
52 architektur FACHMAGAZIN Bau & Recht
Der fehlerhafte
Flächenwidmungsplan
Die behördliche Verwaltung beschränkt sich nicht nur auf den Selbstzweck der
Administration, sondern hat auch beratende Aufgaben gegenüber den Bürgern.
Verfehlt die behördliche Verwaltung diese Aufgabe, kann dies – wie die Rechtsprechung
erst kürzlich wieder manifestiert hat – Amtshaftungsansprüche des dadurch
geschädigten Bürgers gegen den zuständigen Rechtsträger zur Folge haben.
Ausgangslage des hier angesprochenen
Amtshaftungsfalles ist eine im Flächenwidmungsplan
vormals als Grünland ausgewiesene
Liegenschaft, die über Antrag des
vormaligen Liegenschaftseigentümers in
Bauland-Wohngebiet umgewidmet worden
war; dies, obwohl die Liegenschaft in einem
Hochwasserabflussgebiet gelegen ist.
Der Umwidmung sind Recherchen der zuständigen
Gemeinde, wie insbesondere Anfragen
an die Landesverwaltung und Erhebungen
in der Gemeindebevölkerung über
Erfahrungen mit einer allenfalls bekannten
Hochwassergefährdung, vorausgegangen.
Auch hat die Gemeinde ein geologisches
Gutachten einholen lassen, welches die Bebaubarkeit
der Liegenschaft bestätigt hat.
Im Zeitraum zwischen der Erarbeitung des
neuen Flächenwidmungsplans und der Umwidmung
sind auch keine Überflutungen der
Liegenschaft eingetreten.
Aus Sicht der Gemeinde haben daher keine
Bedenken gegen eine Umwidmung der Liegenschaft
von Grünland in Bauland-Wohngebiet
bestanden, was sich jedoch als erhebliche
Fehleinschätzung der Gemeinde
herausgestellt hat, weil die Liegenschaft
tatsächlich durchschnittlich alle zwanzig
Jahre durch Hochwasser überflutet wird.
Das schutzwasserwirtschaftliche Grundsatzkonzept,
aus dem die Gemeinde die
Hochwassergefährdung der Liegenschaft
hätte ableiten können, hatte die Gemeinde
nicht berücksichtigt.
Nach der erfolgten Umwidmung hat eine
gemeinnützige Bauvereinigung die Liegenschaft
erworben. Der Bauvereinigung war bei
Text: Mag. Matthias Nödl
Erwerb der Liegenschaft nicht bekannt, dass
es sich bei dieser Liegenschaft ursprünglich
um Grünland gehandelt hat und dass die Liegenschaft
tatsächlich in einem Hochwasserabflussgebiet
gelegen ist. Andernfalls hätte
sie die Liegenschaft nicht erworben. Nach
den Planungen der Bauvereinigung sollte
auf der Liegenschaft eine Wohnhausanlage
mit vier selbstständigen Wohnhäusern und
36 Wohnungen entstehen.
Erst im Zuge des Baubewilligungsverfahrens
über das von der Bauvereinigung geplante
Bauvorhaben wurde diese von der
Baubehörde darauf hingewiesen, dass die
Bebauung der Liegenschaft – offenbar aufgrund
der von der Gemeinde zwischenzeitig
erkannten Hochwassergefährdung – auch
einer wasserrechtlichen Genehmigung bedarf.
Zwischenzeitlich hatte die Gemeinde
auch eine Bausperre über die Liegenschaft
verhängt, die erst nach Durchführung bestimmter
Sicherungsmaßnahmen gegen die
Hochwassergefährdung wieder aufgehoben
werden sollte.
Die Bauvereinigung hat sich davon jedoch
zunächst nicht beirren lassen und ist von
ihrem Plan, das Bauvorhaben zu realisieren,
zunächst auch nicht abgerückt. Vielmehr
hat sie die Hochwassergefährdung bei der
Planung berücksichtigt. Über den Antrag
der Bauvereinigung auf Erteilung einer wasserrechtlichen
Bewilligung wurde zunächst
auch in erster Instanz behördlich positiv
entschieden; diese Bewilligung wurde jedoch
über Beschwerden von Anrainern wieder
aufgehoben und schließlich auch endgültig
versagt, weil sich das Bauvorhaben
als wasserrechtlich nicht bewilligungsfähig
erwiesen hat. Aus diesem Grund hat die
Bauvereinigung auch davon abgesehen, die
Abweisung des Antrages auf wasserrechtliche
Bewilligung des Bauvorhabens mit (aussichtslosen)
Rechtsmitteln zu bekämpfen.
Die Bauvereinigung hat daher von der Realisierung
des Bauvorhabens – auch in reduzierter
Form – abgesehen, auch wenn nach
den Angaben der Gemeinde ein Bauvorhaben
mit lediglich drei Wohnhäusern zulässig
gewesen wäre. Daran hatte jedoch die Bauvereinigung
kein Interesse. Vielmehr hat die
Bauvereinigung die Gemeinde auf Schadenersatz
insbesondere wegen Verletzung von
Prüf- und Sorgfaltspflichten geklagt.
In dem darauf folgenden, in drei Instanzen
geführten Rechtsstreit, über den der Oberste
Gerichtshof (OGH) letztlich zu entscheiden
hatte, wurde eine Amtshaftung der
Gemeinde im vorliegenden Fall gerichtlich
bestätigt, was sich zusammengefasst wie
folgt begründen lässt:
Voraussetzung für das Entstehen eines
Amtshaftungsanspruches (hier gegen die
Gemeinde) ist, dass Organe des jeweiligen
Rechtsträgers (hier der Gemeinde) in Vollziehung
der Gesetze den Anspruchsteller
(hier die Bauvereinigung) in seinen subjektiv
öffentlichen Rechten verletzt und dadurch
geschädigt haben. Der Schaden muss
durch ein rechtswidriges Verhalten von
Gemeindeorganen verursacht worden sein,
wobei diese dem erhöhten Sorgfaltsmaßstab
eines Sachverständigen gemäß § 1299
ABGB unterliegen.