
architektur FACHMAGAZIN 60 Architekturbiennale 2018
Optische Täuschungen mit Raumspielen,
Projektionen und Leerräume sind auch im
Arsenale zu finden, auch ein bewusst als
Leerraum konzipierter kreisförmiger, „digitaler“
Freespace, den kaum jemand benutzte
– die Menschen waren viel zu hektisch.
Hinter der Cordiere, bei den Länderausstellungen
gab es einige aufregende Momente,
bis sich nach dem „ahh“ und „ohh“ die
reale Wirkung der Bilder als (reine) Show
entpuppte. Eine scheinbar endlose Struktur
in einem runden, horizontlosen weißen
Raum mit Tonkulisse war irritierend und
regte zum Taumeln an, bogenförmig abgehängte
Papierbahnen mit einem schmalen
Durchgangsspalt, Wasserspiele und Rauchkulissen,
Videoprojektionen usw. Es wurde
generell wieder von allen Teilnehmern sehr
viel Wert auf Design und Gestaltung gelegt,
nicht wie vor zwei Jahren, wo auch improvisiert
werden durfte.
Der Preis der Biennale, der goldene Löwe
für den besten Länderpavillon auf den Gardinis
ging diesmal an die Schweiz. Sie hatte
sich, als eines der wenigen Länder, eines
der vor der Biennale genannten Schwerpunkte
– des Wohnbaus angenommen und
dabei auch versucht, den Freespace wenigstens
zu streifen. Und zwar mit dem typischen
„Schweizer Humor“. Die Kuratoren,
vier wissenschaftliche Mitarbeiter der ETH
Zürich bauten in den Pavillon eine „leere“
Wohnung ein. Leer ist nicht ganz richtig,
die Räume sind zwar leer aber mit allen,
zum Wohnen notwendigen Strukturen wie
Türen, Fenstern, Einbaukästen, Beschlägen,
Steckdosen und Schaltern ausgestattet.
Ein Parkettboden mit weißen Sockelleisten,
weiße Wände und Decken ziehen sich durch
die verwinkelten Raumanordnungen – das
ist aber auch schon alles. Eher langweilig
würde der Nutzer auf den ersten Blick sagen.
Richtig, aber vom Hasenstall bis zur
Behausung für einen Giganten kann man in
dieser „Wohnung“ alles finden. Die Maßstäbe
verwischen sich, Türklinken in 1,80 Meter
Höhe inklusive einer 2,40 Meter hohen
Türe, winzige Fenster in 1,60 Meter hohen
Räumen, auch die Elektroinstallationen sind
Sonderanfertigungen und dem verrückten
Maßstab der einzelnen Zimmer angepasst.
Was soll das bedeuten? Einerseits kann
man es als kritische Auseinandersetzung
mit dem heute üblichen Wohnbau verstehen.
Einheitsgestaltung ade! Andererseits
als Hinweis auf die wirklichen Bedürfnisse
der Menschen, müssen Wohnungen dem
Smart-Gedanken, der Effizienzsteigerung,
der Maximierung oder Minimierung von
Nutzungen folgen? Beim Eintreten in den
Pavillon erlebt man jedenfalls eine Deutung
des Freespace. Jeder kann sich hier
einrichten, wie er will. Links von der Türe
schrumpft alles auf Zwergengröße zusammen,
rechts werden die Elemente immer
größer, bis sie den maximalen Stand von
2,4 Meter erreichen. Diese Deckenhöhe widerspricht
auch allen gängigen Ordnungen,
sogar im Wiener Sozialbau sind die Räume
2.45 Meter hoch. Dementsprechend ist
auch der Titel „Svizzera 240: House Tour“
zu verstehen. Vielleicht ist der Beitrag aber
auch eine versteckte Kritik am von Grafton
Architects gewählten Titel Freespace?
Alison Brooks Architects, London, UK)
© Andrea Avezzù
Toyo Ito & Associates Architects, Tokyo, Japan
© Andrea Avezzù
Matharoo Associates, Ahmedabad, India
© Francesco Galli
Dorte Mandrup A/S, Kopenhagen, Dänemark
© Francesco Galli