Design auch wieder aus der Welt schaffen
Interview mit Designer Dr. Harald Gründl – Mit ihren Produkten möchte das Designteam EOOS die Welt in eine positive Zukunft lenken. Harald Gründl betont dabei die Wichtigkeit des fächerübergreifenden Denkens und von Kreisläufen.
Ist Design eher etwas künstlerisches oder funktionales?
Die künstlerische Konnotation von Design kommt eher aus der Vergangenheit und stellt eine sehr elitäre Wahrnehmung dar. Die frühere Zuschreibung des Designs zur angewandten Kunst umfasst beide Begriffe. Heute ist es nicht auf eine spezifische Berufsgruppe eingrenzbar, sondern ein kooperativer Prozess. Designprozesse sind interdisziplinär und stammen nicht von einer Einzelperson, die im Atelier hinter einem Schreibtisch sitzt und sich etwas ausdenkt. Durch Partizipation können komplexe Probleme entsprechend gelöst werden, was ja auch auf die Architektur zutrifft.
Was kann in Zukunft als Maßstab für gutes Design gelten?
Weltverträglichkeit. Um das zu erreichen darf man sich nicht nur einzelne Dinge anschauen, sondern ganze Lebensstile. Es geht darum, wie uns das Ding hilft, ein gutes weltverträgliches und solidarisches Leben zu führen. Die Beurteilung des Dinges an sich ist dabei nicht relevant, sondern die Beziehung, die es zu anderen Dingen hat. Es kann ein Ding sein, das schlecht ist, wenn es mir gehört, aber es kann gut sein, wenn ich es mit anderen teile.
Die Weltverträglichkeit ist also bei EOOS die wichtigste Grundlage?
Genau, je nach Kontext, in dem wir gerade arbeiten, kann das beispielsweise auch die Langlebigkeit sein. Sie stellt einen Unterbegriff von Weltverträglichkeit dar. Was kurz lebt, schnell weggeworfen wird und wofür es noch kein kreislauffähiges System gibt, fällt nicht unter diesen Begriff. Die Langlebigkeit ist ein wichtiges Kriterium für viele unserer Projekte.
Was machen Sie, damit ihre Produkte die Zeit überstehen?
Das ist eine Frage des schönen Alterns und des modisch Seins zu einer bestimmten Zeit. Wir arbeiten in einem Designsegment, wo Mode nicht in dieser Kurzlebigkeit auftritt wie in anderen Bereichen wie beispielsweise Kleidung, obwohl es auch für Möbel gewisse Moden gibt. Auch Dinge, die lange eine Bedeutung haben, sind auch nicht immer unter dem Begriff „zeitlos“ einzuordnen. Nichts ist zeitlos. Bei EOOS entwickeln wir Dinge aus unserer Haltung und unseren Werten heraus mit Firmen, die diese teilen. So entstehen dann Dinge, die länger Bestand haben. Etwas zeitlos zu nennen, ist hohe Spekulation, denn viele „zeitlosen“ Designklassiker waren damals radikal und haben mit gängigen Wahrnehmungen gebrochen. Sie bestehen nicht dadurch, dass sie damals zeitlos waren, sondern mit ihrer Zeit gebrochen haben.
Sie finden es also nicht notwendig, immer die neuesten Produkte zu haben?
Am Ende zählt die Gesamtbilanz eines Lebensstils. Wie die individuellen Schwerpunkte dabei gesetzt werden ,überlasse ich jedem selbst. Insgesamt müssen wir so leben, dass es sich für alle ausgeht. Es wäre wichtig, ein Feedback für den eigenen Lebensstil zu bekommen, um zu sehen, ob dieser ökologisch und sozial verträglich ist.
Bei der diesjähringen Vienna Biennale for Change 2019 zeigen EOOS bei ihrer Ausstellung „KLIMAWANDEL! Vom Massenkonsum zur nachhaltigen Qualitätsgesellschaft“ fünf Designinstallationen, die diese Transformation unterstützen können.
© Stefan Lux/MAK
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie?
Diesem Wort sind wir mittlerweile schon ein bisschen überdrüssig geworden, auch weil es von der Werbung ständig für Greenwashing verwendet wird. Bei der Nachhaltigkeit geht es um das maßvoll sein und auch um ein Denken über Generationen hinaus. Sie bezieht sich auf unser heutiges Wirken und setzt es in Relation zu zukünftigen Generationen.
Wo kann das Design der Zukunft eine Inspirationsquelle finden?
