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Die Architektur
des Sozialen
Für einen Wandel in der Sozialpolitik sorgte die 1968er-Bewegung auch in Wien. Dieser
Trend machte sich in der Baubranche bemerkbar – vor allem „Stadt des Kindes“ war
ein konkretes Beispiel für die damals angestrebte Architektur des Gemeinwohls. Das
sozialpädagogische Konzept im 14. Wiener Gemeindebezirk erfreute sich dabei großer
Beliebtheit. Für die Politik avancierte die Stadt des Kindes mit ihrem damals innovativen
Ansatz schnell zum Vorzeigeprojekt. Doch nach weniger als 30 Jahren musste die
Ursprünglich diente die Mischung aus
Wohn- und Freizeitkomplex gefährdeten
Kindern und Jugendlichen der Stadt Wien
als Residenz. Charakteristisch für die Siedlung
am Rande des Wienerwalds war der öffentliche
Zugang zu Freizeiteinrichtungen
wie Turnsaal, Hallenbad und Theater. Als
kennzeichnend erwies sich des Weiteren
der partnerschaftliche Ansatz des Projekts.
Dieser zeigte sich in Form familienähnlicher
Wohngruppen. Die Maßnahmen sollten das
Gemeinschaftsgefühl stärken und so die
soziale Integration der jungen Bewohner
fördern – eine vielversprechende Idee, die
zumindest bis zur Jahrtausendwende auf
fruchtbaren Boden fiel.
Beschlossen wurde die Realisierung des
Konzepts 1968 zum Anlass des 50-jährigen
Bestandsjubiläums der Republik Österreich
auf dem ehemaligen Areal der Huldenbergvilla.
Die Anlage wurde 1974 eröffnet, wobei
Architekt Anton Schweighofer für Planung
und Bau der Siedlung verantwortlich war.
Die „Stadt des Kindes“ diente als Aufnahmestelle
für rund 260 Pflegekinder zwischen
3 und 19 Jahren. Im Jahr 2002 fiel das
Konzept jedoch der Heimreform der Stadt
Wien zum Opfer. Das bisherige Musterprojekt
musste einer Maßnahme, welche die
Realisierung von über die Stadt verteilten
Wohngemeinschaften vorsah, weichen. Die
Gebäude in der „Stadt des Kindes“ wiesen
darüber hinaus eine zu geringe Energieeffizienz
auf. Somit strebte die Stadt Wien eine
Sanierung der Bauten an, wobei diese einer
neuen Nutzung zugeführt werden sollten.
soziale Einrichtung ihre Tore schließen.
Text: Dolores Stuttner
Planen fürs Gemeinwohl
Die „Stadt des Kindes“ ist ein bemerkenswertes
Konzept. Begründet liegt dies einerseits
im sozialen Aspekt und andererseits in
der architektonisch-städtebaulich einzigartigen
Raumstruktur. Mit der gekonnten
Verbindung der zwei Elemente wollte Architekt
Anton Schweighofer eine Alternative
zu den geschlossenen Jugendheimen
der Stadt schaffen. Nicht als Randgruppe,
sondern als Bewohner eines Zentrums der
Kommunikation sollten die Kinder angesehen
und in weiterer Folge gesellschaftlich
akzeptiert werden. So erhielt die damalige
Jugendbetreuung eine neue, gemeinschaftliche
Dimension. Die Anlage setzte
sich aus fünf Vierfamilienhäusern samt
autonomer Betreuung sowie aus Schwimmbad,
Jugendklub, Theater, Turnsaal und
einer Gaststätte im Zentrum zusammen.
Das Grundgerüst der Siedlung stellte ein
linearer Straßenraum dar, der die Anlage
strukturierte und um den sämtliche Einrichtungen
angeordnet waren. Die Häuser
der Anlage waren auf einen Parkraum im
Südwesten, der gleichzeitig das Herzstück
des Konzepts war, ausgerichtet. Durch
das umfassende Freizeitangebot sowie die
Realisierung der urbanen räumlichen Ausbildung
inmitten einer Randlage gelang es
© Architekturzentrum Wien, Sammlung