Ein zweites Leben

22. Juni 2022 Mehr

Windmühlen scheinen seit jeher als charakteristische, architektonische Landmarks das Landschaftsbild Polens mitzuprägen. Während mit ihrer Hilfe und dank der Kraft des Windes in früheren Tagen Getreide zu Mehl gemahlen wurde, haben diese einstigen Ikonen des vorindustriellen Zeitalters heute weitgehend ihren Zweck verloren. So ging es auch einer alten Windmühle in der Region Lublin – bis deren Besitzer kurzerhand beschloss, das historische Bauwerk aus dem Dornröschenschlaf zu wecken.

 

 

Tomasz Padło und Michał Kucharski hatten bereits einige Jahre zuvor im Rahmen des internationalen Wettbewerbs „Contemporary House 2014 – Village House“ ein auf nationaler Ebene prämiertes Konzept entwickelt, das nach entsprechender Adaption an die Anforderungen des Kunden sowie die technischen und örtlichen Gegebenheiten endlich realisiert werden konnte. Das Prinzip: die moderne Art des Wohnens mit einer neuen Wohnfunktion zu verbinden.

 

 

Den Architekten war es dabei wichtig, den ursprünglichen Ausdruck und die Form der alten Mühle zu bewahren – und diese dennoch in ein neues Antlitz zu hüllen. Die Herausforderung bestand auch darin, das Funktionsprogramm in den bestehenden Turm mit den Grundrissaußenmaßen von 6,5 auf 6,5 Meter zu integrieren. Als Antwort auf die vertikale Grundstruktur des Bestands umfasst das Untergeschoss eine Garage, den Technikraum sowie ein Gästezimmer. Im Erdgeschoss befindet sich ein Wohnbereich mit Küche und Lesezimmer, die Obergeschosse beherbergen die Schlafzimmer mit Bädern sowie ein Zwischengeschoss mit einem Arbeitsraum, der einen herrlichen Blick auf die umliegenden Felder bietet.

 

 

Aus konstruktiver Sicht benötigte das Gebäude aufgrund der veränderten Anforderungen eine völlig neue Struktur. So trägt die neu errichtete unterirdische Ebene aus Stahlbeton, in Kombination mit vier Pfeilern im Erdgeschoss, die oberen Ebenen des Mühlenbauwerks. Soweit möglich wurden die vorhandenen Bauteile gereinigt, restauriert und wiederverwendet. Die Außenwände sind aus recycelten Balken konstruiert, die im Inneren in Form eines Fachwerks zutage treten.

 

 

Der Charme der Wohn-Mühle basiert auf der Kombination aus alten und neuen, historischen und modernen Elementen, wobei Holz das dominierende Material darstellt. Das Fassadenbild ist geprägt von einer bunten Mischung aus alten Holzbauplatten und neuen, teilweise geflämmten Brettern. In rhythmisierten Abständen wurden proportional abgestimmte Fensterelemente integriert, die zusammen mit den großzügigen Glasflächen im Erdgeschoss den Innenraum zur umgebenden Natur und zum Ackerland hin öffnen. Dank der mutigen und offenen Herangehensweise des Bauherren, konnte die ehemalige Mühle auf innovative Weise in einen behaglichen Wohnraum inmitten der Weite der polnischen Ebene umgewandelt werden.

 

Text: Linda Pezzei
Fotos: Rafał Chojnacki Fotografia Architektury

 

Kategorie: Projekte