Altes Palais – neu interpretiert
Casal Balaguer Cultural Centre / Spanien / Flores & Prats und die Duch-Pizá
Eines der Hauptreiseziele der Deutschen und auch der Österreicher im Sommer ist Mallorca. Dass hier jedoch außer Bettenburgen für Touristen und hippen Lokalen und Bars architektonisch einiges los ist, beweist das aus Barcelona stammende Studio Flores & Prats und die Duch-Pizá Architekten aus Palma. Ihr Projekt des Casal Balaguer Kulturzentrums transformiert ein ehemaliges mallorquinisches Familienpalais in ein öffentliches Kulturzentrum der Stadt Palma. Das neue Funktionsprogramm beinhaltet Räume für temporäre Ausstellungen, ein Museum auf der Hauptebene, einen Vortragssaal, Büros und ein Restaurant auf der Eingangsebene, das mit einem Hof verbunden ist. Das Ziel des Umbaus war es, die charakteristischen öffentlichen Funktionen mit den häuslich/wohnlichen Qualitäten des Originalgebäudes so zu verbinden, dass beide nebeneinander existieren können, ohne dass ein Bereich den anderen dominiert.
Das Casal Balaguer ist ein wichtiger Teil des städtischen Bewusstseins, der sozialen Erinnerung und der Geschichte Palmas. Der Ursprung des Palais stammt aus dem 13. Jahrhundert, weiter ausgebaut wurde es im 15. Jahrhundert und noch einmal im 18. Jahrhundert. Der barocke Ausbau verleiht der Architektur ihren heutigen Charakter. Mit der Inbesitznahme durch die Öffentlichkeit ging eine komplette Erneuerung des Palais einher: konstruktiv, strukturell, geometrisch und in den Funktionen. Der Wunsch, all die vorgefundenen Qualitäten zu erhalten ist ein Statement der Nachhaltigkeit, das auch die Anforderungen eines geschichtlichen kulturellen Erbes in die Neugestaltung mit einbezieht und der kulturellen Lebensqualität und der Dynamik einer Stadt entspricht. Das nunmehrige Kulturzentrum enthält in all seinen Wänden und Räumen die Spuren der Geschichte, welche die Gesellschaft Mallorcas in den verschiedenen Jahrhunderten durchlaufen hat. Diese Zeitspuren verdichten sich in den Wänden und den Raumgeometrien, die heute sichtbar sind, auch im Ausdruck der Innenräume und den intensiven Licht-Schattenwirkungen, die das private Leben der aristokratischen Besitzer über viele Jahre geprägt haben.
Die behutsame Intervention der Planer geht von innen nach außen, sie gibt den existierenden Bereichen neue Funktionen und reorganisiert den Bewegungsfluss durch den Palast. Erreicht wird das, indem die Architekten das natürliche Licht mit der vertikalen Zirkulation verbunden haben – so wurde die Orientierung im Haus leichter und für die Nutzer mehr intuitiv. Die Haupteingriffe für die künftige Nutzung fanden im Erdgeschoss und auf der obersten Ebene statt. Die mittleren Zonen behielten eher den Charakter der Privatheit eines Familienwohnsitzes.
Im Erdgeschoss wurde der halböffentliche Charakter des Hofes erhalten, der die Straße mit den Innenräumen verbindet. Vom Haupteingang gelangt der Besucher in einen überdeckten Hof, der an einen Freibereich angrenzt. Dieser ist mit den ehemaligen rückwärtigen Teilen des Baus verbunden, hier ist auch noch ein Originalfußboden erhalten. Das neue Restaurant erstreckt sich über drei Räume im hinteren Bereich des Kulturzentrums und ist von großen rechteckigen Öffnungen in den Zwischenwänden geprägt. Sie erlauben Durchblicke zwischen den verschiedenen Bereichen. Die Ausstellungsbereiche und das Restaurant gruppieren sich um den großen Hof und stellen so die allgemeine Benutzung der Ebene sicher.
Im obersten Geschoss ergab sich durch die Erneuerung des vermorschten Dachstuhles die Möglichkeit einer Bibliothek. Diese versorgt nun auch den Eingangsbereich mit natürlichem Licht durch neue Lichtschächte. Diese Lichtöffnungen ragen wie kleine weiße Kristalle aus den Dachflächen heraus, sind mit Zinkblech bedeckt und fügen sich harmonisch in die Dachfaltungen aus Mönch-Nonnenziegel ein. Das Holz der Dachkonstruktion ist im Inneren sichtbar und bildet einen wunderschönen Kontrast zu den weiß verputzten Wänden der Bibliothek und des Leseraumes, von dem aus man auch die Dachterrassen betreten kann. Die verschiedenen Lichtöffnungen sind mittels eines (in einem vorhandenen Hof) neu eingefügten Stiegenhauses samt Aufzug mit dem Erdgeschoss verbunden. Ein zweiter Stiegenaufgang führt auch auf die Terrasse hinauf, er geht an der Außenseite einer original erhaltenen Kuppel entlang – diese durchdringt die rechteckigen Flächen und bildet interessante Verschneidungen. Auch hier sind wieder sehr sensibel ausgeführte neue Fenster- und Lichtöffnungen, sowie Lichtführungen zu bemerken.
Diese vertikale Erschließungen bestehen aus Sichtbetonflächen, die wiederum in ihrer – an Kristalle erinnernden Struktur – mit der Dachlandschaft in Beziehung stehen. Auch eine Analogie zu den verschachtelten inneren Strukturen des Palastes wird erzielt. Die Auflösung der Waldflächen, die Weiterleitung des Lichtes von oben bis in die untersten Schichten des Hauses, die sparsame Verwendung von einigen wenigen Materialien zeugt von einer enormen Sensibilität und Kreativität der Architekten im Umgang mit alter Substanz. Die vertikalen Lichtführungen sind in Zwischenräumen des Hauses, welche durch die verschiedenen, historischen Bauabschnitte entstanden, positioniert und mit ihrer rauen zeitgemäßen Ästhetik bilden Sie einen herrlichen Kontrast zu den historischen Räumen, die eher unbehandelt geblieben sind.
Casal Balaguer Cultural Centre
Palma de Mallorca, Spanien
Bauherr: Palma City Council
Planung: Flores & Prats Archs, Barcelona und Duch-Pizà Archs, Mallorca
Mitarbeiter: Ricardo Flores, Eva Prats, Francisco Pizà, Ma. José Duch
Statik: Fernando Purroy
Grundstücksfläche: 2.500 m2
Bebaute Fläche: 2.300 m2
Nutzfläche: 2.300 m2
Planungsbeginn: 1996
Bauzeit: 2009 – 2015
Fertigstellung: im Bau
Baukosten: 2.056.287 €
Text: Peter Reischer
Fotos: ©Adria Goula
Kategorie: Projekte