Architektur, Landschaft und Leute

16. Mai 2024 Mehr

„Wir setzen auf die starke Verbindung von Architektur und Handwerk“, sagt Jürgen Haller und fügt hinzu, „Diese prägt nicht nur den Bregenzerwald, sondern die Vorarlberger Baukultur insgesamt.“ Was so entsteht, ist eine ehrliche, schnörkellose Architektur, deren starker Ausdruck von der Authentizität der heimischen Ressourcen und dem hohen Anspruch an die Gestaltung sowie Nachhaltigkeit lebt.

 


© Malte Jäger

 

Auf den ersten Blick mag die Architektur von Jürgen Haller einfach wirken. Das ist große Kunst, denn erst auf den zweiten Blick erschließen sich dem Betrachter die sinnliche Komposition von Raum und Licht, die kleinen Details und die Liebe zum Material und zum Handwerk, die in ihrer Gesamtheit den Reiz dieser schlichten Formensprache ausmachen. Der Bregenzerwälder strebt in seinen Projekten anstatt nach Selbstverwirklichung danach, die optimale Lösung für einen bestimmten Ort und seine spezifischen Nutzer zu finden. Im Interview betont Haller auch den Zusammenhalt als Besonderheit der Region und macht deutlich, wie davon alle Beteiligten vom Handwerker über den Gestalter bis zur Bauherrschaft profitieren können.

 


Die Häuser Bergfrieden befinden sich abseits jeglichen Trubels in der beeindruckenden Bergkulisse des Laternser Tals in Vorarlberg und bieten einen Ort zum Entspannen und Tagen.

 

Welche Rolle wird das (traditionelle) Handwerk in Ihren Augen in der Architektur von morgen spielen?

Die Vorarlberger Holzbauarchitektur basiert auf der starken Verbindung zwischen Architektur und Handwerk. Da gute Architektur auch dementsprechend umgesetzt und verwirklicht werden muss, spielt das Handwerk eine sehr wichtige Rolle. Für die zukünftigen Entwicklungen von nachhaltigen, energieeffizienten und ökologischen Bauformen sind wir mit unseren Handwerkern vor allem im Holzbaubereich sicher sehr gut aufgestellt und für kommende Bauaufgaben gerüstet.

Warum ist der Bregenzerwald hier schon lange Vorreiter und wie kann es gelingen, das bauliche Niveau auch weiter so hochzuhalten?

 Die Vorarlberger und vor allem die Bregenzerwälder werden als eigensinniges, traditionsbewusstes und rühriges Volk beschrieben. Diese Eigenschaften und vor allem die Überzeugung von langlebigem und hochqualitativem Handwerk halten das Niveau nach wie vor sehr hoch. Ein weiterer Vorteil ist die Vernetzung untereinander. Im Bregenzerwald unterstützt man sich gegenseitig, arbeitet oftmals langjährig zusammen und kennt die Fachkompetenz des Gegenübers. Davon profitiert auch unsere Bauherrschaft. Initiativen wie die Werkraumschule, die es Jugendlichen ermöglicht, handwerkliches Lernen und den Handelsschulabschluss zu kombinieren, sollen dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken und das Handwerk in der Region am Leben halten.

 


Die Maserung des Holzes lenkt die Blickrichtung, das Spiel des natürlich einfallenden Tageslichtes setzt den in nur einem Material inszenierten „Nicht-Raum“ gekonnt und dramatisch in Szene.

 

(Wie) Kann Architektur Landschaft und Leute positiv prägen?

 Wenn das Gebäude mit gezielten Öffnungen auf Bewegungsabläufe, Raumsequenzen und Blickbezüge auf die umliegende Bergwelt, Natur und Landschaft reagiert, dann kann Architektur Landschaft und Leute positiv prägen. Außerdem sollten sämtliche Baumaterialien unbehandelt eingebaut werden, um mit ihrer materialeigenen Direktheit auf die Benutzer wirken zu können. Die sinnliche Qualität von regionalen Baumaterialien muss in meinen Augen durch messbare Kriterien wie eine schadstofffreie Raumluft und eine ausgezeichnete Ökobilanz ergänzt und verbessert werden.

Lässt sich der Bregenzerwald-Stil auch exportieren?

Selbstverständlich – wir realisieren Holzbauarchitektur auch im Ausland – Beispiele sind das Haus R. oder das Projekt Betreutes Wohnen in Kellmünz.

 


Symmetrie ist alles: Am Ortsende von Mellau wurde, direkt am Hangfuß, ein altes, baufälliges Haus abgebrochen und durch einen modernen Neubau mit Walmdach und naturbelassener Fichtenfassade ersetzt. Auch hier ist wieder auffällig, wie die schlichten Formen und Oberflächen von Hallers Bauwerken in ihrer Komposition und Lichtstimmung zum Leben erwachen.

 

(Wie) Hat sich die Architektenwelt im Laufe Ihrer Tätigkeit gewandelt?

Natürlich versuchen wir alle, immer perfektere Arbeit zu leisten und optimierte Gebäude zu bauen. Neue Techniken und Möglichkeiten helfen uns bei der Umsetzung unserer Ideen.

Sie gehen mit Projekten wie der Cabin gerne auch unkonventionelle Wege – was macht den Reiz aus?

Unkomplizierte, technisch einfache und vor allem klare Bauformen sind immer eine gewisse Herausforderung. Eine kostengünstige und doch qualitative Lösung zu finden – das macht den Reiz aus.

Ein Wunsch für die Zukunft in Bezug auf unsere gebaute Umwelt?

 Zurück zum Einfachen, sich auf das Minimale reduzieren – auf das, was man wirklich zum Leben braucht. Mir liegt aber auch das generationenübergreifende Bauen am Herzen, dass wir unseren traditionellen Bestand sinnvoll nutzen und mit innovativen Ansätzen ergänzen können.

www.juergenhaller.at

 


Haus Rothenbach: Wie bei einem traditionellen Bregenzerwälderhaus ist auch hier das Gebäude in ein Vorderhaus mit Wohnteil und ein Hinterhaus mit Wirtschaftstrakt gegliedert. Im Hinterhaus wurden statt Stall und Heulager eine Arztpraxis und ein Therapieraum untergebracht.

 

 

Interview: Linda Pezzei
Projektfotos: Lichtbildner Albrecht Imanuel Schnabel

Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen