Bloor Gladstone Library – RDH Architects inc.

18. Juli 2011 Mehr

Bloor Gladstone Library

Ungefähr eineinhalb Meter über der Erde, auf einem hellen Sockel aus Sandstein, thront die 1912 von den Architekten Chapman und McGiffen entworfene und als Kulturerbe geschützte Bloor-Gladstone-Bibliothek in Toronto. Ein roter Ziegelbau, der Masse, Würde und etwas Solides ausstrahlt, sozusagen ein Tempel, der der Aufbewahrung des geschriebenen Wortes gewidmet ist. Ohne das dominante Gebäude zu schmälern, fügt sich links davon ein Glaskubus an, der schon von außen durch seine Transparenz den geistigen Inhalt sichtbar macht. Ein architektonischer Kontrast, aber doch eine Verbindung – nicht nur durch den Inhalt – denn der Zubau wirkt fast wie ein modernes „Kind“ der alten Bibliothek.

Bloor Gladstone Library

Die Aufgabe

RDH Architects waren beauftragt, sowohl den alten – an einen italienischen Neo-Renaissancebau erinnernden – Bestand komplett zu erneuern als auch einen 12.000 ft² großen Zubau zu gestalten. Die Sammlungen und Möglichkeiten sollten dem Stand einer Bezirksbibliothek angepasst werden. Dazu waren einige größere Änderungen notwendig: Der Haupteingang blieb aus Respekt vor der ehrwürdigen Substanz zwar an derselben Stelle, aber die Eingangsebene wurde auf das tiefstmögliche Niveau verlegt. Statt wie früher über eine Stiege hinauf, betritt man nun das Gebäude, indem man entweder 4 Stufen vom Gehsteig hinuntergeht, oder barrierefrei links und rechts des Einganges eine Rampe benutzt.
Im Inneren des Altbaues wurden einige Eingriffe in die Ziegelarchitektur getätigt und neue Wände – durchwegs aus Hartglas – aufgestellt. Dadurch wurde der Anspruch der Transparenz gewahrt, es entstanden neue Sichtachsen, die sowohl dem Publikum als auch den Mitarbeitern die Orientierung im Gebäude erleichtern.

Bloor Gladstone Library

Lesen im Glaskubus

Der Zubau besteht aus zwei wesentlichen Elementen: ein in die Höhe gesetzter, gläserner Pavillon und der Sandsteinsockel. Der Sockel ist eine optische Weiterführung der Basis des Altbaues, er stellt eine starke strukturelle Verbindung dar. Der Glaskubus ist ein transparenter, zeitgemäßer Kontrast zur Architektur des Baudenkmals. Er steht in einem ständigen Dialog mit der Umgebung, ein Platz zum Lesen und um die Stadt zu beobachten.
Die fünf großen Bogenfenster der Ziegelarchitektur wiederholen sich in der fünffachen vertikalen Teilung des Glaskörpers. Auch die horizontalen Linien verbinden ihn mit der historisierenden Architektur. Verstärkt wird die Horizontale in der Glasfassade noch durch die abwechselnde Verwendung von durchsichtigem und gemustertem Glas. Ein gläserner Korridor trennt und führt die beiden Bauten zusammen und erlaubt somit beiden, das ihnen eigene Volumen zu entfalten und zu vermitteln.

Bloor Gladstone Library

Zurückhaltung und Elegance

Die Renovierung des Altbestandes ermöglichte eine Neuorganisation der Raumfolgen und ein zeitgemäßes, funktionales Bibliotheksprogramm mit Räumen für Kinder und für Jugendliche, 44 Computerplätze, offene sowie auch geschlossene und halb offene Studienbereiche, Gruppenräume, ein Loungebereich mit bequemen Fauteuils, ein zusätzlicher Lesesaal, große und kleinere Besprechungsräume und eine wesentlich erweiterte und vergrößerte Buch-, Magazin- und Mediensammlung.
Zwei der historischen, alten offenen Kamine mit den sie seitlich flankierenden plastischen Engelköpfen wurden liebevoll restauriert und bilden einen zentralen Ort für gemütliches Lesen.
Bei der Innengestaltung wurde großes Augenmerk auf die Materialwahl und den Kontrast derselben zueinander gelegt. Das bestehende Gebäude ist durch die Verwendung der vorhandenen Ziegel und der historischen Gipsstukkatur und -decken gekennzeichnet.

Bloor Gladstone Library

Große Räume, hohe bogenförmige Durchgänge, klare weiße Wände evozieren das Bild eines Tempels.
Die sowohl bei der Renovierung wie auch im Neubau verwendeten Materialien sind Stahl, Aluminium und Hartglas. Die Ästhetik der Gestaltung ist ausgesprochen zurückhaltend und stellt eine Verstärkung des Anspruchs der Bibliothek als Ort der Konzentration dar.
Dank einer hervorragenden Schalldämmung lässt sich die Anwesenheit der an der Vorderfront vorbeiführenden Hauptverkehrsstraße nur noch optisch wahrnehmen.

Bloor Gladstone Library

Dem Anspruch der Nachhaltigkeit wurde man unter anderem durch begrünte Dächer gerecht.
Wasserdurchlässige Pflasterungen entlang der Fluchtwege, Pflanzung von Büschen und Gräsern sowie 19 neue Bäume bedeuten eine Reduktion der städtischen Regenabwässer.
Große Energieeinsparungen gab es durch die Nutzung des natürlichen Lichtes und durch entsprechenden Sonnenschutz. Die Wahl nachhaltiger Baumaterialien und der Einbau von energieeffizienten Haustechniksystemen ist ja schon fast eine Selbstverständlichkeit in öffentlichen Gebäuden.
Das Projekt verwandelte ein abbruchreifes, funktionsuntüchtiges Baudenkmal in eine funktionale, interaktive, moderne Institution.
Die Qualität der Ausführung und Umsetzung brachte die Bloor-Gladstone-Bibliothek in eine Ebene, auf der sie sich mit den anderen kulturellen Einrichtungen des weltgrößten öffentlichen Bibliothekssystems – der Toronto Public Library – vergleichen kann.

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Kategorie: Projekte