Sein oder Design in Wien – Vienna Design Week 2012
Angesichts der Schwierigkeit einer – im Vergleich zur Mathematik – nicht eindeutigen Festlegung des Tätigkeitsfeldes und der Disziplin des ‚Design‘, führte architektur ein Gespräch mit den beiden Kuratoren Lilli Hollein und Tulga Beyerle über die Ziele der Vienna Design Week 2012.
Was will die Vienna Design Week? Was ist Ihre USP, um in der Marktsprache zu fragen?
Wir haben dieses Festival gegründet, weil wir zum einen die Designszene, die es in Österreich und Wien gibt, sichtbar machen wollten und weil wir auch von ihrer Qualität überzeugt sind. Zum anderen wollen wir natürlich im Rahmen dieses Festivals auf internationalem Niveau einen Austausch herbeiführen.
Ebenso war es und ist es uns ein Anliegen, den Austragungsort (Wien) spürbar zu machen. Wir sind keine Messe wie so
viele andere, wo ich nach Ablauf des Jahres nicht mehr weiß, ob ich die Präsentation in Köln oder in Mailand gesehen habe. Wir versuchen mit kuratierten Inhalten eine sehr starke Verknüpfung mit der Stadt Wien, mit bestimmten Orten, Protagonisten, Herstellern und Manufakturen herzustellen.
Was würden Sie als das Einzigartige dieser Veranstaltung bezeichnen?
Ganz sicher der stark kuratierte Inhalt. Wir trachten, dass der Großteil der Veranstaltungen ausschließlich für die Vienna Design Week konzipiert wird.
Sie haben gesagt, dass Sie die österreichische Szene in den Vordergrund bringen wollen, jetzt haben Sie aber immer Kooperationen mit internationalen Designern: Voriges Jahr war das Polen, heuer ist es Spanien. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nein, wir haben immer einen Gastlandschwerpunkt.
Es tauchen ja im Programm Dutzende von Designern auf, die wir in den verschiedensten Formaten einladen. Es gibt auch eine gewisse Balance zwischen österreichischen und internationalen Designern.
Sie haben gerade den Begriff ‚Format‘ erwähnt. Was ist das für Sie?
Es gibt verschiedene Formate in der Designwelt. Wir verstehen darunter verschiedene Entitäten. Im Festival gibt es acht Formate – Passionswege, Labor und Laborgespräche, Stadtarbeit und Social Design, Talks, Gastland Spanien und Exhibitions, Education, Programmpartner und Popup-Café – die werden von uns kuratiert und betreut.
Schließt dieses Kuratieren nicht die Kreativität und Spontanität zum Teil aus?
Da würde ich im höchsten Maße widersprechen. Kuratieren heißt ja nicht reglementieren.
Wir versuchen, die Gedanken des Kunstschaffenden für eine breitere Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen. Es soll nachvollziehbar und erfassbar werden, ein Einstieg soll geboten werden.
Wir haben sehr viele dieser Formate selber entwickelt. Wir haben Prozesse zwischen Unternehmern und Designern initiiert. Das älteste Format sind die Passionswege, da überlegen wir sehr genau, welche Designer wir einladen und mit welchen Unternehmen wir sie verbinden wollen.
Also ist das Kuratieren eher ein begleitender Prozess?
Ja! Wir kuratieren ‚en gros‘ und ‚en detail‘.
Die Formate haben wir deshalb entwickelt, damit die Gesamtheit des Festivals mit allen Beiträgen und den Beiträgen der Programmpartner etwas abbildet, das wir erzählen wollen.
Wir wollen die Bandbreite des Designs vermitteln. Wir adressieren sowohl an ein sehr stark vorgebildetes Fachpublikum aber auch für eine breitere Öffentlichkeit, der wir klar machen wollen, dass Fragen des Designs keine reine Ästhetikdiskussion sind.
Kann Architektur Design sein, kann Design Architektur sein?
Das sind Fragen, die im Rahmen des Festivals gestellt werden, das kann ich hier nicht beantworten.
Und was finden Sie persönlich?
