Meine Wohnung ist auch deine Wohnung
Wohnraum wird vor allem in Ballungszentren zunehmend teurer und knapper. Innovative Wohnkonzepte versuchen daher leistbares Wohnen mit dem Trend zum „Sharen“ zu vereinen – angesichts des weitgehend zwingend ausgestalteten österreichischen Miet- und Wohnrechts häufig ein rechtliches Wagnis.
Die sogenannte Sharing-Economy boomt auch in der Wohnbranche. Buchung und Vermietung von privaten Zimmern, Wohnungen oder Häusern, Couchsurfing, Gemeinschaftsküchen oder -terrassen, Nachbarschaftsgärten, Co-Working-Spaces, Mietergemeinschaften – Teilen liegt im Trend. Aus rechtlicher Sicht sind viele dieser Konzepte jedoch keine klare Sache.
Insbesondere die kurzfristige Vermietung von Wohnungseigentumsobjekten zu touristischen Zwecken stand zuletzt im Fokus der juristischen Diskussion. So hat der Oberste Gerichtshof (OGH) aktuell entschieden, dass die Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjektes zu Fremdenverkehrszwecken eine Widmungsänderung darstellt, die gemäß § 16 Abs 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) entweder der Zustimmung aller Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft oder – falls diese nicht zu erhalten ist – der Genehmigung durch den Außerstreitrichter bedarf.
§ 16 WEG regelt die Nutzung und Änderung von Wohnungseigentumsobjekten. Danach kommt die Nutzung des Wohnungseigentumsobjekts dem Wohnungseigentümer zu und hat dieser grundsätzlich auch das Recht, sein Objekt zu vermieten, ohne dass die Vermietung der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedürfte. Gemäß § 16 Abs 2 WEG ist der Wohnungseigentümer grundsätzlich auch zur Vornahme von Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt.
Nach herrschender Meinung handelt es sich dabei um ein vertraglich nicht abdingbares Individualrecht des Wohnungseigentümers, das aus dem ausschließlichen Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers im Hinblick auf das Wohnungseigentumsobjekt resultiert. Eine solche vom Wohnungseigentümer vorgenommene Änderung darf jedoch weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer zur Folge haben.
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist der in § 16 Abs 2 WEG verwendete Begriff „Änderungen“ weit auszulegen und umfasst insbesondere auch die im Gesetz ausdrücklich genannten Widmungsänderungen. Dass die touristische Nutzung eines als Wohnung gewidmeten Wohnungseigentumsobjektes geeignet sei, schutzwürdige Interessen anderer Wohnungseigentümer zu beeinträchtigen, liegt nach Ansicht des OGH auf der Hand.
So sei damit zwangsläufig eine höhere Frequentierung des Wohnhauses durch ständig wechselnde, hausfremde Personen verbunden, die einem Hotelbetrieb sehr nahe kommt. Dies entspreche grundsätzlich nicht den Erwartungen der Erwerber einer Eigentumswohnung bei Vertragsabschluss und deren Interessen in einem ausschließlich zu Wohnzwecken gewidmeten Gebäude. Demnach könne schon die kurzfristige Überlassung eines einzigen (!) Wohnungseigentumsobjekts an Touristen eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen.
Liegt für eine solche genehmigungsbedürftige Widmungsänderung daher weder die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer noch eine Genehmigung durch den Außerstreitrichter vor, so können sich die anderen Wohnungseigentümer im Wege einer Unterlassungsklage dagegen zur Wehr setzen.
Man kann von dieser Meinung des OGH halten, was man will; im Interesse der Sharing-Economy kann diese Meinung des OGH jedenfalls nicht gelegen sein. Denn die rechtlichen Überlegungen des OGH zur Beeinträchtigung rechtlicher Interessen von Mitbewohnern infolge höherer Frequentierung eines Wohnhauses durch ständig wechselnde, hausfremde Personen, sind nicht nur auf die touristische Nutzung einer Wohnung, sondern auch auf andere Formen des kurzfristigen bzw. abwechselnden Überlassens von Wohnraum, eben dem „Sharen“ von Wohnraum, umlegbar.
Aber nicht nur das WEG, sondern insbesondere auch das österreichische Mietrecht schafft so manche Hürde für das „Sharen“ von Wohnraum. So könnte z. B. die Untervermietung einer Mietwohnung ohne Zustimmung des Vermieters allenfalls die Kündigung des Hauptmietvertrages durch den Vermieter rechtfertigen. Maßgeblich ist hiefür die vertragliche Regelung der Weitergabe des Mietobjektes, wobei sich in der Praxis in Mietverträgen häufig – wenn auch im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes unwirksame – Bestimmungen finden, wonach jegliche Weitergabe des Mietobjekts unzulässig sei bzw. der ausdrücklichen (schriftlichen) Zustimmung des Vermieters bedürfe.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang sowohl für Wohnungseigentümer als auch für Wohnungsmieter, dass eine rechtswirksame und damit durchsetzbare Befristung im Mietrecht, eine diesbezügliche Vereinbarung in schriftlicher Form voraussetzt. Fehlt es demnach bei der Beherbergung eines Gastes an einem schriftlichen (Unter-)Mietvertrag, besteht das Risiko, dass die mit dem (Unter-)Mieter mündlich vereinbarte Befristung nicht durchsetzbar ist und das (Unter-)Mietverhältnis als unbefristet gilt, das nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 30 MRG einseitig beendet werden kann.
Neben zivilrechtlichen Bestimmungen des Miet- oder Wohnungseigentumsrecht sind bei der Überlassung einer Wohnung an Touristen darüber hinaus auch gewerberechtliche und sonstige öffentlich-rechtliche Bestimmungen zu beachten. So ist die bloße Wohnraumvermietung von der österreichischen Gewerbeordnung zwar nicht erfasst und bedarf daher grundsätzlich keiner Gewerbeanmeldung oder Betriebsanlagengenehmigung, ein Anbieten von Zusatzleistungen, wie etwa das Bereitstellen von Bettwäsche, Endreinigung oder Frühstücksservice sind in diesem Zusammenhang jedoch – ohne dass die entsprechenden gewerberechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind – nicht zulässig.
Aufgrund der hohen und für juristische Laien kaum überschaubaren Regelungsdichte des Miet- und Wohnrechts in Österreich und der sehr kasuistischen Rechtsprechung ist es durchaus komplex, „Sharen“ von Wohnraum im Rahmen des rechtlich Zulässigen erfolgreich umzusetzen. Für die Praxis heißt das, dass vor der geplanten Umsetzung eines innovativen Wohnkonzepts eine genaue Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen vorausgehen sollte. Andernfalls kann sich der Trend zum „Sharen“ von Wohnraum zu einem erheblichen Risiko für den Unterkunftgeber entwickeln.
Text: Mag. Matthias Nödl, Rechtsanwalt
Kategorie: Bau & Recht, Kolumnen