Beweglich, ohne die Identität zu verlieren

19. Januar 2023 Mehr

Gemeinsam mit Gregor Schuberth leitet Architektin Johanna Schuberth das Architekturbüro Schuberth und Schuberth ZT-KG. Mit ihrem Team widmet sie sich vorrangig dem Entwurf von Wohn- und Bürogebäuden. Des Weiteren spezialisierte sich die Planerin auf die Gastronomie und Ausstellungen. Projekte werden stets unter der Berücksichtigung des Stadtbildes realisiert, um in dessen Kontext Harmonie zu gewährleisten. Architektur und Innenarchitektur sind für die Expertin extrem verflochten. In diesem Interview spricht sie über ihre Wege zur Bauplanung und ihre Ansichten zur Disziplin.

 


© Michael Dürr

 

Wie sind Sie persönlich zur Architektur gekommen – was genau fasziniert Sie an der Disziplin?

Als Kind musste ich in der Schule ein Selbstporträt in meinem Traumberuf zeichnen. Ich stellte mich an einem Schreibtisch voller Plänen sitzend dar. Mein Pullover war übrigens Grün-Dunkelviolett gestreift. Es stand für mich nie außer Frage, dass ich einmal einen Beruf im Gestaltungsbereich machen werde, die Frage war nur, in welchem Maßstab.

Welches Projekt stellte Sie vor besondere Herausforderungen und wie haben Sie diese gemeistert?

Jedes Projekt hat immer irgendeine Herausforderung, da es sich bei Architektur ja fast immer auch um Prototypen handelt. Herausforderungen können sehr unterschiedlich sein, zu wenig Platz, zu wenig Möglichkeiten in Bezug auf die Bauvorschriften, zu wenig Budget… Aber wenn man es gewissenhaft durchsteht, dann führen alle diese Reibungspunkte schlussendlich zu einem unerwarteten und sonderbaren Ergebnis. Und das ist gut.

Welchen Stellenwert hat für Sie die Architektur im Rahmen der aktuellen Herausforderungen (der vermehrten Landflucht, dem Klimawandel etc.)?

 Die Architektur alleine wird diese Probleme nicht lösen können, da es hier um eine komplexe Verwebung von seit Langem gewachsenen Missständen geht. Aber wie es uns gewisse Baudekaden davor auch schon gezeigt haben, wird es vermehrt um eine Haltbarkeit und Langlebigkeit von Gebäuden durch Flexibilität und Anpassbarkeit gehen. Dass Gebäude und deren Nutzung nur mehr für einige Jahrzehnte, und nicht mehr Jahrhunderte, gedacht werden, halte ich für eine große Verfehlung.

 


© Christoph Panzer

 

Welche Wege wollen Sie in der Architektur in Zukunft einschlagen – gibt es Bereiche, die Sie besonders berücksichtigen werden/als wichtig empfinden?

Unser Büro hat sich in den letzten Jahren parallel zur „klassischen“, gebauten Architektur mit Themen wie Szenografie, Ausstellungsgestaltung, Gesamtwahrnehmung von Räumen und visueller Kommunikation beschäftigt. Diese Bereiche werden wir zukünftig noch stärker bearbeiten.

Wie sieht für Sie intelligente Stadtplanung aus – gibt es diesbezüglich ein Musterprojekt, das Sie als Vorbild ansehen?

Das Sonnwendviertel in Wien finde ich sehr gelungen. Stadtplanung lebt von Sichtachsen, Begrünung, Gebäudehöhen und dem Umgang mit Plätzen. Vielfalt in einem vorgegeben Maß sollte möglich sein, aber nicht zu gestalterisch auseinanderfallenden Gebäuden ohne Bezug zueinander führen.

Was verstehen Sie persönlich unter zukunftsfähiger Architektur?

In ihrer Funktion, Gestaltung und technischen Ausstattung anpassbare Gebäude. Und leistbare Architektur mit einfachen, analogen Lösungen.

 


© Christoph Panzer

 

Welche Aspekte müssen Architekten aktuell in der Bauplanung besonders berücksichtigen, um den Bedürfnissen und Anforderungen der heutigen Zeit gerecht zu werden?

Wenn es um die Anforderungen der heutigen Zeit geht: Baukosten und Zeitpläne.

Welche Anforderungen müssen Architekturprojekte, und mit Ihnen die Architektur allgemein, in der heutigen Zeit erfüllen?

Sie sollten  gut gemacht sein, gerade handwerklich, wie man das auch von anderen Handwerksberufen erwartet. Die Architektur war in der griechischen Welt eine technê, also ein Kunstfertigkeit oder Kompetenz, genauso wie die Webkunst oder die Pferdezucht und der Schiffsbau. Darin war auch die Tätigkeit des Künstlers umfasst genauso wie die des Schmiedes. Die Architektur ist damit gut beschrieben, finden wir, mit einem ganz speziellen, und gleichzeitig überlappenden Kompetenzbereich.

In welchen Bereichen haben Architektur und Raumplanung noch Aufholbedarf?

Wie bleiben wir in Veränderung und behalten doch den Kern an architektonischer Qualität und Eigensinn? Da passt die alte Flussmetapher gut, flüssig sein, beweglich, ohne die Identität zu verlieren. Aber das beschäftigt ja nicht nur die Architektur. Aufholbedarf klingt vielleicht auch ein wenig zu sportlich, und gerade dieses sportliche Übertreffen und Fortschreiten – als Fortschritt – sehen wir ja heute kritischer. Was sicher spannend wird in den nächsten Jahren: Wie wir die Kompetenzen der einzelnen Spezialisierung zusammenbringen – aus Digitalisierung, Technik, Kunst um damit auf die Herausforderungen der Zeit zu reagieren. Da werden neue Muster entstehen und auch neue Einteilungen, was die Professionen betrifft. Auch hier passt das Im-Fluss-Sein-Bild gut, neben dem Irritierenden hat es ja auch etwas Beruhigendes an sich.

 


© Christoph Panzer

 

Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen