Glashaut mit Innenleben – cube berlin
Mitten im Herzen von Berlin entsteht derzeit der 100 Millionen Euro teure cube berlin. Das „digitale“ Bürogebäude ist Teil der Europacity und befindet sich auf dem Washingtonplatz, direkt am Berliner Hauptbahnhof und am Spreebogen, vis-à-vis zum Regierungsviertel. Realisiert wird die Architektur, deren Entwurf vom Büro 3XN aus Kopenhagen stammt, von der CA Immo als Bauherr.
Mit Unterstützung von Drees & Sommer entwickelte das Unternehmen ein Digitalisierungskonzept für das Berliner Bürogebäude. CA Immo hat den cube berlin im Rahmen eines Forward Deals an TH Real Estate, einen großen institutionellen Fondsmanager, veräußert. Das Gebäude wird von CA Immo errichtet und vermietet und nach Fertigstellung Ende 2019 an den Investor übergeben. Der Bau startete 2017 und das Gebäude wird voraussichtlich Ende 2019 fertiggestellt. Anhand der Fotos (Februar 2019) lässt sich sehr gut der momentane Baufortschritt die formgebende, zukünftige Doppelfassade aus Glas erkennen.
Die Architektur gilt als denkendes und intelligentes Bauwerk, lernt von den Menschen, die in ihm arbeiten aber auch durch den Betrieb selbst und durch die Umwelt. Eine intelligente Gebäudetechnik erkennt die Anforderungen und Wünsche jedes Nutzers an jedem Ort und passt sich individuellen Bedürfnissen optimal an. Das Ganze verbirgt sich hinter dem Begriff „Smart Commercial Building“. Dabei soll ein mit IoT-Technologien ausgestattetes Gebäude einen sowohl ökonomischen als auch ökologischen Mehrwert generieren. Eine Gewerke übergreifende Kommunikation der Gebäudetechnik wird durch eine selbstlernende und selbstoptimierende künstliche Intelligenz (KI) und vernetzte Sensorik realisiert. Durch eine zentrale Steuerungseinheit in Form einer künstlichen Intelligenz, als „Brain“ bezeichnet, können alle Gebäudeautomationssysteme und eingesetzte Technologien miteinander vernetzt werden. Durch die Erfassung, Analyse und Bewertung aller Informationen und Daten wird eine Vernetzung und Interoperabilität der Systeme ermöglicht, wodurch eine gezielte Prozesssteuerung und -optimierung erfolgen kann. Die im Gebäude installierten 3.750 Sensoren, 750 Beacons (Sender mit Bluetooth Low Energy) und 140 Mobilfunkantennen ermöglichen ein Tracking of Everything nach den Vorgaben der DSGVO. Sogenannte Heat Maps können die Raumbelegungen abbilden, die Bewegungen verfolgen und die Auslastung visualisieren, die dann auch zur Prozessoptimierung genutzt werden kann. Das reicht vom Buchungssystem bis hin zur individuellen Bedienung des Arbeitsplatzes und der Behaglichkeit.
Weitere Features des Gebäudes sind: Berechtigungsvergabe und -entzug in Echtzeit und online, Smartphone (Bluetooth) als IF-Merkmal, Prozessoptimierung, Zutrittsmanagement, Infrastruktur für Tracking von Personen (via Bluetooth-Device) und Assets (via Beacon – DSGVO-konform), Platzbuchung bei Desk-Sharing, Belegungs-Heatmaps zur Optimierung von Bürokonzepten (anonymisiert und personalisiert), Ermittlung der Hauptbewegungspfade, Darstellung der Auslastung, Steigerung der Energieeffizienz, ortsbezogene Dienste (Push Nachrichten), Darstellung von anlagenbezogenen Informationen und allgemeine Informationsbereitstellung, nutzerindividuelle Steuerung von Beleuchtung, Jalousie, Temperatur per Smartphone (=BYOD), Navigation im Gebäude zu Räumlichkeiten oder Personen, Lockersystem für die Postsendungen, Desk Sharing und Clean Desk-Philosophie, E-Mobilität als Teil des aktiven (elektrischen) Lastmanagements, Elektroauto als Speicher zum Laden und Entladen um Lastspitzen des Gebäudes zu vermeiden, Buchungssystem mit Integration in Outlook, Buchungssystem für Parkplätze zur Mehrfach-Nutzung (Parkplatz-Sharing).
Die Grundlagen für das digitale System waren im Demozentrum der Cluster Smart Logistik auf dem Campus der RWTH Aachen – der mittlerweile als Silicon Valley Deutschlands gilt – geschaffen worden. Hier konnte das Zusammenspiel verschiedener Digitalisierungsbausteine aus den Bereichen Hard- und Software bereits vor Inbetriebnahme des cube berlin im Modell abgebildet und hinsichtlich vieler Kriterien getestet werden. Peter Reischer konnte im Sommer 2018 eine Demonstration der wichtigsten Merkmale in Achen miterleben und auch Fragen dazu stellen.
Die Frage, ob der cube berlin aufgrund seiner „Intelligenz“ nicht vielleicht nach dem Vorbild von HAL 9000 aus Stanley Kubricks Weltraumepos „2001: Odyssee im Weltraum“ die komplette Steuerung des cube übernehmen könnte, und die Menschen somit als Geiseln der Architektur behandeln – konnte (oder wollte) niemand beantworten. Ebenso erhielt man auf die Frage, welche Auswirkungen die Tausenden verlegten Leitungen durch ihre Strahlung auf den menschlichen Organismus heben werden nur die lapidare Antwort: Das ist zu evaluieren! Interessante ist auch die Verbindung Sicherheit und Datenschutz. Hier erhielt man die Auskunft, dass man in Zusammenarbeit mit Juristen des Bauherrn/Investors Digitalisierungskonzepte erarbeite, die der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprechen. In sogenannten Penetration-Tests ermittelt man die Empfindlichkeit des zu testenden Systems (Software) gegen Angriffe. Das Prinzip „Security by Design“ ist bereits bei der Planung digitalisierter Gebäude unerlässlich. Schon während der Planungsphase eines Gebäudes müssen Sicherheitsanforderungen an Soft- und Hardware berücksichtigt werden, um spätere Sicherheitslücken zu verhindern. Nach Inbetriebnahme ist das Thema Cyber Security jedoch nicht abgeschlossen. Die Investoren und Bauherren benötigen eine fortlaufende Cyber Security-Organisationseinheit, die einen sicheren Betrieb des Gebäudes gewährleisten.
Fotos: ©Reischer, CA Immo
Kategorie: Magazin