittenem Teppich, auch Glaswolle, werden dabei verarbeitet.Peter Reischer unterhielt sich mit Noémi Kiss über ihren Zugang zu diesen Materialien. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit Beton als Material für Ihre Entwürfe zu befassen? Beton hat mich in erster Linie deshalb interessiert, 78 weil er billig, unbeliebt und sehr wandelbar ist. Unbeliebt? Ja, unbeliebt und schwer. Warum muss das Material schwer sein? Wenn man etwas schweres in eine Form gießt, bekommt dadurch das daraus entstehende Objekt eine gewisse Ernsthaftigkeit -– und Beton nimmt jede Form an und auf. Wir kennen ihn nur von der Baustelle oder als Sichtbeton, andere Formen und Oberflächen oder Design aus Beton sind nur wenig bekannt. Beton kann aber tausende Dinge simulieren. Wenn man sich Ihre Betonkissen oder -polster ansieht – bei Kissen denkt der Mensch doch eher an etwas Leichtes ... Wie sehen Sie diesen Widerspruch zwischen dem realen Produkt und der imaginativen Wahrnehmung? Die Polster wiegen tatsächlich mehr als 50 kg. Ich mag diesen Widerspruch: Man geht auf die Objekte zu, stellt sich etwas bestimmtes vor und dann kommt die Irritation. Ich spiele gerne mit Irritation und Täuschung. Man bekommt etwas anderes als erwartet, will das Objekt berühren, um sicher zu sein, was man da vor sich hat. Ich will die Menschen zum Nachdenken und Nachfühlen anregen. Kann man denn davon ausgehen, dass alle Menschen nachdenken, wenn sie Ihre Objekte sehen? Natürlich nicht, aber Sie bringen sie zumindest zum Schmunzeln und das ist auch schon etwas. Wie sieht es bei den Glaswolle-Hockern oder Montageschaum-Objekten mit der ökologischen Seite aus? Man weiß nicht wie diese Materialien sich in 50 oder 100 Jahren verhalten werden, wie sie sich entwickeln. Das ist aber ein Aspekt, der meinen Ausstellungs-Partner und mich brennend interessiert – der Wandel, dem ein solches Material im Laufe seines Lebenszyklus unterliegt. Heute werden die Häuser mit Dämmstoffen vollgestopft, nur sehen können wir sie üblicherweise nicht. Sie haben zuerst gesagt: „Beton ist unbeliebt.“ Sie machen Tische, Hocker, Polster aus Beton. Sollen Ihre Entwürfe Menschen zu einer verfeinerten Wahrnehmung der Dinge des alltäglichen Lebens heranführen? All diese Materialien wie PU Schaum, Dämmstoffe, Beton und Baufolien haben wir zu eigentlich ‚unbenutzbaren‘ Objekten verarbeitet. Es sind nur Fragmente – der Geist des Betrachters fügt sie schlussendlich zu Möbeln oder Gebrauchsobjekten zusammen, die aber nicht zu gebrauchen sind. Also nicht unbedingt funktionell? Nein, um die Funktion geht es dabei nicht, damit setzt sich das Industrie-Design auseinander. Viel mehr geht es um die Transformation von etwas Banalem, wie einer Frischhaltefolie, oder die Paarung von etwas Wertlosem mit etwas Wertvollem, wie die Amalgamation des Materials Beton mit den Fragmenten eines Perserteppichs. Fotos: Christopher Rhomberg, Noémi Kiss (Polster, Betonwand), Günter Richard Wett (Betontisch) Shop Design: Christopher Rhomberg Betonwand aus der Produktion KISSTHEREICH
architektur Fachmagazin - Ausgabe 07/2013
To see the actual publication please follow the link above