Karst House mit Innenleben

1. Juni 2015 Mehr

 

Das Design dieses kleinen, kompakten Steinhauses korrespondiert mit den Bedürfnissen der Familie, die darin lebt. Gleichzeitig folgt es sowohl den jetzigen technologischen Prinzipien wie auch der Tradition der fast fensterlosen architektonischen Kleinbauten in der Region Slowenien. Entworfen von dekleva gregorič arhitekti für einen privaten Auftraggeber steht es in Vrholvje, ca. 25 km von der Küste und Triest entfernt im Landesinneren.

 

 

Die Architekten bezeichnen die Architektur als ‚Proto-Haus‘. Die äußere Form vermittelt einen monolithischen Eindruck, einfach, aus Stein und Beton, ohne irgendwelche architektonische Schnörkel oder Zierrat. Nur an drei Seiten befinden sich – im Vergleich zu dem Gesamtvolumen kleine – Öffnungen, ansonsten verwehrt sich der Körper eindringenden Blicken. Andererseits vermitteln aber die groben, aus – anscheinend – Fundsteinen aufgebauten und unverputzten Mauern etwas Heimeliges, eine Geborgenheit. Das Betondach mit seinem Sattel und an Schieferplatten erinnernden Stufenprofilen geht ansatzlos aus der Außenwand empor und verstärkt die Wirkung eines Steinblockes. Das ist das äußere Proto-Haus.

 

 

Innen sind zwei weitere hölzerne Proto-Häuser in das Volumen eingeschrieben. Verbunden sind sie in der Mitte durch eine gemeinsame, hölzerne Galerie. Das Erdgeschoss fungiert als öffentlicher und auch halb-öffentlicher Bereich mit teilweise großartigen Ausblicken in die Landschaft. Drei Fenster bieten Blicke – gegen Westen zu einer Bergkirche im benachbarten Italien, in den Wald im Süden und Richtung Eingangsebene nach Osten. Im Gegensatz dazu bietet die obere Ebene reine Privaträume und (ausschließlich) Blicke in den Himmel. Die zwei Holzvolumina bieten im Erdgeschoss Raum für die Küche und den Essplatz sowie das Badezimmer. Im Obergeschoss liegen das Eltern- und das Kinderschlafzimmer. Das „Haus-im-Haus“-Prinzip erlaubte es, jedes Schlafzimmer als eigenen, aus Holz gefertigten Körper zu behandeln, in dem man sich – literarisch oder symbolisch – wie im eigenen Heim und nicht wie in einem Zimmer fühlt. Die Brücke, die beide ‚Häuser‘ verbindet, stellt den Spielbereich der Kinder dar.

Das Projekt stellt die Frage nach den Charakteristika der anonymen volkstümlichen Architektur und gleichzeitig erzeugt es eine Beziehung zu einer zeitgemäßen Interpretation und dem daraus bedingten Anspruch einer Synthese. Die Neudefinition eines steinernen Daches der traditionellen Karsthäuser mit seiner Textur, Farbe, Materialität und seinen Stufen ist als zeitgemäße Betonausführung mit einem ziemlich technologischen Erfindungsreichtum ausgeführt. Die materialmäßig nicht unterscheidbare Verbindung zwischen Fassade und Dach, dieser ansatzlose Übergang ist der richtungsweisende Hinweis auf die traditionellen Karstdörfer.

Die Steine, die in den Beton während des Gießvorganges eingelegt wurden, erwecken bei den Wänden den Eindruck einer soliden, aus Bruchsteinen aufgebauten Mauer. Diese „Lowtech“-Methode hat Aljoša Deklevas Vater in den späten 70er Jahren in der Karstregion eingeführt. In einer 15 cm dicken Schicht der Fassade legt der Maurer zuerst eine Reihe von Steinen an der Außenschalung ein, mit der flachen Seite nach außen. Dann wird der Beton in die Schalung gegossen. Nach dem Ausschalen in ein oder zwei Tagen kann man eventuelle Betonkrusten vor den Steinen noch leicht entfernen, um die Oberflächen sichtbar zu machen.
Die schräge Decke im Innenraum ist geprägt vom Abdruck der Holzbretter, die für die Schalung des Daches verwendet wurden. Durch die stark sichtbare Holzmaserung verbindet sich die Decke optisch perfekt mit sämtlichen Inneneinbauten: Diese sind ausschließlich aus sogenannten Dreischichtplatten in Fichte hergestellt und mit einem transparenten Öl behandelt. Alle waagrechten Platten und Teile bestehen aus kreuzweise verleimtem Fichtenholz.

 

Karst House

Vrholvje, Slowenien
Bauherr: Privat
Planung: dekleva gregorič arhitekti
Statik: Luka Pavlovčič

Bebaute Fläche: 82,5 m2
Nutzfläche: 92 m2
Planungsbeginn: 2011
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 2014
Baukosten: 120.000 Euro

 

Karst

Die Region in Osteuropa, Kroatien, Slowenien, Griechenland, die heute als Karst oder verkarstet bezeichnet wird, war einst von dichten Eichenwäldern bewachsen. Die Venezianer holzten fast alles ab, um damit ihre Schiffe zu bauen und Städte an der Küstenregion zu errichten. Der Wind trug schnell den Humus ab und eine zerklüftete Felslandschaft blieb zurück. In dieser kargen Landschaft entwickelte sich die Tradition kleiner, aus Steinen errichteter, fast fensterloser Häuser. Sie ist bis heute aufrecht.
Text: Peter Reischer / Fotos: Janez Marolt

 

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Kategorie: Projekte