Amol eppas ondorsch

14. Juni 2011 Mehr

Amol eppas ondorsch

Amol eppas ondorsch (einmal etwas anderes) ist die Antwort, mit der in Südtirol häufig der Frage ausgewichen wird, wie denn etwas Neues gefalle. Andererseits steht es auch für die Haltung des Architekten Walter Angonese und des Künstlers Manfred Alois Mayr aus Südtirol, die gemeinsam eine Ausstellung im Innsbrucker aut. architektur und tirol gestaltet haben.

Um Beliebigkeit und Zufälligkeit beim Entwerfen zu vermeiden, kommt man laut Walter Angonese um zwei Dinge nicht herum, die Methodik und die Erfahrung beziehungsweise die Geschichte. Diese gibt Auskunft über die Herkunft der eigenen Assoziationen und kann daher als „Legitimation“ für die eigenen Arbeitsansätze herangezogen werden. Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch das kollektive Gedächtnis sowie das Denken in Typologien. Immer schon waren Konventionen eine Voraussetzung, um Neues entstehen zu lassen. Gemeinsam mit Manfred Alois Mayr ist Walter Angonese die Suche nach einer inhaltlichen wie auch gestalterischen Selbstverständlichkeit, die auf dem Bekenntnis zum provinziellen Kontext und individueller Geschichte basiert. 2001 arbeiteten der Künstler und der Architekt erstmals gemeinsam an einem Projekt, dem Weingut Manincor, wo Mayr sich mit den Mitteln von Farbe und Material subtil in die von Walter Angonese entwickelte räumliche Struktur einschrieb. Dies war der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die zu Projekten führen sollte, in denen nicht mehr nachvollziehbar ist, wo Architektur anfängt und Kunst aufhört.

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Mayrs Arbeit beschäftigt sich mit dem „Erfassen“ und „Begreifen“ von Materialien, Bildern, Formen und Topoi in kulturellen Räumen. So erkannte er, dass nicht nur Landschaft oder Räume „Heimatgefühl“ vermitteln können, sondern auch Farbe. Welche Bedeutung eine Farbe hat, ist allerdings nicht ortsübergreifend gleich, sondern kulturell bedingt. Sehweisen sind sozial geprägt – sozusagen im kollektiven Gedächtnis verankert. Das erklärt, warum Rotsehen in Venedig etwas anderes bedeutet als in Moskau und ins Blaue hinein denken in Griechenland nicht dasselbe wie in Tirol. Königsblau ist die Farbe der Arbeitskleidung des Südtiroler Bauern, der seine göttlich blaue Schürze selbst beim Kirchgang am Sonntag selbstbewusst unter dem Jackett hervorblitzen lässt. So konnte den Mitarbeitern der Vinschgauer Obstproduzenten die ihnen etwas zu moderne Architektur des neuen Verwaltungsgebäudes durch eine „schurzblaue“ Fassade nähergebracht werden, erklärt Manfred Alois Mayr. Dieser versteht seine gesamte künstlerische Arbeit, in der Alltagsgeschichten eine zentrale Rolle spielen, als ein permanentes Übersetzen. Wenn er billigen Baustahl vergoldet und als Handlauf zu einem skulpturalen Gebrauchsgegenstand verwandelt, oder den Schaft eines Beiles glanzlackiert und für eine Haustür als Griff umfunktioniert, erzeugt er damit einen Widerspruch zur geltenden Meinung über die (kulturell bedingte) „Natur der Sache“. Dadurch verändert sich die Wahrnehmung, und es öffnet sich ein Katalog anderer Ähnlichkeiten und Referenzen. Auch Walter Angonese begeistert das Alltägliche auf seiner Suche nach „edler Einfalt“. In der anonymen Architektur und im Umgang mit Sachzwängen erkundet er die Logik des Alltags. Es geht ihm um das Verstehen der Entstehung von Phänomenen und die Wahrnehmung dieser. Eine Wahrnehmung, die geprägt ist von Erlebtem und der eigenen Vergangenheit. Alltagskultur ist laut ihm geprägt von einem „edlen Pragmatismus“. Unter „Bauen mit Hausverstand“ versteht Walter Angonese „eine Mischung aus Pragmatismus, Programmatik und kultureller Reflexion.“

Die Ausstellung „amol eppas ondorsch“, die am 14. April eröffnet wurde und noch bis 18. Juni im Innsbrucker aut zu sehen ist, macht die spezielle Art der Zusammenarbeit zwischen ANGO und MAYMA – so die Künstlernamen der beiden – sichtbar. Gemäß dem Motto „Weiterbauen“ sahen sie die Räume des aut als Grundlage für ihre gemeinsamen Interaktionen an, anhand derer sie Bedeutungen und Gewohnheiten verdrehten und Räume sowie Wegführungen umpolten. Auf sichtbare und benutzbare Art und Weise vermitteln sie dadurch ihre Haltung im Maßstab 1:1. Verwirklicht wurde auch einer jener Orte, wo die Projekte der beiden in der Regel entstehen, eine Bar mit Budl. Als wichtiger Bestandteil der Ausstellung fanden an drei Abenden sogenannte „Budl“-Gespräche statt. Dazu wurde zum einen der Architekt Alberto Pontis eingeladen, der sich vor allem mit Typologie und Landschaft auseinandersetzt, und zum anderen der Architekt Herman Czech, der einen Vortrag über die Selbstverständlichkeit hielt. Den Anfang machte eine Lesung von Johannes Nikolussi, der zwei von Manfred Alois Mayr ausgewählte Texte vorlas.

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Kategorie: Architekturszene