Die Architektur mit Ideen aufladen
smartvoll ist das Team rund um Philipp Buxbaum und Christian Kircher, das an komplexen Aufgabenstellungen wächst und durch die damit verbundenen Herausforderungen aufblüht. Mit ihrer Arbeit spannen sie thematische Bögen zwischen Adaptive Reuse und Klimaresilienz in der Architektur. Der Entwurfsprozess ihrer Projekte ist gekoppelt an ein starkes Interesse an Forschung, die parallel dazu abläuft. Denn für smartvoll gilt es, die Architektur mit Ideen aufzuladen.
Welche Bedeutung hat Forschung für Ihre Arbeit?
Philipp Buxbaum (PB): Wir vertiefen uns bei unseren Projekten sehr in die Recherche. Unsere architektonischen Überlegungen sind gekoppelt an Gedanken zu Gesellschaft, Soziokulturellem und Umwelt. Diese Aspekte vermischen wir mit unserer Architektur zu etwas, das wir den Leuten mitgeben können. Das aus unserer internen Forschung gewonnene Wissen möchten wir transportabel machen. Wir wollen den Menschen mitteilen, dass Architektur ihr Leben täglich und auf eine sehr positive Weise beeinflussen kann. Aus diesem Grund finden wir auch, dass Architektur ein Bestandteil der Schulbildung sein soll.
Christian Kircher (CK): In die Vorentwurfs- und Entwurfsphase fließt bei unseren Projekten sehr viel Zeit und Energie hinein. Wir möchten sie so auf eine andere Ebene heben und einen Mehrwert finden. Dazu passt, dass wir uns mit Projekten wohl fühlen, bei denen es komplizierter wird und wir Herausforderungen haben.
Wie wählen Sie Wettbewerbe aus, bei denen Sie mitmachen?
CK: Überall dort, wo wir Potenzial sehen weiterzugehen, sind wir dabei. Auch mit Bauherrn, die etwas entwickeln wollen, arbeiten wir gerne zusammen. Beim Gemeindezentrum in Großweikersdorf beispielsweise hat uns der Bürgermeister eingeladen mitzumachen. Da war für uns klar: Wenn er auf der grünen Wiese außerhalb des Ortes bauen will, dann machen wir nicht mit. Eine freie Fläche zu versiegeln war dabei nicht das Hauptargument dagegen. Eher finden wir, dass ein Gemeindezentrum in der Ortsmitte zu seien hat. Glücklicherweise waren das auch die Vorstellungen der Gemeinde, auf denen wir dann aufgebaut haben.
PB: Dazu muss gesagt werden, dass es für uns viel mehr Ausschlussgründe als Einschlussgründe gibt. Wir stellen an jedes Projekt vier Anforderungen: Interesse, Mehrwert, Entwicklungspotenzial und Finanzielles. Vor allem geht es darum, ob die Aufgabenstellung für uns als Team interessant ist. Unser Anspruch liegt nicht darin, uns mit einer Sache zu quälen und diese einfach nur abzuarbeiten. Das Projekt muss ein Mehrwert sein, quasi ein Geschenk für die Umgebung, an die darin wohnenden Menschen oder ähnliches. Ebenso relevant ist der Bauherr und seine Herangehensweise an das Projekt. Wenn wir ihn nicht auf eine Reise mitnehmen können und er schon zu Beginn das Ende der Reise kennt, dann ist er der falsche für uns. Auch technische Aspekte sind wichtig und ob es finanziell okay ist. Wenn diese vier Punkte nicht erfüllt sind, machen wir das Projekt nicht.
Das Gemeindezentrum Großweikersdorf befindet sich in dessen Ortsmitte. Für Smartvoll war es notwendig, es dort zu platzieren und nicht etwa außerhalb der Ortschaft. Unter seinem Dach vereint es das Rathaus, das Vereinshaus und ein Ärztezentrum. © Dimitar Gamizov
Wie transportieren Sie den Mehrwert Ihrer Projekte?
PB: Es gibt einen großen Unterschied dazwischen, ein Projekt zu beschreiben oder zu erklären. Beim Erklären werden die Inhalte, die Überlegungen, die Geisteshaltung und Einflüsse transportiert, die zu dem Projekt geführt haben. So kann man jemanden viel stärker mitnehmen und klar machen, was die Ideen dahinter sind.
CK: Es muss Möglichkeiten zur Identifikation geben. Eine Verständnisebene muss geschaffen werden, die nicht nur ausdrückt, dass es ein superlässiges Projekt ist. Es muss weiters auch entmystifiziert werden, sodass klar wird, was der Mehrwert dahinter ist. Das funktioniert mittels Emotionen, die wir durch das Projekt vermitteln. Wenn wir während des Arbeitsprozesses merken, dass wir selbst nicht emotionalisiert sind, dann ist es auch schwer die Emotionen später rüberzubringen.
Wie hat sich das Berufsbild der ArchitektInnen verändert?
CK: ArchitektInnen sollten den Leuten erklären, wie und warum sie etwas machen. Das Aussehen der Architektur steht mit vielen Einflüssen im Zusammenhang, die weit weg sind von Ästhetik und Funktion. Es ist eine komplexe Querschnittsmaterie, in die viele Ströme hineinfließen. Wenn man das den Leuten einfach aufbereitet und sie am Prozess teilhaben lässt, dann ist das viel besser als den Vorhang zuzumachen und ihn am Schluss für das fertige Produkt wieder zu öffnen. Den Prozess zu verstehen und ihn erklären zu können, schafft einen ganz anderen Identifikationswert und eine bessere Verständnisebene, als jemandem einfach nur ein fertiges Haus vorzusetzen.
PB: Es geht darum Projekte zu erzeugen, die nicht nur Hochglanzbilder sind, sondern sie mit Ideen aufzuladen. Diese Ideen muss man dann auf entsprechenden Kanälen und mit verständlichen Darstellungsmethoden unter die Bevölkerung bringen und ihr vermitteln. So beginnen die Leute, etwas mit dir zu verbinden und dein Gewicht steigt. Auf diese Weise schafft man es auch, die Leute einfacher zu überzeugen.
Im Inneren des Gemeindezentrums Großweikersdorf zeigt sich ein Bild einer noch ungewöhnlichen Gestaltungsart eines Verwaltungsbaues: transparent und zugänglich. © Dimitar Gamizov
Welche Verantwortung tragen ArchitektInnen heute?
PB: Wir versuchen unseren Bauherrn verständlich zu machen, dass die Entwicklung einer Architektur ein langsamer, aber wichtiger Prozess ist. Deshalb soll nicht in die Ausführungsplanung das meiste Geld hineinfließen. Es sollen dort Stunden investiert werden, wo der größte Mehrwert generiert wird.
CK: Gebäude stehen heute etwa hundert Jahre. Der Sinn und Zweck der Nachhaltigkeit liegt darin zu schauen, wie lange das Gebäude steht und Qualität bieten kann. In diesem Sinne muss ein Gebäude als Möglichkeitsraum für die Community, für die Menschen und auch für alle anderen, die in der Nähe sind und damit zu tun haben, funktionieren. Auch ist die Bauwirtschaft noch im „Abreißen-und-Neubauen-Modus“. Als Architekten leisten wir auch da unseren Beitrag und sind meinungsbildend. Wir können sagen, dass etwas nicht abgerissen werden muss und stehen bleiben soll. Da ist gerade etwas in Bewegung, das den Architekten wieder mehr Gewicht verleiht.
Über welche Themen sollte mehr gesprochen werden?
CK: In der Architektur findet gerade ein riesiger Paradigmenwechsel statt. Es geht jetzt darum, etwas bei den globalen Herausforderungen unserer Zeit – vor allem das Klima und die Mobilität betreffend – zu bewirken und auch in der Architektur Antworten darauf zu finden. Einerseits muss man sich dazu selbst erst eine Meinung bilden, andererseits auch Research betreiben. Einen Architekturdiskurs und eine Architekturkritik gibt es in Österreich grundsätzlich keine mehr. Fertiggestellte Projekte werden überall nur abgelichtet, spannender wäre es aber über die Architektur an sich zu diskutieren. Zu einem Diskurs gehören jedenfalls Emotionen. Wenn die Gebäude an sich emotionslos sind, dann ist es auch der Diskurs darüber.
PB: Den Architekturdiskurs in Österreich auf inhaltlicher Ebene bekommen wir defacto nicht mit. Wenn nicht mehr diskutiert wird, scheint es keine Projekte mehr zu geben, die etwas auslösen. Einen Schritt weiter noch als emotionalisieren ist polarisieren. Domenig oder Prix haben zu ihrer Zeit Skandale mit ihren Projekten produziert und damit die Diskussion angeregt. Da kann man dazu stehen wie man will, aber es hat darüber zumindest einen Diskurs gegeben. Ein Diskurs muss mehr in die gesellschaftliche und soziokulturelle Mitte gedrängt werden. Der erste Schritt dazu ist Best-Practice-Beispiele zu produzieren. Mit guten Projekten, die einen gewissen inhaltlichen und thematischen Bezug haben, kann man die Leute begeistern.
Alt und Neu fügen sich beim Haus B in Klosterneuburg zusammen. Das Haus mit seinen vielen Mängeln war für die sechsköpfige Bauherrenfamilie zwar zu klein, sie wollten es aber trotzdem unbedingt behalten. Deshalb wurde es kurzerhand passend gemacht und mit den fehlenden Räumen erweitert. © Dimitar Gamizov
Wann merken Sie, dass Sie den richtigen Beruf gewählt haben?
CK: Für mich stehen die Emotionen im Vordergrund. Wirtschaftlich gibt es sicher lukrativere Berufe, aber Emotionen bekommt man nirgendwo anders so viele ab. Alleine schon die Ups und Downs während des Entwurfs sind spannend. Später auch, wie das Projekt beim Bauherrn ankommt und natürlich der Ablauf des Bauprozesses. Zuletzt wird das Projekt mit Leben gefüllt und man sieht, ob alles so wie geplant funktioniert. Wenn dann noch die Leute, die mit deinem Projekt zu tun haben, emotionalisiert sind, dann hat es sich gelohnt.
PB: Wenn wir merken, dass die Leute in unserem Projekt einfach glücklich sind, sich darin weiterentwickeln und darin etwas gefunden haben, dann geht das weit darüber hinaus einfach nur das Gebaute zu sehen. Denn dann wissen wir, dass es passt. Auch die Architektur als generalistische Disziplin mit ihrer riesigen Querschnittsmaterie, bei der man in viele unterschiedliche Bereiche hineinschnuppern kann, macht es aus. Es wird so nie langweilig. Das ist auch der Grund, wieso wir bis zum Schluss Spaß an unserem Beruf haben werden.
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen