London Design Museum

20. April 2017 Mehr

Vier + eine Fassade

London Design Museum / London / John Pawson, OMA, Allies and Morrison, Arup

 

Es handelt sich bei der Wiedereröffnung oder Neueröffnung des London Design Museum zwar schon um einen „ehrwürdigen“, aus den 60er Jahren stammenden Bau – er ist bereits „grade II listed“ in England – aber trotzdem sind die „Häute“ oder Fassaden dieser Architektur bemerkenswert. Vor allem die Dachkonstruktion erregt das Interesse der Besucher und hat sich bereits zu einem oft fokussierten Fotoobjekt entwickelt.
Am 24. November 2016 wurde das Haus in der Londoner Kensington High Street nach einem fünfjährigen Bauprozess wiedereröffnet. Das Museum hat durch die Investition von 97 Mio. Euro seine Fläche nun verdreifacht und die gesamte Struktur ist darauf ausgerichtet, eine führende Rolle in der Welt in Bezug auf zeitgenössisches Design und Architektur einzunehmen. Die Gestaltung der Innenräume hatte Architekt John Pawson übernommen. Dieser hatte sich schon vor seinem Architekturstudium einer eher östlich inspirierten, puristischen Einfachheit verpflichtet gefühlt. Nach dem Abschluss des Studiums realisierte er hauptsächlich Objekte, die in Verbindung mit Kunst standen (Galerien, Künstlerwohnungen und Ateliers).

 

London Design Museum

Das wiedereröffnete London Design Museum ist ein Schmuckstück, ausgestattet mit Einrichtungsgegenständen und Möbeln der wichtigsten Designer der Welt.  Seine Innenarchitektur stammt von John Pawson. Das spektakuläre Dach ist geblieben, ursprünglich war es von Robert Matthews entworfen worden. Es verbindet Architektur, Design, Technologie, Grafik und Kunst in einer zeitgemäßen Hülle.

 

Bei diesem Projekt haben einige der führenden Designer und Hersteller der Welt zusammengearbeitet, um einen neuen globalen Angelpunkt für zeitgenössisches Design zu schaffen. Die architektonischen und strukturellen Expertisen für die Außenfassade kamen von OMA, Allies and Morrison und Arup. Mit einer Liste von Teilnehmern, die sich wie das Who-is-who der Szene liest (Studio Myerscough, Universal Design Studio, Swarovski Foundation, Dinesen, Vitra, Vitsœ, Concord, Studio Fernando Gutierrez, Cart-lidge Levene) ist dieses Projekt ein herausragendes Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Inneneinrichtung hat Pawson neu gestaltet und eine Reihe von ruhigen, atmosphärischen Räumen, angeordnet um ein mit Eiche verkleidetes Atrium, geschaffen, dabei jedoch die wichtigsten Elemente des Gebäudes aus der Nachkriegszeit bewahrt.

Für den Prozess der Renovierung musste die gesamte Dachkonstruktion auf temporären Stahlstützen 20 Meter über dem Erdboden aufgebockt werden. Die Originalfassade ist durch eine doppelte Verglasung ersetzt worden – dadurch wird die Wärmedämmung signifikant verbessert und einem zeitgemäßen Standard angenähert. Außerdem kommt so mehr Tageslicht in die Innenräume. Die neue Außenhaut ist peinlich genau detailliert, um der ehemaligen blauen Gebäudehaut ähnlich zu sein. Die Positionierung der Fensterpfosten stimmt exakt mit den ursprünglichen überein und ein Muster aus aufgedruckten Punkten imitiert das alte Aussehen. Das neue Dach, das ja manchmal auch als die fünfte Fassade bezeichnet wird, stülpt sich nun wie ein origamiartiger Papierhut über den ansonsten ganz quadratischen Körper. Es besteht aus einer Stahlbetonkonstruktion, mit in den Feldern teilweise sichtbar liegenden Dämmplatten. Die eindrucksvollen Betonsparren des Daches spannen sich über die ganze Länge des Baus. Von zwei gegenüberliegenden Eckpunkten ausgehend, bilden sie eine eindrucksvolle Struktur im Himmel der Architektur.

 

London Design Museum

Die Untersicht der Dachhaut und die Betonbalken der Dachkonstruktion tragen maßgeblich zur faszinierenden Raumatmosphäre bei.