In der Natur gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Lösungen, die die Erde aber über all die Jahre nicht kaputt gemacht haben. Das Kreislaufdenken in der Wirtschaft ist im Grunde durch die biologischen Kreisläufe der Natur inspiriert. Auch für das Design und die Architektur ist es wichtig, den Kreislauf fertig zu denken. Man soll sich nicht nur überlegen, wie man Dinge in die Welt schafft, sondern auch wie man sie wieder aus der Welt schafft. In Australien muss für neue Gebäude auch wieder ein Plan hinterlegt werden, wie man es wieder weg bekommt. In einem kleineren Maßstab wird das auch für Design notwendig sein. Für Materialien muss ein Bewusstsein geschaffen werden, wo diese herkommen, unter welchen Bedingungen diese hergestellt werden und ob sie später ein zweites Leben haben können. Dieses von der Natur inspirierte Wirtschaftsdenken in Kreisläufen muss in Design und Architektur ganz schnell Einzug halten.
Welche Aufgaben wird dann Design in der Zukunft zu erfüllen haben?
Es muss uns klarmachen, dass unsere Zukunft nicht alternativenlos ist, wie uns das die Politik und Wirtschaft zum Teil weismachen möchte. Es gibt viele Alternativen für alle Bereiche unseres Lebens. Design ist ein wunderbares Werkzeug, um uns Menschen zu zeigen, welche Zukünfte vor uns liegen. Bestimmte Zukünfte sollen dadurch zur Diskussion gestellt und gesellschaftliche Prozesse sollen angestoßen werden. Unsere aktuelle Ausstellung im MAK, die mit „Klimawandel“ übertitelt ist, versucht genau das. Wir müssen jetzt Formen und auch Institutionen schaffen, durch die wir unsere Zukunft verhandeln können. Design ist dafür das Werkzeug. Es soll auch spekulative Zukünfte in den Raum stellen, wo wir gemeinsam als Gesellschaft herausfinden und diskutieren können, wo wir hin wollen.
Sehen Sie der Zukunft positiv entgegen?
Die Zukunft ist das, was wir daraus machen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Design ist es, die gesellschaftliche Rolle ernst zu nehmen. Die Transformation vom Massenkonsum zu einer nachhaltigeren Gesellschaft soll es aktiv mitgestalten und Lösungen in den Raum stellen. Wir müssen kritisch sein und auch bleiben, vielleicht sogar noch kritischer werden. Wenn das Design lediglich einer Marktlogik folgt, würde diese transformative Kraft nicht entfaltet werden können. Leider muss man sagen, dass in der Wirtschaft kurzfristiges Handeln und das nicht Abgehen von alten Geschäftsmodellen einem Wandel extrem im Weg stehen.
Was ist für Sie ein Leitprojekt für die Zukunft?
Eine Grundbedingung für ein Leitprojekt für die Zukunft ist ein vernetztes und systematisches Denken über die Disziplin hinaus. Abstrakt gesehen soll es schnell diesen Wandel hin zu einer Kreislaufgesellschaft ermöglichen. Gute Lösungen müssen vielen Menschen schnell zugute kommen. Alte Geschäftsmodelle müssen neu gedacht werden, obwohl Copyrights und Patente sicher noch länger existieren werden. Für EOOS ist dabei ein Projekt ganz wichtig, an dem wir seit fast zehn Jahren mit der Bill & Melinda Gates Foundation arbeiten: eine Toilettenlösung, bei der der Urin in der Toilette abgetrennt wird. Dieser kleine Schritt hat große Auswirkungen, denn man kann ihn dazu benutzen, um weniger Dünger zu verwenden und in weiterer Folge gibt es dadurch weniger Stickstoffeintrag in die Flüsse. Mit einer Reform hin zu einer biologischen Landwirtschaft würden wir den Einsatz von künstlichen Dünger zukünftig vermeiden können. Man sieht, dass eine kleine Sache riesengroße Auswirkungen haben kann und das nur, weil man sie systemisch denkt. Alle Projekte, die dem Klimawandel, der Umweltzerstörung und der sozialen Ungleichheit Lösungen gegenüberstellen, sind Leitprojekte für die Zukunft. Es braucht neue Akteure, ein fächerübergreifendes Denken und ein kritisches Auge auf die aktuellen Geschehnisse. Unsere schwierige Situation ist nicht unveränderlich. In diese haben wir uns jetzt hineingebracht, aber da kommen wir mit der Kreativität von allen wieder hinaus und dazu zählen eben nicht nur Designer.
Die Zukunft des Designs/Design der Zukunft ist für mich …
weltverträglich.
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Interview: Alexandra Ullmann
Kategorie: Architekten im Gespräch, Kolumnen