BIM-Praxis

14. April 2015 Mehr

 

Ohne Engagement kein BIM

Über Building Information Modeling (BIM) wird häufig eher aus theoretischer Perspektive berichtet. Welche Erfahrungen haben Büros bisher gemacht, die BIM bereits praktisch einsetzen? Mit welchen Anfangsproblemen hatten sie zu kämpfen? Was sind die tatsächlichen Vorteile im Planeralltag und wo „hakt“ es noch?

In der Theorie hat die neue Arbeitsweise des Building Information Modeling nur Vorteile: Eine höhere Termin- und Kostensicherheit, eine effizientere Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten, eine lebenszyklusorientierte Planung und nicht zuletzt mehr Planungs-, Ausführungs- und Nutzungsqualität (siehe auch: Rationeller planen, bauen und nutzen, architektur 8/2014). In der Praxis resultieren aus der neuen, integrierten Arbeitsmethode allerdings auch viele Fragen: Wie groß ist der Umstellungsaufwand, insbesondere für zweidimensional planende Ingenieurbüros? Wie hoch ist der Schulungs- und Investitionsaufwand für neue Softwarewerkzeuge? Lohnt sich dieser Aufwand auch für kleine und mittlere Büros mit den entsprechenden Projekten? Die  Antworten  von drei Architektur- und Ingenieurbüros unterschiedlicher Größe und Ausrichtung auf diese und weitere Fragen machen deutlich, dass BIM noch ein Stück weit entfernt ist vom Idealbild und dass die Probleme, wie so häufig, im Detail stecken.

 

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ATP architekten ingenieure

Beim international tätigen Gesamtplaner ATP architekten ingenieure aus Innsbruck wird BIM konsequent für sämtliche Projekte eingesetzt. Das heißt, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Vorplanung nach Leistungsphase 2 ein gemeinsames digitales BIM-Gebäudemodell für die integrale Planung der Bereiche Architektur, Tragwerksplanung und technische Gebäudeausrüstung verwendet wird. Ob es sich um einen Hotelkomplex, eine Fabrikanlage oder ein kleines Empfangsgebäude handelt, spielt dabei keine Rolle. Grundsätzlich sieht der „BIM-Standard“ des Unternehmens die Verwendung eines spezifischen Programmpaketes vor. Es gibt jedoch auch industrielle Auftraggeber, die in Bezug auf die zu verwendende  Software bzw. Datenformate eigene Vorgaben machen, die dann natürlich auch erfüllt werden. Eine integrale Planung, wie ATP sie praktiziert, bewegt sich zwar innerhalb der Planungsbereiche des Unternehmens in einer einheitlichen Datenumgebung, in der simultan gearbeitet wird, ohne, dass Planstände ausgetauscht werden müssen. Dennoch wird das dabei generierte digitale Gebäudemodell in geeigneten Datenformaten bedarfsgerecht an externe Planungsbeteiligte oder den jeweiligen Auftraggeber übergeben und auch wieder in das bürointerne BIM-Modell zurückgespielt. Künftig wird auch die  Modellübergabe an die ausführenden Unternehmen und somit ein echtes „Big BIM“ ermöglicht. Qualitätsvorteile der neuen Arbeitsweise sieht das Unternehmen in der Kollisionskontrolle, die durch eine integrale und simultane Planung von Architektur, Tragwerk und Haustechnik ermöglicht wird. Zu den weiteren Vorteilen zählen Effizienzgewinne für die Planung, etwa durch das parametrische Planen und freie Schnittführungen sowie Massenermittlungen aus dem Gebäudemodell. Auftraggeber schätzen die Möglichkeit der räumlichen Visualisierung. Bauablaufsimulationen und teilautomatisierte Ausschreibungserstellung werden zukünftig ebenfalls eine größere Rolle spielen. In der Regel werden die Fachplanungen der technischen Gebäudeausrüstung und der Tragwerksplanung durch das Unternehmen selbst erbracht. In Einzelfällen wird jedoch auch ein Planstand als IFC-Datei ausgelesen und an externe Beteiligte übergeben bzw. zurückgespielt. Insbesondere die TGA- und Tragwerksplaner im Unternehmen schätzen die Möglichkeiten der gemeinsamen Bearbeitung in einem zentralen 3D-Gebäudemodell. Hierzu zählt auch die schon weitgehend genutzte Integration des Gebäudemodells mit Berechnungen, wie zum Beispiel zur Heiz- und Kühllastermittlung, für Energienachweise sowie für thermische Simulationen. Dies umfasst auch die Verwendung des BIM-Modells für die statische Berechnung. Vermisst wird am BIM-orientierten Planungsprozess die  Möglichkeit der Abgabe eines BIM-Modells als „digitaler Bauantrag“. Damit wäre ein beträchtlicher Effizienzgewinn für sämtliche Beteiligten, für den Planer, die Genehmigungsbehörde und insbesondere auch für den Auftraggeber verbunden. Mehr als Herausforderung, denn als Problem sieht das Unternehmen ein geregeltes „BIM-Management“ zur verantwortlichen Modellbearbeitung. Nur durch diese Instanz und die konsequente Anwendung einheitlicher BIM-Standards wird ein stets konsistentes Gebäudemodell gewährleistet, an dem durch alle Planungsbereiche hin- durch „live“ gearbeitet werden kann. Die digitalen Gebäudemodelle des Unternehmens werden dabei laufend auf geometrische Stimmigkeit überprüft, sowohl per manueller Plausibilisierung als auch durch eine teilautomatisierte Fehlerkennung, bevor in der darauffolgenden Phase darauf aufbauend weitergeplant wird. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor ist dem Unternehmen zufolge, die der BIM-Modellbearbeitung zugrunde liegende Methodik der Integralen Planung und die Bereitschaft der Projektbeteiligten zur Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“.

 

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Inti-Plan

Der Einstieg bei der Inti-Plan GmbH aus Freyung ging laut Geschäftsführer Alexander Binder relativ leicht vonstatten, da das Büro seit Gründung schon immer dreidimensional geplant hat. Die Umstellung und der Zeitaufwand für die Erstellung der 3D-Dateien waren für die Büromitarbeiter deshalb nicht hoch. Eine BIM-fähige TGA-Planungssoftware wurde quasi mit der Betriebsgründung angeschafft. Derzeit werden alle Projekte nach dem BIM-Standard realisiert und abgewickelt, sodass TGA-CAD-Software an allen Arbeitsplätzen installiert ist. Zusätzlich kommt eine Lichtsimulations-Software zum Einsatz. Soweit möglich, werden auch die BIM-Dateien von HLSK-Planerkollegen für Kollisionsprüfung genutzt. Binder zufolge ist der Einsatz der 3D-Planung sehr wichtig, da beispielsweise die Visualisierungen des 3D-Objektes sofort an die Touch-Panels für die mobile Projektpräsentation übergeben werden können. Außerdem werden die Massen der eingesetzten Artikel zum Teil automatisch an die Ausschreibungssoftware übergeben. Auch die IFC-Schnittstelle wird genutzt, wenn das entsprechende Datenformat von Architekten bereitgestellt wird, was jedoch selten der Fall ist. Andernfalls wer- den die 3D-Bauwerksdaten selbst  erstellt. Es ist Binder zufolge immer mühselig, bei Grundrissänderungen die Pläne, die selbst in die Höhe gezogen wurden, zu ändern. Aber diese im Büro in das Projekt investierte Zeit ist laut Binder noch immer kostengünstiger, als daraus resultierende Probleme später im Rahmen der Bauleitung wieder bereinigen zu müssen. Den wesentlichen Vorteil der neuen BIM-Arbeitsmethode sieht Binder in der Möglichkeit, mit allen Projektbeteiligten die Dateien in einem einheitlichen Standard austauschen zu können, beispielsweise für Kollisionsprüfungen. Das Hauptproblem von BIM ist laut Binder die mangelnde Akzeptanz bei allen Projektbeteiligten. Hier müssten beispielsweise Softwarehersteller aktiver  werden und BIM den Anwendern schmackhafter machen. Dass Mitbewerber auf dem Planungssektor derzeit noch nicht mitziehen, sieht man andererseits als Vorteil für das eigene Büro.

