Architektur muss immer Auseinandersetzung sein
Architektin Marion Gruber von PLOV
Marion Gruber und Christoph Leitner sind PLOV. Der Begriff „Plov“ kommt aus Tashkent. Es ist ein Potpourri aus Gewürzen und Zutaten. Es ist jedes Mal anders und immer köstlich. So sehen die beiden ihre Arbeit. Foto:©Andreas Buchberger
Architektin Marion Gruber von PLOV hat ganz eigene Ansichten über Architektur. Transkript einer Videokonferenz im Sommer 2018.
Was wünschen Sie sich persönlich von Architektur?
Marion Gruber: Meistens lautet so eine Frage, was sich die anderen von Architektur wünschen. Ich sage, Architektur sollte viel mehr Einfluss auf die Gesellschaft, auf die Menschen haben.
Was ist Architektur?
Architektur ist (soll sein) überall erlebbar, sei es in der Stadt, in den Gebäuden. Da habe ich jedoch das Gefühl, dass viele Menschen das so nicht wahrnehmen. Sie wissen auch nicht, dass das alles Architektur ist.
Ist also der Ausspruch von Hollein „Alles ist Architektur“ richtig?
Ja, eigentlich schon! Die gebaute Umwelt hat Einfluss auf uns, auf unsere Psyche, unser Dasein, unsere Gesundheit. Räume sind wichtig, nicht nur Stadträume, sondern auch Innenräume.
Was ist notwendig, damit Architektur zu guter Architektur wird?
Wenn sie bewegt und man drüber diskutiert. Wenn sich durch sie auch die Grundlagen für zukünftige Projekte ändern.
Hat also gute Architektur eine Vorbildwirkung?
Ja, schon!
Kirgisien, Architektur kann auch einsam sein. Foto:©Marion Gruber
Architektur soll also kritisch im Sinn von anregend und durchaus auch provokativ sein?
Unbedingt, das ist sogar ganz wichtig. Als ArchitektIn muss man hin und wieder aufregen, weil man Dinge neu interpretieren möchte und das dann ausprobiert. Das ist ja auch ein Aufzeigen, dass es nicht immer um das Althergebrachte geht, sondern dass neue Strategien notwendig sind. Dadurch entsteht ja auch Interesse an diesen wichtigen Themen.
Kann Architektur ohne Kontext existieren?
Nein, für mich nicht. Der Kontext ist extrem einflussgebend. Damit sind aber nicht nur das Grundstück und die Nachbargebäude gemeint, sondern auch die NutzerInnen, und auch die aktuelle (Bildungs-) politische Situation im Land.
Gibt es einen Widerspruch zwischen Effizienz und Nachhaltigkeit?
Widerspruch ist keiner drinnen, glaube ich. Der Begriff Nachhaltigkeit kann (oder sollte) jedoch viel umfassender, als er in den Medien betrachtet wird, gesehen werden. Es geht nicht nur um Technik und Gebäudeausstattung, der Prozess fängt ja schon viel früher an, lange bevor wir ArchitektInnen das Projekt zu Gesicht bekommen.
Indien, Architektur ist oft beengt. Foto:©Marion Gruber
Haben Sie als Frau spezielle Erwartungen an Architektur?
In der Architekturtheorie gibt es die sogenannte weibliche Architektur, gendergerechte Planung etc. Ich persönlich habe mich damit eher noch nicht auseinandergesetzt und keine besonderen Erwartungen.
Zieht der Mensch aus der Geschichte und der Architekt aus der Architekturgeschichte Lehren?
Ich glaube, wir passen uns eher der Geschichte an. Dinge, wie der Klimawandel waren vor 50 Jahren noch kein Thema, es ändert sich eben alles. Das Leben im Heute schafft andere Rahmenbedingungen und Herausforderungen als in der Geschichte.
Anpassen ist ein gutes Stichwort: Eine Spezies, die sich nicht an die Umwelt anpasst – stirbt aus. Wir und auch unsere Architektur werden uns anpassen müssen.
Das klingt plausibel. Die Ressourcen unserer Welt sind heuer bereits zu Ende gegangen. Wir werden uns, schneller als wir glauben, anpassen müssen und viel radikaler. Ich persönlich glaube nicht an das Eigenheim am Land. Es sollte mehr um Verdichtung und auch um Reduktion gehen.
Was wäre, wenn die Architekten, wohl wissend, dass das Eigenheim am Land eigentlich ein Auslaufmodell ist, sich weigern neue Einfamilienhäuser zu planen und zu realisieren?
Das wäre sicher super provokativ!
Was ist Architektur nicht?
Selbstverwirklichung oder Behübschung! Architektur muss immer Auseinandersetzung sein!
Paris, Architektur ist auch provokant
Text:©Peter Reischer
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen