Champalimaud Center for the Unknown – Charles Correa

10. Oktober 2011 Mehr

Champalimaud Center

Wenn man die Bilder, die visuellen Formen des „Champalimaud Center for the Unknown“, auf sich wirken lässt, ist zuerst der Eindruck der reinen Schönheit der Gestaltung, der ins Bewusstsein dringt: Es ist die „Moderne“ in ihrer reinsten Ausprägung und in ihrer schönsten Form. Man sieht, dass die Linien und Kurven in einem Moment der kreativen Epiphanie entstanden sind. Aber es kann nicht ein quasi „verrückter“, singulärer Moment im Leben des Architekten gewesen sein – es ist das Resultat einer jahrelangen Vorbereitung auf einen Moment des „Loslassens“ von rationellen und funktionalen Dingen und Fesseln, das so eine Freiheit der Form erzeugt.

Champalimaud Center

Der indische Architekt und Stadtplaner Charles Correa hat in Lissabon, Portugal, ein Forschungs- und Behandlungszentrum für biomedizinische und neurologische Wissenschaften und Forschung errichtet. Aus der Lage im Stadtteil Belém, zwischen dem Fluss Tagus und seiner Mündung in den Atlantischen Ozean, ergab sich eine ganz besondere Topologie und Zeittiefe: An diesem Punkt begann vor 514 Jahren die Reise Vasco da Gamas ins Unbekannte. Er entdeckte dabei den Seeweg nach Indien. Und vor fünf Jahren begann an derselben Stelle ein indischer Architekt mit dem Bau dieses Architekturjuwels. Im Oktober 2010 wurde es anlässlich der 100-Jahr-Feier zur Gründung der Republik Portugal eröffnet.

Champalimaud Center

Gewisse Analogien mit dem Salk-Institut von Louis Kahn in La Jolla, Kalifornien, sind augenscheinlich – ist doch auch hier die Erfahrung und Entdeckung des Elements Wasser ein wesentlicher Aspekt. Eine weitere Ähnlichkeit ist die Tatsache, dass beide Architekturen wissenschaftliche und medizinische Forschungsstätten der absoluten Topqualität beherbergen. Zudem ist Correa auch ein großer Bewunderer der Arbeiten von Louis Kahn.

Champalimaud Center

Das Champalimaud Center ist von elegant schwingenden, kurvigen Flächen und Körpern geprägt. Diese spielen mit dem Raum und verhalten sich wie These und Antithese im Bezug zur orthogonalen Grundstruktur der Innenräume.
Man betritt den Komplex von Norden. Zwei flankierende Körper bilden eine Torsituation zu einem dazwischenliegenden, großzügigen Platz. In der westlich gelegenen Hälfte des Komplexes sind die Forschungs- und die Behandlungsräume untergebracht.

Champalimaud Center

Auf der ersten Ebene dieses Gebäudeteils sind die Therapieräume situiert. Wenn man den Klinikbereich durch die offene, zweigeschoßige Glaslobby betritt, sieht man auf der rechten Seite durch das Glas die Innenseite des Rezeptionsbereiches und links den weiten, rechteckigen „versunkenen“ Innengarten. Dieser dreigeschoßige Grünraum ist gegen den Himmel offen, zum Gebäude hin mit von der Decke zum Boden reichenden Glaswänden abgetrennt und voll von majestätischen Palmen und anderen Grünpflanzen. Es ist wie ein tropischer Regenwald mitten im Haus.
Genau bei dem in der ersten Ebene gelegenen Empfangsbereich öffnet sich ein großer Innenhof, von dem aus man diesen einen Stock tiefer gelegenen Garten überblicken kann. Der Garten selbst ist für die Patienten und deren Familien gedacht. So können sie die oft langen Wartezeiten bei den Behandlungen in einer warmen, natürlichen Atmosphäre verbringen. Das ist genau das, wo die meisten Behandlungsstätten oft so fürchterlich, durch die Missachtung der psychologischen und emotionalen Bedürfnisse der Patienten, versagen.

