Die Verbauung der Wiener Steinhofgründe
Bereits seit mehr als 30 Jahren steht der Freiraumcharakter des Wiener Naherholungsgebiets der Steinhofgründe auf dem Spiel. Das Gelände beinhaltet nicht nur weitläufige Grünflächen und die 1907 eröffneten Gebäude des Sozialmedizinischen Zentrums Baumgartner Höhe, sondern auch die Otto-Wagner-Kirche als wichtiges Kulturerbe. Aufgrund der einzigartigen Struktur werden dem Areal von Experten mittlerweile schützenswerte Eigenschaften zugeschrieben. Wenn es nach der Stadt Wien geht, wird der einzigartige Charakter des Otto-Wagner-Spitals allerdings bald der Vergangenheit angehören.
Obwohl die Verbauung der Fläche bereits 1981 in einer Volksbefragung abgelehnt wurde, ist die Wiener Stadtplanung immer noch der Überzeugung, dass das Gebiet auf der Baumgartner Höhe um ein paar Gebäude reicher werden sollte.
Während der letzten vier Jahre nahmen die Pläne zur Umgestaltung des Otto-Wagner-Spitals schließlich konkrete Formen an. Nicht weniger als 600 Wohneinheiten sollten von der GESIBA ursprünglich auf dem Gelände im 14. Wiener Gemeindebezirk geschaffen werden. Konkret wurde hierbei die Realisierung von teuren Luxus-Wohnungen, welche den heutigen Standort des Sozialmedizinischen Zentrums zum Prestige-Objekt machen sollte, angestrebt.
Der forcierte Verbau der grünen Fläche wurde jedoch gestoppt. Die Stadt musste ihr Vorhaben nicht zuletzt aufgrund des Widerstandes von gleich zwei Bürgerinitiativen auf Eis legen. Durch Maßnahmen wie die ‚Lichterkette für die Erhaltung von Steinhof‘ machten über 65.000 Einwohner Wiens auf ihren Unmut aufmerksam. Einen Protest dieses Ausmaßes konnte die Politik nicht mehr ignorieren, sodass Bürgermeister Michael Häupl den Bau stoppte und das Konzept zur weiteren Überarbeitung bestimmte.
Doch selbst nach einem monatelangen Mediationsverfahren wurden nur wenig zufriedenstellende Ergebnisse erzielt. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Wiener Stadtplanung nicht von einem Projekt, welches den Neubau mehrerer Gebäude beinhaltet, abweichen will. Vier Architekturbüros haben Vorschläge zur zukünftigen Nutzung vorgebracht. Ausgewählt wurde schließlich ein Entwurf, welcher für das Ost-Areal den Zubau von elf Gebäuden, in denen voraussichtlich 160 Wohneinheiten realisiert werden, vorsieht. Über die genaue Nutzung der Objekte herrscht derzeit allerdings noch Uneinigkeit, wobei zuletzt die Idee geäußert wurde, in den neuen Gebäuden ‚Betreutes Wohnen‘ anzubieten.
Doch auch der stark abgespeckte Plan löst bei den Bürgerinitiativen berechtigterweise keine Begeisterung aus. Dies liegt vor allem daran, dass dieser nicht vollständig durchdacht und somit lediglich als Mittel zur Besänftigung der Gemüter erscheint.
Rettete die Bürgerinitiative den Steinhof?
Das Otto-Wagner-Spital muss ungeteilt in öffentlichem Besitz bleiben! – so lautet das Hauptanliegen der Bürgerinitiative ‚Steinhof erhalten‘. Mit dieser Forderung wird die Befürchtung angesprochen, dass das Gelände nach dem Bau von Wohnobjekten der Allgemeinheit weitgehend vorenthalten wird.
Erwähnenswert ist in diesem Kontext die Tendenz der Stadt Wien, aus öffentlichen Grünflächen einen, so genannten, halbprivaten Raum zu machen. Als halbprivate Grundstücke bezeichnet man Flächen, die zwar – rechtlich gesehen – von allen Personen betreten werden dürfen, aber die aufgrund der städtebaulichen Struktur in erster Linie den Anrainern zur Verfügung stehen. Hierunter fallen beispielsweise Wege, wie sie auch beim Versorgungsheim Lainz im 13. Wiener Gemeindebezirk geschaffen werden sollen. Das derzeitige Geriatriezentrum am Wienerwald, welches über eine ähnliche architektonische Struktur wie das Otto-Wagner-Spital auf der Baumgartner Höhe verfügt, wird ab 2015 nämlich zu einer Parkstadt umgeplant. Im Zuge der Neugestaltung soll das derzeit noch frei zugängliche Areal abgesperrt und die Bewohner Hietzings mit Durchgängen abgespeist werden – laut Bezirksvorsteher Heinz Gerstbach, handelt es sich hierbei um eine ‚akzeptable‘ Lösung.
An diesem Beispiel lässt sich erkennen, dass die Befürchtung der Anrainer bezüglich der Steinhofgründe nicht allzu weit hergeholt ist.
Die Bürgerinitiative will aber nicht nur eine Verbauung des Grünraumes in den Steinhofgründen verhindern, sondern ebenso eine Restaurierung der bestehenden Gebäude erwirken. Letzteres trifft vor allem beim Experten Christoph Luchsinger auf Zustimmung. Durch eine Überholung der historischen Bauwerke würden die Objekte vor dem Zerfall geschützt und dadurch der individuelle Charakter der Baumgartner Höhe erhalten bleiben.
Zwar konnte der Einspruch engagierter Bürger die Umsetzung einer großen Bausünde verhindern, trotzdem stellt sich in diesem Kontext die Frage, ob die drohende Bebauung nicht den Grundstein für eine drastischere Umgestaltung des derzeit noch dünn besiedelten Ortsteils legt.
Die Folgen einfallsloser Planungspolitik
Die Wiener Planungspolitik ist mittlerweile dafür bekannt, dass sie dem finanziellen Vorteil von Bauprojekten bisweilen Gebiete von hohem gestalterischen und historischen Wert opfert. Ohne Rücksicht auf Verluste werden Hochhäuser zwischen gründerzeitlichen Bauten platziert, Shoppingcenter neben Einkaufsstraßen gebaut und Grünflächen zu Bauland umgewidmet.
Derzeit sieht es ganz danach aus, als würden sich die Steinhofgründe ebenfalls in die Ränge, der vordergründig finanziell motivierten Projekte einreihen.
Was nicht nur den engagierten Bewohnern der Bürgerinitiative am jüngsten Entwurf negativ auffällt, ist die Tatsache, dass die Bebauung vor Festlegen einer konkreten Nutzung erfolgen soll. Der Mangel an Ideen seitens der Raumplanung zeigt auf, dass weder von der Bevölkerung noch von der Stadt Wien aus, Bedarf an neuen Bauobjekten besteht. Es hat also ganz den Anschein, als handle es sich bei diesem Konzept um einen Versuch, Profit aus einem schützenswerten Freiraum zu schlagen. Diese Art der planerischen Kurzsichtigkeit kann auf lange Sicht jedoch unerwünschte Nebeneffekte haben.
Als Negativbeispiel ist in diesem Kontext die verfehlte Nutzung der Gasometer in Wien Simmering zu nennen. Anstatt die einzigartige Konstruktion der denkmalgeschützten Gebäude für Funktionen zu nutzen, welche das Vermächtnis der ‚Geschichte Stadt‘ einem breit gefächerten Publikum zugänglich machen, beinhalten diese heute kleine, viel zu dunkle Wohnungen. Dass einer der ehemaligen Gasbehälter obendrein ein Dasein als gescheiterte Version eines Einkaufszentrums fristen muss, verdeutlicht das Ausmaß dieser Fehlplanung.
Beim Gelände des heutigen Otto-Wagner-Spitals erweisen sich auch die derzeitige Erschließung durch den öffentlichen Verkehr und der Mangel an Nahversorgern für den Bau mehrerer Wohneinheiten als ungünstig. Lediglich eine Buslinie befördert die Menschen in ein dichter verbautes Ortsgebiet mit Einkaufsmöglichkeiten.
Daraus lässt sich schließen, dass die Errichtung der elf Gebäude weitere Bautätigkeiten nach sich ziehen und das derzeitige Wohngebiet Schritt für Schritt einer massiven städtebaulichen Verdichtung unterzogen wird. Auf lange Sicht fördern solche Maßnahmen das Ausufern der Verbauung bis in die grünen Zonen am Stadtrand. Dadurch erhöht sich das Verkehrsaufkommen, was nicht nur die Befürchtungen der Anrainer bestätigt, sondern auch sämtlichen Prinzipien der heutigen Raumplanung widerspricht.
Text: Dolores Stuttner
Kategorie: Architekturszene, Kolumnen