SiGe-Software: Sicher ist sicher…
SiGe-Software verspricht eine Rationalisierung von Leistungen rund um die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination. Warum spezielle Lösungen für „Schutzengel“ besser sind als Office-Software und worauf man bei der Auswahl achten sollte. Jahr für Jahr verunglücken auf Baustellen Beschäftigte, wobei das Baugewerbe die Statistiken regelmäßig anführt. Immer komplexere Projekte, täglich neue, durch den Baufortschritt bedingte Gegebenheiten, die parallele Abarbeitung mehrerer Gewerke, Witterungseinflüsse, Gefahrenstoffe und nicht zuletzt der zunehmende Termin- und Kostendruck auf Baustellen tragen dazu bei.
Untersuchungen zufolge sind viele Unfälle vermeidbar – gehen doch zwei Drittel davon auf Fehler im Vorfeld der Bauausführung, mangelnde Organisation und Abstimmung zurück. Um den Gesundheitsschutz und die Sicherheit der am Bau Beschäftigten zu verbessern, trat 1999 das auf der EU-Baustellenrichtlinie (92/75 EWG) basierende Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) in Kraft. Es hat zum Ziel, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz (SiGe) von Bauarbeitern zu verbessern und damit die Unfallzahlen, Ausfallzeiten sowie die dadurch bedingten Folgekosten zu senken. Allzu häufig wird die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination, kurz SiGeKo, jedoch als lästige Pflicht empfunden, in die man möglicht wenig Zeit und Geld investiert. Die mit der SiGe-Koordination beauftragte Planer geraten daher in eine Zwickmühle: Einerseits kann die SiGe-Planung über Leben und Gesundheit auf der Baustelle entscheiden, andererseits unterliegt auch sie wirtschaftlichen Zwängen. Spezielle Werkzeuge versprechen Abhilfe. Sie nehmen dem SiGe-Koordinator Arbeit ab und sorgen für ein besseres Aufwand-Nutzen-Verhältnis.
Office- oder SiGe-Software?
Aufgrund der Verbreitung von Microsoft Office oder Open Office sind bei SiGe-Koordinatoren noch vielfach Tabellenkalkulations- und Textverarbeitungsprogramme im Einsatz. Das ist kostengünstig, weil auf dem Büro-PC meist ohnehin vorhanden und flexibel, weil individuell programmierbar. Mithilfe von Formeln und Makros lassen sich auf die jeweilige Baustelle zugeschnittene Dokumente und Berichte erstellen. Dazu sind allerdings zumindest rudimentäre Programmierkenntnisse erforderlich. Außerdem fehlen wichtige Funktionen, Daten und Automatismen, über die spezielle SiGe-Programme verfügen. Software-Updates gewährleisten zudem eine Normen-, Vorschriften- und Gesetzes-Konformität, sodass man stets up to date ist. Der Leistungsumfang der SiGe-Programme ist ähnlich, denn Hersteller müssen sich insbesondere an den Vorgaben des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG) orientieren. Zu den wichtigsten Funktionen von SiGe-Software gehört die Erstellung der Vorankündigung einer Baumaßnahme, eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans sowie der Unterlagen für spätere Arbeiten an einer baulichen Anlage. Über eine zentrale Objektverwaltung hat der SiGe-Planer alle Projekte, Bauherren, SiGe-Pläne, Begehungsberichte und -protokolle, Bilder und weitere Dokumente im Blick. Hier wird mithilfe von Vorlagen auch die Baustellenvorankündigung erstellt und für den Bauherrn, die Baustelle und Behörde ausgedruckt. Auch die Erstellung von SiGe-Plänen, dem zentralen Medium für die SiGe-Koordination, wird durch spezielle Funktionen und Automatismen rationalisiert. Darüber hinaus hilft Software bei der SiGe-Koordination, Berichterstellung, Korrespondenz und Ausschreibung ebenso wie bei der Generierung von Unterlagen für spätere Arbeiten an einer baulichen Anlage. Damit wird eine wirtschaftlich und sicherheitstechnisch optimierte Wartung und Instandhaltung von Immobilien unterstützt.
Digitale SiGe-Planung und Koordination
Sicherheits- und Gesundheitsschutzpläne sind das wichtigste Instrument zur Umsetzung der Baustellenverordnung (siehe Info-Kasten). Der Planer leitet daraus alle sicherheitsrelevanten Informationen für die Ausschreibung ab, der Unternehmer die zu kalkulierenden und zu realisierenden Arbeitsschutzmaßnahmen und �einrichtungen. Projektbeteiligte entnehmen daraus das räumliche und zeitliche Zusammenspiel aller Gewerke und Maßnahmen. Deshalb muss der SiGe-Plan entsprechend dem Baufortschritt kontinuierlich aktualisiert werden. Er muss unter anderem eine Auflistung aller Arbeiten mit ihrem räumlichen und zeitlichen Ablauf, durch die Zusammenarbeit mehrerer Arbeitgeber bedingte Gefährdungen, alle Schutz- und Koordinierungsmaßnahmen sowie alle gemeinsam genutzten Schutzeinrichtungen enthalten. Generiert wird der SiGe-Plan in der Regel auf der Basis eines bereits bestehenden SiGe- oder Bauzeitenplans, der um auf der Baustelle möglicherweise auftretende Gefährdungen, Maßnahmen und Lösungen ergänzt wird. Dabei kann der Anwender auf einen individuell erweiterbaren Gefährdungskatalog zugreifen, der alle Gewerke sowie die dazugehörigen Gefährdungen, Lösungen, Regelwerke und Bestimmungen enthält.