 

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nees Ingenieure

Die beratenden Ingenieure und Sachverständige für Brandschutzplanung, Tragwerksplanung und Bauphysik aus Münster setzen BIM vorwiegend für Industriebauprojekte ein. Zunehmend werden aber auch im konventionellen Hochbau immer mehr Projekte realisiert, ganz aktuell beispielsweise der Neubau eines Autohauses und eines Krankenhauses. Zum Einsatz kommt eine BIM-fähige Konstruktionssoftware – sowohl als Insellösung im Sinne des „Little BIM“ als auch in Kooperation mit Projektpartnern als ganzheitliches „Big BIM“. So wird beispiels- weise am 3D-Gebäudemodell des Kranken- haus-Neubaus in enger Abstimmung mit den Fachingenieuren geplant. So setzt laut nees die Konvertierung aus den IFC-Bauteilen in „echte“ modellorientierte Teile teilweise eine manuelle Nachbearbeitung voraus. Vermisst wird auch ein übergreifender Material- und Profilkatalog. Hinzu kommt, dass kombinierte Bauteilaufbauten, beispielsweise ein aus mehreren Schichten bestehender Wandaufbau, im Austausch mit anderen Planern manchmal zu Problemen führen. Auch übergreifende Attribute wie Positionsnummern oder Brandschutzanforderungen sind in vielen Programmen nicht vorhanden oder im IFC-Datenmodell nicht enthalten. Im Abstimmungsverlauf – mit einem BIM-Modell als Grundlage – wird in frühen Leistungsphasen bereits eine fertige Genehmigungs- und Ausführungsplanung bei  Bauherren suggeriert. Insgesamt ist man bei nees Ingenieure jedoch von der Sinnhaftigkeit und den Vorteilen der neuen Arbeitsweise überzeugt. Als besonders wichtigen Vorteil sieht Büroinhaber Volker Nees vor allem die gewerkübergreifende Kollisionskontrolle, den Datenaustausch mit Berechnungsprogrammen sowie die automatische Massenermittlung. Nees ist überzeugt, dass BIM-Kenntnisse und -Erfahrungen für sein Büro ein Wettbewerbsvorteil sind.

 

