3D-Druck von Gebäuden: Häuser in Schichtarbeit

20. Juni 2022 Mehr

Ende 2021 ist im niederösterreichischen Hausleiten hierzulande das erste Gebäude aus dem 3D-Drucker entstanden. Ein Jahr zuvor wurden in Deutschland die ersten Wohnhäuser „gedruckt“. Weitere sind in Planung. Werden Gebäude künftig von Robotern gemauert oder betoniert? Und was bedeutet das für Planer oder Handwerker?

 

Drucken statt mauern: Der 3D-Druck von Gebäuden verändert sowohl Prozesse beim Planen und Bauen als auch die Formensprache.
Drucken statt mauern: Der 3D-Druck von Gebäuden verändert sowohl Prozesse beim Planen und Bauen als auch die Formensprache. © PERI

 

Die additive Fertigung, auch „3D-Druck“ genannt, gehört zu den digitalen Schlüsseltechnologien. Im Flugzeug-, Fahrzeug- oder Maschinenbau sparen 3D-Druckbauteile schon seit Jahren Material, Gewicht und Kosten. Auch im Baubereich werden bereits Möbel, Fertigteile und sogar komplette Gebäude gedruckt – bisher allerdings eher experimentell. Erste Pilotprojekte, ein Wohnhaus im deutschen Beckum, ein Mehrfamilienhaus bei Ulm oder Österreichs erstes gedrucktes Gebäude im niederösterreichischen Hausleiten – ein rund 125 m2 großer Büroanbau des Bautechnologiekonzerns STRABAG – zeigen neue Wege auf.

 

Gebäude 3D-Druck - Gedrucktes Einfamilienhaus in Beckum
Gedrucktes Einfamilienhaus in Beckum © PERI

 

Ist Drucken das neue Bauen?

3D-Drucker sind von Programmen gesteuerte Roboter, die repetitive Arbeiten effizient erledigen können. Sie werden nie krank oder müde, arbeiten in stets gleichbleibender Qualität – sauber, exakt und schnell. Mit Programmen, CAD- oder BIM-Planungsdaten gefüttert, können sie Objekte fast völlig autonom drucken. Sie brauchen keine Pläne. Stattdessen übertragen sie Kon­struktionsdaten quasi im Maßstab 1:1 direkt auf die Baustelle, digital und ohne Medienbrüche. Das verspricht rationellere und wirtschaftlichere Bauprozesse, mehr Präzision und weniger Fehler am Bau. Außerdem entlasten 3D-Drucker Bauarbeiter von monotonen, körperlich anstrengenden und teilweise gefährlichen Arbeiten. Planern erschließt die additive Fertigung zudem neue Gestaltungsmöglichkeiten: So können mit konventionellen Fertigungsmethoden nicht oder nur sehr aufwendig herzustellende Objekte wirtschaftlich realisiert werden. Außerdem sorgt die 3D-Drucktechnik für eine Image-Steigerung und eine höhere Attraktivität von Bauberufen, was dem Fachkräftemangel ein Stück weit entgegenwirken könnte.

 

Ein rund 125 m2 großer Büroanbau des Bautechnologiekonzerns STRABAG ist Österreichs erstes gedrucktes Gebäude
Ein rund 125 m2 großer Büroanbau des Bautechnologiekonzerns STRABAG ist Österreichs erstes gedrucktes Gebäude. © STRABAG, PERI

 

Wie werden Häuser gedruckt?

Gebäude können sowohl in einzelnen Bauteilen in der Werkstatt gedruckt und anschließend nach dem Aushärten auf der Baustelle, ähnlich wie ein Fertighaus zusammengesetzt werden. Oder der komplette Gebäude-Rohbau wird nach einem etwa einstündigen Aufbau der Anlage von zwei bis drei Bedienpersonen an Ort und Stelle in wenigen Wochen gedruckt. Dabei werden ein- oder mehrgeschossige Gebäude additiv aus fließfähigen, nach dem Erhärten statisch belastbaren Materialien Schicht für Schicht aufgebaut. An das Druckmaterial werden besondere Anforderungen gestellt: Es muss durch Rohrleitungen und die Druckkopfdüse gepumpt werden können, aber auch schnell härtend sein, damit es für den nächsten Schichtauftrag stabil genug ist. Außerdem müssen sich die Schichten gut miteinander verbinden und im erhärteten Zustand muss ein gedrucktes Bauteil ebenso statisch belastbar sein wie herkömmliche Baustoffe. Für den Druck von Gebäuden werden derzeit vor allem eigens dafür entwickelter Spezialbeton, aber auch Lehm und Schlamm, teilweise unter Zugabe von recycelten Materialien verwendet. Armieren lässt sich das Druckmaterial mit beigemengten organischen oder anorganischen Stoffen oder mit einer manuell eingebrachten Eisenbewehrung. Für die Wärmedämmung sorgt beispielsweise eine Dämmschüttung, die in eine mit Edelstahlankern verbundene zweischalige Außenwandkonstruktion nachträglich eingebracht wird und damit für die Einhaltung von Energiestandards sorgt. Die Wände können gleich geglättet und in einem nächsten, manuellen Arbeitsgang verputzt und gestrichen werden. Tragende horizontale Bauteile wie Decken oder Stürze können allerdings nicht oder nur sehr umständlich gedruckt werden. Deshalb kommen unterschiedliche Deckenkonstruktionen zum Einsatz, beispielsweise konventionelle Holzbalkendecken oder vorgefertigte, bewehrte Fertigbetonplatten mit bereits integrierten haustechnischen Installationen für Lüftung oder Elektro und einer Ortbetonschicht. Treppen werden entweder nachträglich aus Holz oder Stahl konventionell gefertigt und montiert oder als Betonfertigteile geliefert und eingebaut, weil der Druck und die Bewehrung der tragenden Treppenläufe zu aufwändig ist. Türen und Fenster werden konventionell eingebaut, wobei beim Einbau die besonderen drucker- und materialabhängigen Oberflächen und Maßtoleranzen des Rohbaus berücksichtigt werden müssen.

 

Gebäude 3D-Druck - Krankonstruktionen können vor allem runde Objekte sehr schnell und effizient drucken.
Krankonstruktionen können vor allem runde Objekte sehr schnell und effizient drucken. © WASP

 

Womit werden Häuser gedruckt?

Gebäudebauteile und erst recht komplette ein-, zwei- oder mehrstöckige Gebäude setzen große Bauräume voraus, die etwas größer sein müssen, als das zu fertigende Objekt. Deshalb ähneln für den Baubereich konzipierte 3D-Drucker häufig dreiachsigen Kran- oder Portalkran-Konstruktionen, mit einem an der „Laufkatze“ oder an Führungsstäben montierten Druckkopf. Daneben gibt es auch auf einer Autobetonpumpe basierende Konzepte, bei denen der Druckkopf mit Hilfe von Schrittmotoren und einer Steuerung präzise entlang einer vorgegebenen Kontur geführt wird. Der angelieferte Spezialbeton oder das auf der Baustelle vorhandene und aufbereitete Baumaterial (z.B. Sand, Lehm, Schlamm oder Recycling-Material) wird aus einer Düse schichtweise aufgebracht und erhärtet selbstständig. Ist eine Schicht fertig, wird der Druckkopf angehoben, anschließend fährt er die Kontur erneut nach. Auf diese Weise entstehen schichtweise von unten nach oben alle Außen- und Innenwände inklusive aller Wandöffnungen, Aussparungen, senkrechten Wandschlitze und Durchbrüche. Für den Fertigteil- oder Bauwerksdruck eingesetzt werden auch Einarm-Roboter mit wenigen Metern Reichweite, die nur Teilbereiche drucken und anschließend versetzt werden müssen. Dafür können sie mit oder ohne Schalung auch schräge Flächen drucken. Häufiger sind Krandrucker, die sich vor allem für runde Objekte mit einem Radius von etwa 7 Metern eignen sowie Portalkran-Konstruktionen mit Bauformaten von zum Beispiel
15 x 10 Metern (Breite x Höhe, bei beliebiger Länge). Gängige Druckgeschwindigkeiten liegen zwischen 25 und 100 Zentimetern pro Sekunde, die Druckkopf-Spurbreiten zwischen 3 bis 10 Zentimetern, die Schichtdicken betragen etwa 1 bis 3 Zentimeter. Die Oberflächenqualität hängt ab von den Fertigungstoleranzen des 3D-Druckers, der dreidimensionalen Druckerauflösung und vom verwendeten Druckmaterial.

 

Beton 3D-Druck - Runde Ecken und Betonwülste sind für den 3D-Druck charakteristisch – in die Zwischenräume wird später Dämmung oder Ortbeton eingebracht.
Runde Ecken und Betonwülste sind für den 3D-Druck charakteristisch – in die Zwischenräume wird später Dämmung oder Ortbeton eingebracht. © PERI

 

Wie werden 3D-Druckdaten erstellt?

Die für den Druck benötigten Gebäudemodelldaten für Neubauten werden mit CAD- oder BIM-Programmen erstellt. Auch bestehende Objekte können reproduziert werden, indem sie mit 3D-Scannern erfasst und anschließend in 3D-Druckdaten überführt werden. Da die Druckdaten direkt aus dem Gebäudemodell erzeugt werden, muss bei der Planung auf eine saubere Kon­struktion der Gebäudebauteile geachtet werden. 3D-Druckverfahren setzen geometrisch korrekt konstruierte Innen- und Außenflächen sowie vollständige, eindeutige und fehlerfreie Baukörpervolumina voraus. Übergeben werden die Modelldaten im 3D-Druck-Standardformat STL (STereoLitography). STL unterstützen derzeit allerdings vorwiegend designorientierte CAD-, Modellier- und Rendering-Programme. Weitere 3D-Druck-kompatible Datenformate sind STEP, IGES, 3DS, OBJ oder VRML. In vielen Fällen ist eine Aufbereitung und Korrektur oder gar eine komplette Neuerstellung der Gebäudegeometrie erforderlich. Deshalb wird der 3D-Hausdruck häufig als Komplettservice inklusive Datenaufbereitung von Dienstleistern, 3D-Drucker- oder Bauproduktherstellern wie Cobod, Peri oder Wasp (siehe auch Infokasten) angeboten.

 


Einarm-Roboter können aufgrund ihrer Freiheitsgrade auch komplexe Formen und schräge Flächen drucken. © KUKA

 

Worauf sollten Planer und Handwerker achten?

Besonders herausfordernd für Planer sind derzeit ungeklärte Fragen rund um das Baurecht, die Materialzulassung und Standsicherheit gedruckter Gebäude. Da aktuell keine Richtlinien für den 3D-Hausdruck existieren, beruhen Baugenehmigungen aktueller Pilotprojekte auf Einzelfallentscheidungen. Beim Entwurf und der Werkplanung müssen die Besonderheiten des 3D-Druckverfahrens berücksichtigt werden (mehrschaliger Wandaufbau, Detailausbildung, Matetial-/Bauteilanschlüsse etc.). Auf der Baustelle muss dafür gesorgt werden, dass stets „Naß-in-Naß“ gedruckt wird, damit sichergestellt ist, dass sich die einzelnen Schichten stabil genug miteinander verbinden können. Auch für Rohbau- und Ausbaugewerke bringt die 3D-Drucktechnik einige Änderungen mit sich: Anstelle anstrengender körperlicher Mauer-, Schal- und Betonierarbeiten tritt eine eher überwachende Tätigkeit, die für störungsfreie, reibungslose Abläufe sorgt. Einfacher wird es auch für das SHK- und Elektrohandwerk, weil nachträglich keine Wandschlitze oder Öffnungen mehr gestemmt werden müssen. Bereits während des Druckvorgangs können nicht nur Öffnungen für Fenster und Türen, sondern auch Durchbrüche, Aussparungen und Schlitze für später zu verlegende Leitungen und Anschlüsse für die Gebäudetechnik berücksichtigt werden. Wo beispielsweise eine Steckdose oder ein Wandschlitz geplant ist, stoppt der Drucker und beginnt dahinter neu. Auch Leerrohre können während des Druckvorgangs eingelegt und Kabelkanäle für die Elektrik mitgedruckt werden. Das gilt auch für den Innenausbau: So können etwa Unterkonstruktionen für Sanitärobjekte wie Badewannen und Waschbecken mit dem Rohbau ebenso gedruckt werden, wie alle immobilen Ausbauelemente: beispielsweise Tresen, Empfangstheken, Kücheninseln oder Wandregal-Wangen. Diese müssen anschließend nur noch mit einer Platte abgedeckt oder mit Fachböden versehen werden. Mindestdicken oder -stärken der Druckobjekte, Fertigungstoleranzen und Oberflächenqualitäten stellen dabei allerdings eine Herausforderung dar. Auch saubere Eckausbildungen sind fertigungsbedingt nicht möglich. Insbesondere Außenecken weisen stets einen Mindestradius auf, der etwa dem Radius der Druckkopfdüse entspricht. Damit alle relevanten Gewerke beim Druckprozess berücksichtigt werden können, ist eine ganzheitliche Sicht des Bauprozesses und frühzeitige Absprache mit dem für die Gesamtplanung verantwortlichen Architekten notwendig. Die BIM-Planungsmethode bietet dafür ideale Voraussetzungen, denn sie stellt neben dem 3D-Modell eine intensive Koordination aller Projektbeteiligten in den Mittelpunkt.