 

Ein neuer öffentlicher Platz mit Brunnen definiert den Eingangsbereich, die dazugehörige Landschaftsgestaltung stammt vom Büro „Urban Design and Landscape Architecture West 8“. Im Inneren findet sich der Besucher in einem großen zentralen Atrium mit überraschenden Blicken auf die ikonenhafte, parabolische Dachhaut. Galerien, Lernecken, Cafés, Eventbereiche und ein Shop sind, wie bei einer sich im Tagebau befindlichen Mine, im Hauptatrium verstreut. Der Besucher findet sich leicht zwischen diesen Bereichen zurecht und kann auch – beim einfachen Hinaufgehen auf den Eichenholztreppen – von oben alles entdecken, was das Gebäude zu bieten hat.

Zwei großzügig ausgelegte Galerien, eine im Erdgeschoss und die andere im Untergeschoss, bieten genügend Stellflächen. Beide sind zweigeschossig und von mit Texturen versehenen Stahlbetonsäulen getragen. Hier finden bis zu sieben Wechselausstellungen im Jahr statt. Der zweigeschossige Keller beherbergt auch die Sammlung des Museums hinter einem Glasfenster, welches es den Besuchern erlaubt, die dahinter befindlichen, momentan nicht ausgestellten Stücke zu betrachten. Auf dieser Ebene wird sich später auch das „Bakala“ Auditorium, das mit 200 Sitzplätzen genügend Raum für die öffentlichen Programme bietet, befinden.

 

 

Im Erdgeschoss ist die Kaffee- und Saftbar des Designmuseums, bis zu 40 Personen finden hier Platz. Genau gegenüber ist der Museumsshop mit Vitsoe1)-Regalen und den originalen Bleiglasfenstern von Keith New. Hier kann man von internationalen Magazinen über exklusive Designkollektionen bis zur Kunst alles finden.
Das Kernstück von Pawsons Design findet sich in den eichenen Stiegenhäusern. LED Streifen laufen entlang der Handläufe und Geländer. Sie bringen einen „theatralischen“ Aspekt in die Erfahrungen, welche der Besucher – geführt von den Lichtlinien hinauf zur obersten Ebene unter dem aufsteigenden Dach – macht. Bankähnliche Ledersitze auf einer Unterbrechung der Hauptstiege bieten eine komfortable Möglichkeit für die Besucher, bei ihrem Rundgang eine Rast zu machen. Im Untergeschoss und Erdgeschoss sind Terrazzoböden verlegt, sie leiten farblich zu den warm getönten Eichenböden und Wandpaneelen in den Obergeschossen weiter. Ein weiteres Schlüsselelement von Pawsons Designvokabular, eine Holzbank mit verdeckten Lichtelementen, erstreckt sich entlang einer Seite des sogenannten „Weston Mezzanins“. Die Bank befindet sich vor einer Reihe von Marmortafeln, die aus dem ursprünglichen Gebäude gerettet worden sind.

 

 

Von der obersten Ebene aus kann man Einblicke ins Erdgeschoss erhalten, gleichzeitig ist man in „greifbarer“ Nähe zum Dach. Hier befindet sich das Parabola-Restaurant, entworfen von universal design studio, genannt nach der signifikanten Dachform des Museums und es bietet sich ein herrlicher Blick auf den Holland-Park. Untertags als entspanntes Café und abends für Veranstaltungen zu benutzen, ist der Bereich mit Möbeln von Vitra und Artek gestaltet, mit einer skulpturalen Bierbar von Benchmark und einer Lichtgestaltung von Flos. Sämtliche Materialien, Texturen und Farben nehmen Bezug zum umgebenden Park und schaffen so eine Beziehung zwischen Innen- und Außenraum.

 

 

London Design Museum
London, Großbritannien
Bauherr: The Design Museum
Planung: John Pawson, OMA, Allies and Morrison, Arup
Statik: Arup

Grundstücksfläche: 10.000 m2
Bebaute Fläche: 2.725 m2
Nutzfläche: 8.500 m2
Planungsbeginn: 2012
Bauzeit: 5 Jahre
Fertigstellung: 2017

 
Text: Peter Reischer

Fotos: ©Gareth Gardner, Gravity Road, Hufton + Crow, Luke Hayes

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Kategorie: News, Projekte