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Stiehm Ingenieurplanung

Bereits im April 2013 hat sich das Ingenieurbüro für Technische Gebäudeausrüstung aus Berlin dazu entschlossen, eine BIM-fähige Planungssoftware anzuschaffen. Den Anstoß dazu gab eine Kooperation mit einem Kunden, der das gleiche Produkt einsetzt. Da die Projektbearbeitung nach den Erfahrungen von Daniela Rieckemann, Leiterin der Konstruktion bei Stiehm Ingenieurplanung, vergleichsweise anspruchsvoll ist, werden in erster Linie größere Neubauprojekte, wie etwa Einkaufszentren, Bürogebäude oder Produktionshallen nach der BIM-Methode geplant. Bei kleineren Projekten oder Altbausanierungen wird weiterhin in 2D geplant. Mit dem IFC-Datenaustausch hat das Unternehmen bislang keine Erfahrungen – vor allem weil nach wie vor viele Büros nicht in 3D arbeiten. Als wichtigste BIM-Vorteile nennt Rieckemann die bessere Koordination der Gewerke und die frühzeitige Erkennbarkeit von Kollisionspunkten im 3D-Modell. Automatismen vereinfachen den Beschriftungsprozess und Bauteiländerungen, wie etwa Rohrnennweiten, werden automatisch angepasst. Schnitte werden aus dem 3D-Modell automatisch abgeleitet, Fehlerquellen minimiert, Massen- und Mengenlisten automatisch erstellt. Die Berechnungssoftware wird bisher nur getrennt genutzt, geplant ist aber eine direkte Anbindung von CAD und Berechnung. Als weitere BIM-Vorteile sieht Rieckemann die gemeinsame Bearbeitung mit anderen Fachplanern in einem 3D-Modell und die bessere Koordination von Architektur, Rohbau und Haustechnik. Eine Herausforderung war rückblickend der Schulungsaufwand sowie die Erstellung bürointerner BIM-Vorlagen und Standards. Da die mitgelieferte Bauteildatenbank vergleichsweise klein ist und viele Hersteller noch keine 3D-Bauteilfamilien zur Verfügung stellen, wurden fehlende Bauteile selbst erstellt. Auch im Hinblick auf eine DIN-gerechte TGA-Symboldarstellung, die Strangschema-Erstellung oder den Bauteillisten-Export sind das Engagement und die Kreativität der BIM-begeisterten Mitarbeiter gefragt. Die 3D-Planung ist prinzipiell zeit- aufwendiger. Dies wird aber beispielsweise durch eine automatische Mengenermittlung ausgeglichen, sofern die Planung weit genug vorangeschritten ist. Da in vielen Architekturbüros noch 2D-CAD verbreitet ist, muss man sich häufig ein provisorisches 3D-Modell selbst erstellen, was aber durch die Möglichkeit der dreidimensionalen TGA-Bauteileingabe auf Grundlage zweidimensionaler Grundrisse und Schnitte etwas vereinfacht wird. Rieckemann zieht eine positive Zwischenbilanz: BIM verbessert nicht nur die Planungsqualität, BIM motiviert auch und macht Spaß, weil man Teil einer aktuellen, innovativen Entwicklung ist, die irgendwann hierzulande, so wie in anderen Ländern auch, zum Standard wird.

 

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Von BIM-Praktikern profitieren

Zweifellos   hat   BIM   Vorteile,   die   eine 2D-CAD-Planung nicht bieten kann. In vielen Ländern wird BIM bereits praktiziert oder befindet sich in der Einführungsphase. Das ist angesichts  aktueller  Entwicklungen  (Empfehlungen  durch  Behörden,  Referenzprojekte, Regelwerkentwicklungen, etc.) auch hierzulande zu erwarten. Wer sein BIM-Wissen nicht auf dem Laufenden hält, gerät in Gefahr, abgehängt zu werden, wenn es Bau- herren/Investoren einfordern. Gleichwohl ist BIM nicht die Lösung aller Probleme am Bau. Weder Stress, mangelndes Nachdenken, eine fehlende Detailplanung oder das ständige Ändern von Plänen kann die BIM-Methode auffangen. In der Praxis ist BIM weltweit bisher bei keinem einzigen Vorhaben durchgängig  mit allen  am  Bau  Beteiligten eingesetzt worden. Auch im Detail knirscht es noch – etwa bei der IFC-Datenübergabe. Offene Fragen, wie die Honorierung des Mehraufwands, bedürfen ebenfalls einer grundsätzlichen Klärung. Deshalb sollte man sich auch mit den praktischen Herausforderungen des BIM-Einsatzes auseinandersetzen und möglichst Planer mit BIM-Erfahrung befragen, bevor man sich entscheidet, Zeit und Geld in Schulungen und möglicherweise neue Werkzeuge zu investieren.

 

Weitere Infos:

www.atp.ag
www.inti-plan.de
www.nees-ingenieure.de
www.stiehm-ip.de
www.bim-information.com
www.bimforum.org
www.buildingsmart.de
www.buildingsmart-tech.org

Text: Marian Behaneck / Fotos: ATP architekten ingenieure; nees Ingenieure; Stiehm Ingenieurplanung; Intim Plan

 

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Kategorie: EDV