 

Gebäude 3D-Druck - Mit einer Mischung aus Lehm, Schlamm und Sand gedrucktes Wohnhaus TECLA
Mit einer Mischung aus Lehm, Schlamm und Sand gedrucktes Wohnhaus TECLA. Siehe auch architektur Fachmagazin Ausgabe 5/21 oder https://www.architektur-online.com/projekte/wie-gedruckt. © WASP

 

Eine Bautechnik mit viel Potenzial

Der 3D-Druck von Gebäuden steht erst am Anfang. Das Potenzial und die Grenzen dieser Technik werden gerade erst ausgelotet. Welche Folgen der 3D-Druck für Bauprozesse, Baustellenabläufe und Berufsbilder haben wird, ist noch nicht absehbar. Die additive Fertigung eröffnet neue Kreativitätsfreiräume, minimiert den Personalaufwand und kann zur Ressourcenschonung beitragen, weil nur das für den Druck benötigte Material verbraucht wird. Außerdem können auch recycelte Baustoffe oder an Ort und Stelle vorhandene Materialien wie Lehm oder Schlamm verwendet werden. Der 3D-Druck von Recycling-Material ist derzeit noch eine technische und logistische Herausforderung, angesichts der zunehmenden Rohstoffverknappung aber auch eine Chance für den 3D-Gebäudedruck.

 

Gebäude 3D-Druck - Auch die Inneneinrichtung kann teilweise mitgedruckt werden.
Auch die Inneneinrichtung kann teilweise mitgedruckt werden. © PERI

 

Anbieter für 3D-Gebäudedruck
https://xtreee.com, www.3dwasp.com, www.apis-cor.com, www.batiprint3d.com, www.cobod.com, www.contourcrafting.com, www.cybe.eu, www.dshape.wordpress.com, www.iconbuild.com, www.peri.de, www.winsun3d.com
siehe auch: www.3dnatives.com/de/3d-druck-haeuser-unternehmen-hersteller-170620191/

Link- und Literaturhinweise
www.3d-grenzenlos.de – Online-Magazin, Dienstleister etc.
www.3dnatives.com/de – Nachrichten, Infos, Übersichten
www.3druck.com – Online-Magazin
www.wikipedia.de – Suche: 3D-Druck im Bauwesen
am.vdma.org – VDMA-AG Additive Manufacturing

[1] Goldmann, M.: Betondruck: Deutschlands erstes Wohnhaus aus dem 3D-Drucker, aus: DAB 11/2020, Hamburg, Download: www.dabonline.de/2020/11/26/haus-3d-drucker-betondruck-deutschlands-erstes-wohnhaus-gedruckt-beckum-beton-peri/
[2] Grasser, G.: Anwendungsmöglichkeiten des 3D-Betondrucks im Bauwesen, aus: OIB aktuell 2/2021, Österreichisches Institut für Bautechnik, Wien, Download: www.philippaduatz.com/wp-content/uploads/2021/03/61.pdf
[3] PERI (Hrsg.): Bauen neu gedacht. PERI 3D-Betondruck in der Architektur, Weißenhorn, 2020, Download: www.peri.de/produkte/3d-betondruck.html

 

 

Text: Marian Behaneck

 

 

Kategorie: EDV, Kolumnen