Sobald die Zeiten für die einzelnen Vorgänge eingetragen sind, kann mit der Koordinierung der Baumaßnahmen und der notwendigen Sicherheitseinrichtungen begonnen werden, was teilweise durch einen Programm-„Assistenten“ unterstützt wird. Gegenseitige Gefährdungen, die durch das parallele Arbeiten mehrerer Unternehmen/Gewerke entstehen, werden entweder durch Änderung des Bauablaufes oder durch geeignete Sicherheitsmaßnahmen beseitigt oder minimiert. Verursacher und Betroffene notwendiger Koordinationsmaßnahmen werden ebenso automatisch angezeigt, wie gemeinschaftlich genutzte Sicherheitseinrichtungen. Deren Dauer und Vorhaltezeit werden unter Berücksichtigung einer möglichst rentablen Nutzung errechnet und bei Terminverschiebungen automatisch aktualisiert. Warn-, Hinweis- und Verbotssymbole können auf dem SiGe-Plan und in allen Dokumenten platziert werden. Ausgegeben wird der SiGe-Plan wahlweise als DIN A4 bis A0 großer Balkenterminplan, in Matrix- oder Listenform. Darüber hinaus bieten SiGe-Programme Zusatzfunktionen wie etwa die Generierung von Checklisten und Berichten zur Vor- und Nachbereitung von Baustellenbegehungen oder zur Generierung einer Baustellenordnung. Auch Alarm- und Notfallpläne oder die Baustellenordnung lassen sich separat drucken oder in den SiGe-Plan integrieren. Bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen unterstützt SiGe-Software den Planer ebenso. Dabei werden sicherheitstechnische Maßnahmen und Einrichtungen, wie Absturzsicherungen, Beleuchtung, Hinweisschilder, Bauaufgänge oder Bauzäune, gesondert als Leistungsposition beschrieben.
Worauf sollte man achten?
Aus der Vielzahl an Auswahlkriterien für SiGe-Software lassen sich einige wichtige Punkte hervorheben, die man über die oben genannten Leistungsumfänge hinaus berücksichtigen sollte. Grundsätzlich sollte die Software alle SiGe-Leistungsbereiche unterstützen, für alle aus Sicht des Anwenders infrage kommenden Bauvorhaben und Baustellengrößen geeignet und rechtskonform sein. Sofern es sich bei der Software um ein Modul oder einen Aufsatz handelt, sollte man sich auch die Basis-Software genauer anschauen (Funktionsumfang, Kosten, Modulintegration etc.). Wichtig ist auch, ob die Software die zahlreichen Dokumentationsaufgaben des SiGe-Koordinators während der Ausführungsphase (z. B. durch Muster-Korrespondenzen, Überwachungsberichte etc.) unterstützt. Die Gefährdungs- bzw. Lösungsdatenbank sollte übersichtlich aufgebaut sein und regelmäßig aktualisiert werden. Achten sollte man darauf, welche Daten (Gefahrenkataloge, Gesetze, Ausschreibungstexte etc.) zum Lieferumfang gehören und welche zusätzlich erworben werden müssen. Eine Schnittstelle zu Bauzeitenplanungs-Software, eine SiGe-Plan-Ausgabe als Grafik und PDF-Datei für Aushänge, Ausdrucke oder den E-Mail-Versand sowie eine Excel-Schnittstelle sollten vorhanden sein.
Darüber hinaus sollte man beachten, dass der auf Balkendiagrammen basierende SiGe-Plan mit Verweisen auf Koordinierungsaufgaben und Arbeitsschutzbestimmungen zwar verbreitet, aber nicht immer ideal ist, da er den komplexen, mehrdimensionalen Bauausführungsprozess nur zweidimensional abbildet. Das führt beispielsweise dazu, dass gegenseitige, übergreifende Gefährdungen überschätzt werden. Dies sollte man berücksichtigen und gegebenenfalls eine dem Projekt besser angepasste Darstellungsform (z. B. Matrix oder Liste) wählen. Bedacht werden sollte auch, dass SiGe-Software, die flexibel sowohl für Standardprojekte des Hoch- und Tiefbaus als auch für spezielle Bereiche wie den Kraftwerksbau, Wasserbau oder Tunnelbau einsetzbar ist, schnell überfrachtet und kompliziert wirkt. Bei der Software-Auswahl sollte man deshalb sein individuelles Einsatzprofil hinterfragen und gegebenenfalls einfachere Lösungen wählen. Beim Kauf sollte bedacht werden, dass es mit der einmaligen Anschaffung eines SiGe-Programms nicht getan ist (zwischen 100 und 1.000 Euro, je nach Software-Konzept und Leistungsumfang). Um mit gesetzlichen Änderungen stets auf gleicher Höhe zu sein, muss SiGe-Software in regelmäßigen Abständen über Updates aktualisiert werden, was zusätzlich jährliche Kosten in Höhe von ca.10–15 Prozent des Software-Kaufpreises verursacht.
