Die Zeit – im Ziegel eingefangen
Tower of Bricks / Hengshui / Interval Architects
Anstelle eines verfallenen und dann abgebrochenen Ziegelwerkes haben die Interval Architects in einem Sumpfgebiet in der Nähe der Stadt Hengshui, China das Botanic Art Center in einem neuen botanischen Garten errichtet. Sie bezogen sich bei ihrem Entwurf auf die Strukturen und Materialitäten der Vergangenheit und schufen so eine Verbindung zur Gegenwart.
Ausgangspunkt
Das Projekt hatte seinen Ausgangspunkt bei einem halb verfallenen Hoffman-Ofen (ein Tunnelbrennofen für keramische Produkte) im Sumpfgebiet nahe der Stadt Hengshui in China. In diesem Gebiet entsorgten lange Zeit die umliegenden Industrien ihre Abwässer. Die Ziegelbrennerei war das einzige Gebäude in dem Sumpf und ihr Kamin ragte als Wahrzeichen weithin sichtbar in die Höhe. Aufgrund der neuen Umweltpolitik Chinas, die das Ziegelbrennen aus Ton aus Umweltschutzgründen verbietet, war die Anlage verlassen worden und drohte komplett einzustürzen. Einige Bauteile hatten schon das Zeitliche gesegnet.
Ein neuer Plan der lokalen Verwaltung des Bezirkes sah nun vor, den Sumpf in einen botanischen Garten zu verwandeln und ein zughöriges Kunst- und Ausstellungszentrum an der Stelle der ehemaligen Ziegelbrennerei zu errichten. Die beauftragten Interval Architects beschlossen, die Erinnerung und Geschichte der demolierten Ofenanlage aufzugreifen und sich bei der neuen Architektur davon inspirieren zu lassen. So sollte auch eine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart in dem Projekt sichtbar werden.
Konzept
Das neue Botanic Art Center (BAC) ist hauptsächlich eine Galerie, die Pflanzen, Töpferwaren und florale Kunst ausstellt und zeigt. Die neue Architektur sollte ein öffentlicher Bau sein, im Gegensatz zum alten Ofen, der eine introvertierte und rein auf industrielle Produktion ausgerichtet Anlage, darstellte. Die Intention der Architekten war es, die räumliche Geschichte des Ortes mit den Volumina des neuen BAC in Proportion und Komposition derart zu entwerfen, dass sie zur Komposition der alten Ofenanlage eine Referenz bildete. Gleichzeitig mussten zeitgemäßen Funktionen und Erlebnisbereiche eingebettet sein. Vergangenheit und Zukunft des Ortes sind somit konzeptuell verbunden.
Die verschiedensten Verlegearten und -muster prägen die Fassade der einzelnen Bauteile
Referenzen
Im Gegensatz zur alten Ofenanlage ohne öffentlichen Zugang der Produktionsstätte bietet das neue BAC den Besuchern Kulturveranstaltungen und eine Ausstellungsarchitektur. In seiner räumlichen Struktur bezieht es sich auf den Hoffman-Ofen mit seinen bogenförmigen, um einen zentralen Hof angeordneten Gewölben. Entlang der gewölbten, äußeren Arkaden unterbrechen mehrere Höfe den Raumfluss, sie schaffen verwischte Grenzen zwischen Landschaft und Architektur, zwischen innen und außen. Gleichzeitig verbinden sie sich mit dem zentralen Innenhof zu einem größeren Ganzen und mit dem Umraum. Die Dachterrassen und -gärten öffnen ebenfalls das Gebäude und bieten erstaunliche Ausblicke in die Gegend. Kleine, schmale Höfe sind auch zwischen dem Restaurant- und Küchenbereich angeordnet, sie dienen für eine ausreichende Belichtung des Speisesaals.
Ausstellungsflächen
Konträr zu den fortlaufenden Gewölben eines Hoffman-Ofens, sind hier die Arkaden als eine Serie von offenen Bögen entworfen, die eine visuelle und wahrnehmbare Beziehung der Räume zum Licht zeigen. Die sequenziellen Anordnungen der Bögen definieren verschiedene, unabhängige aber miteinander verbundene Galeriezonen für Ausstellungen und bringen den Aspekt von Raum, Licht und Schatten zum Ausdruck.
Licht und Schatten spielen eine große Rolle im architektonischen Konzept der Architektur. Sie tragen ur Bildung von Raumsequenzen und Abschnitten bei.
Der Turm
Jeder traditionelle Ofen hat einen Kamin und manche Menschen wollen einen solchen besteigen (zumindest in China). Der Turm des BAC ist eine Reminiszenz an die Vergangenheit und die vier Aussichtsplattformen bieten den Besuchern die Möglichkeit, hinaufzusteigen und von den unterschiedlichen Höhen einen Blick auf den botanischen Park zu werfen.
Materialität
Natürlich wurden Ziegel als Hauptbaumaterial verwendet, schließlich befindet man sich an der Stelle einer ehemaligen Ziegelproduktion und auch so wird die Erinnerung der vergangenen Textur und Materialität wachgehalten. In den Fassaden benutzte man vielfältige Verlegemuster und Anordnungen, um Transluzenz zu generieren. Diese bricht auch die Masse des Baukörpers, erlaubt Licht- und Schattenspiele und entspricht dem öffentlichen Charakter der Architektur. Speziell beim Aussichtsturm kommt dieser Anspruch klar zum Ausdruck, hier sind die Verlegemuster noch transparenter.
Tower of Bricks
Hengshui, China
Bauherr: Hengshui Botanic Park
Planung: Interval Architects
Mitarbeiter: Oscar KO, Yunduan GU, Zexing YUE, Xianmei HU, Jing CHEN, Jin HUANG
Statik: Bejing New Era Architeural LTD
Grundstücksfläche: 19.631 m2
Bebaute Fläche: 2.065 m2
Höhe: 36,5 m
Planungsbeginn: 2016
Bauzeit: 2016-2018
Fertigstellung: 11/2018
Baukosten: 1,8 Mio. Euro
Text:©Peter Reischer
Fotos:©Zhi Geng
Kategorie: Magazin