Museum Jeongok – X-TU Architects

26. Oktober 2011 Mehr

Museum Jeongok

Von alpinen Latschen und Rhododendren oberhalb der Baumgrenze im Nordgebirge bis zum subtropischen Bambus, Lorbeer und Kamelien an der warmen Südküste, ist in Südkorea alles zu finden. Die Kultur des Landes blickt auf eine über dreitausendjährige Geschichte zurück. Sie hat Einflüsse aus dem gesamten asiatischen Raum, insbesondere aus China aufgenommen, dabei aber einen ganz eigenständigen Charakter entwickeln können. Aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwunges des Landes in den letzten Jahren ist keineswegs erstaunlich, dass hier ein futuristisch anmutendes Museum für prähistorische Kultur gebaut wurde. Die aus Paris stammenden Architekten X-TU errichteten in der Provinz Gyeonggi eine Architektur, die modern ist und trotzdem Emotionen in den Besuchern auslöst.

Museum Jeongok

Das Museum als Eingang in die Vergangenheit

Von der Autobahn aus gesehen erscheint das Museum – das in der Nähe der Stadt Jeongok liegt – wie ein merkwürdiges, fast immateriell wirkendes Volumen, sanft und schimmernd, ausgestreckt zwischen den zwei Klippen. Wie ein großes, glänzendes Metallrohr liegt es am Flussufer, ausgestreckt überspannt es eine Erdspalte zwischen zwei kleinen Hügeln.
Die Umgebung des Bauwerkes der X-TU-Architekten wurde von sämtlichem architektonischen Wildwuchs gesäubert und die Ursprünglichkeit der Landschaft wieder hergestellt. Durch neue Baumpflanzungen soll das einfache Ökosystem wieder zum Leben erweckt werden. Die Parkplätze sind unter den Bäumen an der Ostseite des Grundstückes versteckt. Der Weg vom Parkplatz entlang des Grabens bringt den Besucher in die richtige Stimmung: Wie ein Ureinwohner bewegt er sich den Mäandern des Tales entlang, inmitten der Natur. Der Graben vertieft sich mit dem Gefühl der Ungewissheit, was noch kommen wird: Das Museum erscheint, halb versteckt, im Abhang.

Museum Jeongok

Die eigentlichen Museumsräume liegen in den beiden ausgehöhlten Hügeln unterirdisch verborgen. Diese Lösung ist auch aus dem Respekt der Architekten vor der Landschaft und der tausende Jahre alten Geschichte zu verstehen: „Wir wollten diese Flusslandschaft würdigen, eine Landschaft, die schon die Geburt der ersten Einwohner Koreas erlebte, und bewusst auf die zwei Hügel, die die Mäander des Flusses begleiten, eingehen.“

Museum Jeongok

Für die am Museum Ankommenden wird auf der stählernen, spiegelnden Untersicht die Reflexion des Abgrundes sichtbar. Diese Schlucht als natürliche Grenze, und die Emotionen, die sie hervorruft, werden benutzt, um eine symbolische Schwelle zur „prähistorischen Zeit“ zu realisieren. Der Besucher erreicht über eine Brücke eine Stiege, den einzigen Eingang zum Museum und zum Park. Am oberen Ende der Stiege angekommen, ermöglicht eine zentrale Halle den Zugang zur Rezeption, zum Museum, Cafeteria, Leseraum, zum Multimedia Labor und den pädagogischen Aktivitäten. Der Besucher bewegt sich in einem Rundgang durch die themenbezogenen Teile des Projektes, die Wechselausstellungen und den Leseraum. Zurück in der Eingangshalle kann er nochmals wieder ins Museum zurück oder in den Shop gehen.

Museum Jeongok

Die pädagogischen und multimedialen Aktivitäten können auch vom Außenraum wahrgenommen werden – die Räume sind offen und ermutigen so zur Teilnahme. Die Räume und Hallen sind wie Landschaften gestaltet. Denn die Ureinwohner lebten auch nicht in Räumen, sondern in der offenen Landschaft. Das Leben in der Nähe des Flusses bewegte sich fließend entlang den Windungen desselben durch die Natur. Die menschlichen Gehbewegungen ergaben Pfade und die gaben der Landschaft eine Struktur.
Das Innere des Museums ist genauso aufgebaut – wie eine Landschaft. Die Wege von Thema zu Thema, von Station zu Station variieren mit dem Strom der Besucher, sind frei und erlauben auch die mehrmalige Rückkehr. Von der Eingangshalle gelangt man über einen Rundweg durch den Park wieder zurück ins Museum.

Museum Jeongok

Die metallene „Hülle“, die Wände mit ihren unterschiedlichen Stärken, beinhalten alle für den Betrieb notwendigen Infrastrukturen: Wasser, Kühlung und Wärme, Ventilation, Elektrik, audiovisuelle Möglichkeiten und Beleuchtung. Ebenso Schaukästen für das Museum, Lager, Gastronomie, Waschräume und die Technik.
Die Wände gehen nahtlos vom Fußboden in die Decke über, dadurch ist das gesamte Netzwerk überall, wo es im Gebäude gebraucht wird, zur Verfügung. Die Hülle filtert das Licht wie ein Netz. Die doppelschaligen Wände enthalten in ihrer Metallkonstruktion die Glasflächen und den Sonnenschutz und machen so eine perfekte Kontrolle der thermischen Bedingungen im Winter wie im Sommer möglich. Der Lichteinfall lässt sich entsprechend der jeweiligen szenografisch benötigten Effekte steuern. Auf der Ebene der Cafeteria und der Zentralhalle öffnen sich Panoramafenster in die Landschaft.

Museum Jeongok

Respekt vor der Natur und der Zeit

Die sensible Haltung der Architekten war der Grund, die visuelle Präsenz des Projektes zu mildern, zu verstecken, was nicht unbedingt sein muss. Die Lagerräume und ein Teil des Gebäudes wurden unter dem Erdniveau angeordnet. Das eigentliche Gebäude sollte sich als Verbindung über die beiden Klippen spannen und die Erde, durch die Sichtbarmachung und die Betonung der Schlucht, ihre eigene Geschichte selbst erzählen können.
In der Gestaltung des Parks schufen die Architekten viele Wege, die sich entlang der Kurven des Gebäudes zum Fluss hinunterschlängeln. So wie die Pfade der Tiere, die sich ihren Weg zur Wasserstelle suchten.

Museum Jeongok

Der Bau fungiert wie eine immaterielle Zeitkapsel, wie eine Zeitmaschine, die eine Reise in eine Zeit, die von der unseren total verschieden ist, erlaubt. Die Besucher erleben ein Experiment, sie treffen „primitive“ Menschen und werden in eine Welt eingeführt, die der Landschaft näher als der Architektur ist: Die Menschen des Paläolithikums (Altsteinzeit) lebten eben nicht in standardisierten gebauten Räumen. Sie bewegten sich in der Landschaft und kannten jeden Grashalm ihrer Umgebung.
Dieses physische und intellektuelle Experiment hat seine eigenen Bedingungen und bricht auch mit den überkommenen musealen Konzeptionen unserer Museumsvorstellungen. So sind viele Räume mit Lehmböden ausgestattet, um die Wahrnehmungen einer archäologischen Stelle fühlbar zu machen. Wände bestehen aus Lehm, um Höhlenzeichnungen und Malereien (Workshops) aufzunehmen. Das Ganze ist wie eine große Ausgrabungsstätte, deren wahres Ausmaß sich dem Besucher erst nach Beendigung seines Aufenthaltes erschließt.

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Kategorie: Projekte