Welche Lösungen gibt es?
Als das Bauarbeitenkoordinationsgesetz 1999 in Kraft trat, haben zunächst nur einige spezialisierte Unternehmen den Markt bedient. Mit etwas Verzögerung sprangen auch größere Bau-Software-Anbieter auf den fahrenden Zug auf und offerierten entsprechende SiGe-Modulerweiterungen ihrer bestehenden AVA-, Projektmanagement- oder Bauzeitenplanungs-Software. Inzwischen, zehn Jahre später, hat sich die Marktsituation konsolidiert: Etwa 10 Anbieter offerieren SiGe-Lösungen (siehe Info-Kasten), wobei nicht alle im Hinblick auf Regelwerke, Vorschriften, Gefährdungskataloge, Behördenadressen etc. länderspezifisch für Österreich zugeschnitten sind. Während Komplettpakete alle Leistungen eines SiGe-Planers abbilden – von der Vorankündigung, bis zur Unterlagen-Erstellung – gibt es auch auf SiGe-Pläne spezialisierte Lösungen. Das sind in der Regel Zusatzmodule zu einem Bauzeitenplaner, die eine entsprechende Basis-Software voraussetzen. Andere Konzepte bieten Online- oder auf CD-ROM gespeicherte Arbeitshilfen in Form von Text- und Tabellen-Vorlagen. Sie können modifiziert und in das eigene SiGe-Konzept übernommen werden. Zu den Zielgruppen von SiGe-Software zählen Baustellenkoordinatoren, SiGe-Beauftragte, Architekten und Ingenieurkonsulenten, Fachplaner, Projektsteurer, Bauämter, Bauabteilungen, Bauträger, Wohnungsbaugesellschaften und andere.
Fazit: SiGe ist Teamarbeit!
Angesichts der häufig geringen Bereitschaft, SiGe-Leistungen ihrem Aufwand entsprechend zu honorieren, brauchen Koordinatoren zweifellos Werkzeuge, mit denen sie SiGe-Leistungen zuverlässig und umfassend, gleichzeitig aber auch wirtschaftlich erbringen können. Welche Software sich für wen am besten eignet, hängt auch davon ab, ob man eine AVA-, Projektmanagement- oder Bauzeitenplanungs-Software mit SiGe-Erweiterungsoption bereits einsetzt. Wenn nicht, sind auf die SiGe-Koordination spezialisierte Anbieter vorzuziehen. Doch Software ist nicht alles. Der Sicherheits- und Gesundheitsschutz auf Baustellen ist Teamarbeit. Ohne Akzeptanz und Mitarbeit seitens der ausführenden Unternehmen und deren Beschäftigten geht es nicht. Viel hängt auch von der Koordinations- und Kommunikationsfähigkeit des SiGe-Verantwortlichen ab. Er muss alle Beteiligten von der Wichtigkeit der Maßnahmen überzeugen, sie in den SiGe-Prozess integrieren, immer wieder zur Mitarbeit motivieren und Maßnahmen notfalls mit Nachdruck durchsetzen. Zusätzlich zu den SiGe- und arbeitsschutzfachlichen Kenntnissen wird von ihm deshalb soziale Kompetenz abverlangt, die jedoch in keinem Lehrgang vermittelt und erst recht nicht durch Software ersetzt werden kann.
Weitere Infos/Quellen *
www.arbeitsinspektion.gv.at Arbeitsschutzinfos des BMASK
www.diebaukoordinatoren.org Baukoordinatoren-Vereinigung
www.kommazwo.com/sigeko Marktkübersicht SiGe-Software
www.sidiblume.de Rubrik „Fachinformationen“
www.sigekobau.at SiGeKo-Magazin
www.sisdigital.de Arbeitsschutz-Magazin
Produkte und Anbieter *
AbisAVA Baukoordination/SiGe-Plan (www.abis-software.com), ABK-SiGe-Plan (www.abk.at), Auer Safety (www.nemetschek-auer.at); Asta SiGeControl (www.astadev.de), BauKoord/Baustellenpilot (www.bauberatung.at), Baukoordination (www.it-concept.at), BitBau (www.baltic-it.de), SiGe-Manager (www.vordruckverlag.de), SiGePlan Software (www.sidoun.at), SiGe-ROM (www.sigerom.de)
* ohne Anspruch auf Vollständigkeit!
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Kategorie: EDV