3D Print Canal House Amsterdam

6. Oktober 2016 Mehr

Bio-Plastikarchitektur für die EU.

Das holländische Büro DUS architects ist aufmerksamen Lesern unseres Magazins sicher schon einmal aufgefallen, und zwar als wir über 3D-Druck und dessen Möglichkeiten für die Architektur (architektur 7/2014 Seite 44) berichteten. DUS ist eines der ersten Büros, welches ein ganzes Haus aus dem 3D-Drucker errichten will – das 3D PRINT CANAL HOUSE auf dem EXPO-Gelände in Amsterdam.

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Das Projekt läuft noch und soll 2017 abgeschlossen werden. Es ist ein 3 Jahre dauerndes, öffentlich zugängliches „Research & Design by Doing“-Projekt. Dabei wird mit 3D-Druckern in Originalgröße ein typisches Grachtenhaus im Maßstab 1:1 in Amsterdam gedruckt und errichtet. Es soll die Bauindustrie revolutionieren und den Markt für maßgeschneiderte Wohnlösungen aus dem Drucker weltweit vorbereiten.

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Der Bauplatz ist eine ständig wachsende Ausstellung und man kann – gegen Voranmeldung – jederzeit eine Führung durch das wachsende Haus buchen. Die Rückmeldungen aus dem Publikum werden in den Baufortschritt eingebaut und beschleunigen und intensivieren so den Forschungs- und Fertigungsprozess. Es geht dabei auch um eine ständige Weiterentwicklung von, für den 3D-Druck verwendbaren, möglichst recycelbaren und biobasierten, nachhaltigen Materialien. Das Haus besteht aus vielen, gedruckten Einheiten. Jedes ist das Resultat einer Weiterentwicklung in Struktur und Material.

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Bereits in der ersten Jahreshälfte 2016 übernahm Holland für ein halbes Jahr turnusmäßig die EU-Präsidentschaft (zusammen mit Malta und der Slowakei). Der feierliche Auftakt fand in der Marineterrein (Marine Area) in Amsterdam statt. Hier versammelten sich die Spitzen der europäischen Politik in dem mobilen „Europe Building“ – einem Bauwerk, welches speziell für diesen Anlass errichtet wurde. Ein an und für sich nüchterner, kistenförmiger Bau, dessen Eingangssituation eine Stahlkonstruktion mit Glasfassade bietet. Wenn da nicht die Eingangsfassade, entworfen von eben diesen DUS architects wäre: Sie besteht aus einzigartigen, komplett aus Bioplastik erzeugten, im 3D-Druckverfahren hergestellten Elementen – das Material wird, nachdem die Präsidentschaft vorüber ist, komplett recycelt.

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Entsprechend der Tradition des Ortes (hier wurden früher Segelboote gebaut) und vielleicht auch der Historie der Holländer – ist der Eingang der Architektur teilweise mit einer spielerischen, an Segel erinnernden, Konstruktion verkleidet. Diese Konstruktion schafft eine Serie von kleinen Alkoven, welche EU-blaue Sitzbänke – selbstredend im 3D-Drucker hergestellt – beherbergen. Die gedruckten Module bauen sich aus runden und quadratischen Teilen auf, sie versinnbildlichen so auch die Varietät und auch die Gemeinschaft der Europäischen Union. In der Nacht werden die segelförmigen Ausbuchtungen der Fassade, welche die Sitznischen schützen, von pulsierendem blauen Licht erleuchtet und sowohl bei Tag wie auch bei Nacht, bieten sie recht gemütliche Sitznischen für Besucher.

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Jedes der Sitzelemente ist parametrisch designed und gestaltet und passt perfekt in den entsprechenden Alkoven hinein. Es sind Prototypen, die speziell für die EU-Präsidentschaft entworfen wurden. Gedruckt wurden sie vor Ort mit einem der XXL 3D-Drucker des 3D Print Canal House in Amsterdam. Diese Großformatdrucker können Elemente bis zu 2 x 2 x 3,5 Meter drucken. Die Bänke bestehen aus einem speziell entwickelten Bioplastik und die Sitz-oberfläche ist mit einem leicht eingefärbten Beton verfüllt und glatt geschliffen. Das Plastik wird am Ende der Präsidentschaft geschreddert, und kann wieder für weitere Drucke verwendet werden. Es ist das erste Mal, dass diese Technik und der XXL 3D-Druck im öffentlichen Bereich verwendet wurden.

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Das Projekt ist eine erste kommerzielle Nutzung eines Produktes aus dem 3D Print Canal House-Projekt und den Partnern der DUS architects. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich bereits Firmen am Markt etablieren, die spezielle Software und Programme entwickeln und programmieren, um XL 3D-Drucker ansteuern zu können. Das heißt, im Bereich des 3D-Druckes und der Nutzung für die Architektur ergeben sich Marktnischen, die neue Potenziale für die Wirtschaft und damit auch Arbeitsplätze bieten. Eines dieser in Amsterdam beheimateten Start-ups mit dem Namen Actual hat wesentlich zur parametrischen Entwicklung und Realisierung der EU-Sitzbänke aus Bioplastik beigetragen.

 

Fotos: ©Ossip van Duivenbode

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Kategorie: News, Projekte