Champalimaud Center

Eine ähnliche liebevolle Aufmerksamkeit wurde bei den Räumen für die Chemotherapie angewandt: Keine schmalen, fensterlosen rein funktionalen Räume, sondern auch hier entsprechende Möglichkeiten für Privatheit und Interaktion. Sie sind auf einen hellen, offenen Hofbereich eines Gartenbereiches, der nur für diese Patienten gedacht ist, hin orientiert.

Champalimaud Center

Die nach dem letzten Stand der Technik ausgerüsteten Hightech-Laboratorien befinden sich auf der zweiten Ebene und haben Glaswände mit Ausblick auf das Wasser. Die Büros der einzelnen Wissenschafter sind entlang einer langen, hellen, zweigeschoßigen Halle angeordnet. Sie hat an ihrem Ende einen so wunderschönen Ausblick, dass sie die Bezeichnung „Sunset Boulevard“ bekommen hat.
Alle Labors sind in einem langen, weitreichenden Raum untergebracht. Er bietet ausreichende organisatorische Möglichkeiten für abgeschlossene Arbeitsgruppen, aber auch für interaktive Gruppenarbeit und Forschung. Überhaupt ist eine unglaublich menschliche und angenehme Arbeitsumgebung im gesamten Gebäude spürbar.

Champalimaud Center

Auf der Ostseite ist am Eingang zur Plaza das eigentliche Champalimaud-Foundation-Gebäude. Es beinhaltet auf der ersten Ebene einen großen Ausstellungsraum und auf der zweiten die Büros der Foundation. Der Empfang im ersten Stock hat eine Glaswand, durch die man auf einen dreieckig gebogenen Garten blicken kann. Dieser ragt zum Fluss hinaus und evoziert so den Bug eines Schiffes. In der östlichsten Ecke des Gebäudes ist das Auditorium. Ausgestattet mit extrem bequemen Sitzreihen und einem unförmig ovalen Riesenfenster bietet es sowohl einen faszinierenden Ausblick nach außen als auch einen beeindruckenden Eindruck des skulpturhaften Innenraumes.

Champalimaud Center

Zwischen den Ausstellungsräumen und dem Auditorium ist ein großzügiges Café mit Außenterrasse gelegen. Es trägt humorvollerweise den Namen Darwin Café und ist auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Als Verbindung dieser beiden Komplexe überspannt am Eingang eine röhrenförmige Glasbrücke den öffentlichen Bereich. eine elegante leichte Konstruktion aus Stahl und Glas.

Champalimaud Center

Hinter dem Verwaltungsgebäude ist in Richtung zum Fluss hin hinter einer weiteren elegant gekurvten Wand ein beeindruckendes, steinernes Amphitheater wie aus einer griechischen Ruine untergebracht.
Aber das wahre Herz des ganzen Komplexes ist der „Schwung“ der Plaza, die den Besucher gleichsam hineinzieht, vorwärts zieht in das Zentrum. Eine sanft ansteigende Wegführung leitet das Auge in die Unendlichkeit des Ozeans. Irgendwo im Weitergehen erblickt man vor sich zwei monolithische Zementsäulen. Diese Säulen am höchsten Punkt der Plaza sind aus Sichtbeton, nur ihre Spitzen verfärben sich durch beigemengte Farbpigmente ins Blau des Himmels und verschmelzen mit diesem.

Champalimaud Center

Wenn man sich den Säulen nähert, beginnt man das Wasser zu sehen. Aber die Annäherung ist eher verblüffend und etwas verwirrend. Denn beim Näherkommen bemerkt man, dass vor der unendlichen Weite des Ozeans ein von Menschenhand gemachter Teich ist. Dieser verschmilzt aber in der Perspektive randlos mit der dahinterliegenden Wasserfläche des Atlantiks. Die sich ständig verändernden Sichtlinien und Horizonte sind eine Metapher, dass es immer etwas Unbekanntes, Neues zu entdecken gibt.

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Kategorie: Projekte