Da müsste man die ganze Terminologie zuerst klären. Die Frage, ‚Kann Design Kunst sein?‘ würde ich durchaus bejahen. Aber ich finde diese Diskussion relativ irrelevant. Wir wollen zeigen, was Design alles kann und wenn Architektur und Design miteinander korrelieren, dann ist das etwas, das dieses Festival eben zeigen kann.
Wenn ich zum Beispiel den „Offenbacher Ansatz“ von Jochen Gros betrachte, da ist auch sehr stark ein Prozesscharakter im Design beinhaltet. Wollen Sie mit der Vienna Design Week auch einen Prozess in der Stadt auslösen?
Es gibt einen Bewusstseinsprozess in der Stadt, den wir auslösen wollten. Wir spüren das mittlerweile auch an den Reaktionen und an den weiter fortgesetzten Projekten, dass wir damit auch Erfolg haben.
Der Prozess beeinflusst auch die Stadt, er verändert etwas oder soll etwas verändern?
Das wäre zu hoffen. Wir können nach sechs Jahren auch sagen: Es hat sich etwas verändert.
Wien wird im Herbst als Designdestination wahrgenommen. Es gibt eine wachsende internationale Klientel, die anreist. Wir binden auch sehr stark den europäischen Osten ein, da gibt es immer neue junge Leute zu entdecken. Es hat sich etwas Neues etabliert in Wien: Es findet hier ein internationaler Diskurs statt.
Design hat per Definition den selben Anspruch wie Architektur: Es orientiert sich am Menschen und seinen Bedürfnissen. Was ist nun mit dem sogenannten „verrückten“ Design, wie die Zitronenpresse von Philipp Starck?
Der Mensch will unterhalten werden und auch ikonische Objekte haben. Das ist eine Skulptur, die nicht funktional ist. Über den Einkauf dieses Objektes definiert er sich nach außen: ‚Ich habe ein Designverständnis’.
Ist das dann eine Art Statussymbol?
Ja, vielleicht hat es einen emotionalen Wert.
Und dass es besser funktionierende Dinge gibt als diese Zitronenpresse, werden die Menschen auch entdecken.
Das ist genau das, was wir mit dem Festival abdecken wollen. Es gibt ‚Social Design‘ mit Projekten, die sich mit den Bedürfnissen von Menschen auseinandersetzen. Da wird kein Gegenstand gestaltet, sondern ein Prozess, ein Miteinander oder eine gemeinsame Arbeit. Genauso gibt es einen Galeristen mit einer Galerie, die den Begriff ‚Art Design‘ tragen könnte. Da werden Produkte gezeigt, die sehr künstlerisch sind, kleine Auflagen haben, vielleicht sogar Unikate sind. Das alles ist die Bandbreite der Vienna Design Week.
Was erwartet die Besucher bei der heurigen Vienna Design Week an Neuem?
Es ist so gut wie alles speziell für dieses Festival konzipiert, also neu.
Die Fotokampagne der Vienna Design Week 2012, der übereinander getürmte Haufen von Stühlen – was wollen Sie damit ausdrücken? Es sind ja auch Thonetstühle dabei, soll das den Abschied vom Alten bedeuten?
Nein, für uns ist die Verbundenheit mit der Tradition etwas sehr Positives. Wieso sollte man die Dekaden von Erfahrungen, die Firmen wie Thonet und Lobmeyer zum Beispiel haben, außer acht lassen?
Hat der Stuhl eine bestimmte Bedeutung?
Das ist der kleinste gemeinsame Nenner um den Menschen zu vermitteln, dass es nicht um Mode geht.
Was soll Ihrer Meinung nach Design bewirken?
Design ist inzwischen eine Disziplin, die eine unglaubliche Komplexität erreicht hat. Um die Jahrhundertwende konnten noch Architekten ein Einfamilienhaus bis zur Türschnalle und allen Möbeln und Stoffen entwerfen.
Heute ist das aufgrund der Spezialisierung nicht mehr möglich.
Um es auf einen Nenner zu bringen: Design soll das Leben verbessern.
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