Berlins neue Oberschicht – Dachkiez
Berlins neue Oberschicht – Dachkiez
Dachkiez – Wenn Berlin im Jahr 2030 die prognostizierte Einwohnerzahl von vier Millionen knackt, sind das zwar rund 500.000 Einwohner mehr als heute, aber immer noch knapp 500.000 weniger als vor dem Zweiten Weltkrieg. Während die Infrastruktur mit Kanalisation und U-Bahn-Netz durchaus noch nicht an ihre Grenzen stößt, herrscht auf dem Wohnungsmarkt akute Not. Wie kommt das?
Beim Wiederaufbau Berlins nach 1945 stand trotz erheblichem Bevölkerungsrückgang an erster Bedarfsstelle Wohnraum. Dieser wurde auch geschaffen, allerdings in viel komprimierterer Form als zuvor. Seitdem erstrecken sich entlang der breiten Boulevards Berlins gefühlte, endlos lange Plattenbauten, Stockwerk über Stockwerk, noch dazu mit viel geringeren Raumhöhen als bis dato in den Altbauten üblich. Insgesamt führte das zu einer weniger verdichteten Bebauung und als Nebeneffekt zu den vielen Brach- oder Freiflächen, die dem heutigen Berlin (auch dank kreativer Zwischennutzungen) dessen besonderen Charme verleihen. Die deutsche Hauptstadt lebt von den aus der Geschichte resultierenden kontrastreichen Nachbarschaftsgefügen, den sogenannten Kiezen. Doch trotz ständiger Nachverdichtung kann die Stadt mit der stetig wachsenden Nachfrage nach (bezahlbarem) Wohnraum nicht Schritt halten.
Zeit für neue Ideen und innovative Konzepte – so wie den „Dachkiez“ des dänischen Architekten Sigurd Larsen. Auf der letztjährigen Biennale in Venedig präsentierte der Wahl-Berliner in einer Ausstellung seinen Lösungsansatz für eine sozialverträgliche und ökologisch nachhaltige Nachverdichtung bestehender Substanzen. Das Studienobjekt: ein massiver und lückenloser Betonblock, an attraktiver Stelle zwischen den Stadtteilen Kreuzberg und Mitte gelegen. Die Idee: Ein neuer, grüner Kiez auf dem Dach des Plattenbaus, bunt durchmischt und zugänglich für alle Schichten.
Dabei wird der Plattenbau nicht separiert betrachtet. Vielmehr gewinnen die langjährigen Bewohner eine neue Nachbarschaft und zugleich Zugang zu einer komplexen Infrastruktur. Diese erstreckt sich sowohl auf horizontaler, als auch auf vertikaler Ebene und umfasst Grünflächen, malerische Aussichtspunkte und Treffpunkte für alle Kiezbürger von Jung bis Alt. Die „neue Oberschicht“ legt sich als grünes Band mit tief wurzelnden Bäumen, Wiesen und Hügeln auf das bestehende Betondach. An dessen Rändern reihen sich in leichter Holzbauweise Wohnungen wie an einer Perlenkette zu einem lang gezogenen Dorf aneinander.
Die einzelnen Module basieren auf einem flexiblen Baukastensystem, das sich individuell an die Bedürfnisse der Bewohner anpassen lässt. Das Basis-Modul kann von einem Single oder Paar bewohnt werden. Ein zusätzliches Plug-in-Modul mit Schlafzimmer schafft entweder Raum für ein Kind oder für einen zusätzlichen Bewohner in der WG. Eine dritte Einheit ergänzt ein weiteres Schlafzimmer und wertet das Badezimmer für größere Familien auf. Wohnraum für jedermann und beste Aussichten für die neue Oberschicht Berlins.
Fotos:©Sigurd Larsen
Kategorie: Magazin