Lernen und Wissen in einer Kirche – De Petrus
Library, Museum, Community Centre „De Petrus“ / Vught / Büro Kade
Bibliotheken sind Orte des Lernens und als solche werden sie auch im postdigitalen Zeitalter noch gefragt sein. Ihr gesellschaftlicher Wert ist und bleibt unbestritten. Das beweisen auch immer neue, durchaus manchmal auch provozierende Beispiele in der Architektur.
Eine säkularisierte Kirche in Holland wurde vom Büro Kade in eine Bibliothek, ein Museum und Gemeinschaftszentrum transformiert. Durch ein sensibles Konzept der Architekten bleibt, trotz weltlicher Nutzung, ein gewisser transzendenter Eindruck erhalten und es wird der großartige Raumeindruck nicht zerstört.
Die Geschichte
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchs das Selbstbewusstsein der Katholiken in den Niederlanden stark an. Die Zeit der kleinen Scheunenkirchen war mit diesem Erstarken endgültig vorbei. Um 1880 war der Bau der großen Kirche „De Petrus“ in einer kleinen Landstadt wie Vught das Resultat von zwei Jahrhunderten der Unterdrückung und dem Wunsch der Katholiken, einen Schritt nach vorne zu tun. Sie wurde um 1884 vom deutschen Architekten Carl Weber in einem neoromanischen Stil entworfen. Es war ein Schlüsselwerk dieses Architekten – ein kreuzförmiger Grundriss mit Mittel- und Querschiff. Die Malereien in ihrem Inneren stammten von dem lokalen Künstler Charles Grips. In den 60er Jahren begann der Zug der Säkularisierung in Holland und um 2000 wurde die Kirche bereits nicht mehr genutzt. 2001 erhielt sie den Status eines Kulturdenkmals, hauptsächlich aufgrund ihrer prominenten Lage im Zentrum der Stadt. 2005 musste man die Kirche wegen ihres schlechten Bauzustandes komplett schließen. Man versuchte eine neue Nutzung für die Architektur zu finden und die Bedingungen der Diözese waren, dass diese Funktion nur eine soziale oder/und kulturelle sein durfte. So wurden schließlich die Bibliothek, das Museum und verschiedene Gemeinschaftseinrichtungen in den Räumen untergebracht.
Die Transformation
2010 begann man mit der Renovierung und der Umgestaltung mit dem Ziel, einen Ort des Lernens, der Arbeit, Inspiration und der Konzentration zu schaffen. Auch einen Ort der Stille, der Diskussion, Reflexion und des Wissens. Die Transparenz des Raumes bei einer gleichzeitigen Verbindung und/oder Integration der verschiedenen Nutzer war ein wichtiger Ausgangspunkt. Die Architekten benutzten deshalb ein Konzept des „shared space“ statt des „built space“ um die Kirche so offen wie möglich zu halten. Alle Nutzer teilen sich dieselbe, visuelle Identität und das resultiert in einem allgemeinen Zugang, einer Vision und Philosophie, in der die Architektur das verbindende Element darstellt.
Die neu eingezogene Zwischenebene schafft Überblick, verbindet und ist für den Innenraum prägend.
Nach einer sehr intensiven Renovierung wurde die Kirche zu einem lebendigen Gemeinschaftszentrum, das sowohl die Bibliothek, Museum wie auch eine Bar und Geschäfte enthält. Bei der Renovierung konzentrierte man sich auf den Erhalt des ursprünglichen Layouts der Kirche und erzielte so einen weit offenen Innenraum mit einer atemberaubenden Bibliothek, deren Regale auf Schienen laufen und verschiebbar sind. Menschen werden schon allein durch diese Möglichkeiten dazu ermuntert, hereinzukommen.
Alle Funktionen vereinen sich in diesem, für die Öffentlichkeit zugänglichen Raum. Das aufregendste Element ist die neue Zwischenebene. Durch dieses raumbestimmende Element erhält der Bau seine neue Identität und erfüllt auch alle notwendigen neuen Funktionen. Auf ihren 500 Quadratmetern befinden sich die Studierbereiche und Veranstaltungsräume. Auch die Technikräume für Akustik, Beleuchtung, Heizung und diverse Nebenräume konnten hier untergebracht werden. Diese Mezzaninebene erstreckt sich hauptsächlich in den Seitenschiffen, sodass der Hauptraum der Kirche in seiner ganzen Pracht unberührt bleibt und seine spektakulären Ausblicke gewähren kann.
Die Bücherregale sind auf einem Schienensystem angeordnet und können in den Achsen der Kirche verschoben werden. So lässt sich der Raum auch für Veranstaltungen, die mehrmals im Jahr stattfinden, flexibel nutzen. Die geschwungene Mezzaninebene dehnt sich auch durch die Kirchenwände in den Außenraum aus, hier bildet sie die Dachflächen von vier – an die Kirchenmauern angebauten – Pavillons. Das Restaurant befindet sich im Gartenpavillon an der Südseite der Kirche.
Library, Museum, Community Centre „De Petrus“
Vught, Niederlande
Bauherr: DePetrus B.V.
Planung: Büro Kade
Statik: H.J.G. Spierings
Grundstücksfläche: 3.000 m2
Planungsbeginn: 2010
Bauzeit: 1 Jahr
Fertigstellung: 04/2018
Baukosten: 1,7 Mio. Euro
Fotos:©Stijn Poelstra
Kategorie: Projekte