Wo kein Licht, da auch kein Schatten
Dass das Erdgeschoß Ecke Praterstraße und Aspernbrückengasse in der Wiener Leopoldstadt kaum wiederzuerkennen ist, ist zum Großteil Philipp Brandstätter zu verdanken, der die ehemaligen ATV-Räumlichkeiten, die fast zwei Jahre leer gestanden sind, mit einem ausgeklügelten Design- und Lichtkonzept zu neuem Leben erweckt hat. Unter dem naheliegenden Namen „Praterstrasse“ haben sich die Betreiber ein ehrgeiziges Konzept für die Räumlichkeiten vorgenommen. Eineinhalb Jahre wurde umgebaut, entwickelt und an einem internationalen Multichannel-Konzept gefeilt, das Café, Lounge, Kunstraum, Bar und Club, also Tag und Nacht, in einer einzigen Location vereint.
Um diesen unterschiedlichen Stimmungen gerecht zu werden, braucht es natürlich ein ausgeklügeltes, harmonisches und vielseitig einsetzbares Interieur. Eine enorme Herausforderung, die mit der nötigen Klarheit und einem Potpourri an kreativen Lösungsvorschlägen gemeistert wurde. Für die notwendige Balance zwischen Individualität und Harmonie sorgte dabei Philipp Brandstätter, der seit 2003 in Wien das Design- und Planungsstudio „Branddesigners“ betreibt und der bei diesem Projekt vom Interior Designer Andreas Pust unterstützt wurde.
Im Zentrum seines Konzepts steht die Bar: Es ist ein schier endloser Travertin, der von Beton-Mittelleitplanken getragen wird und trotz seiner Wucht grazil in den Fokus rückt. Urbanes Design, Leitschienen auf der Tanzfläche und das Logo des Clubs (ein Autobahnzeichen ohne Brücke) sollen die Straße in den Club bringen. Für sein Konzept konnte Brandstätter, der in der heimischen Kunstszene gut vernetzt ist, auch einige Kunstgrößen gewinnen: In einer nach ihm benannten Lounge stellt etwa Martin Grandits seinen getragenen weißen Socken hinter einem Glastisch aus. Und Thomas Weidinger hat für diese Location alte Wiener Straßenlaternen zerschnitten und zu einem neuen Luster geformt.
Auch bei der Lichtprogrammierung zog Brandstätter, der sich bereits seit mehr als 15 Jahren mit LED-Technologien und deren Möglichkeiten beschäftigt, alle Register. Licht ist für ihn ein zentrales Element, um die Architektur zu unterstreichen und zu inszenieren. Sein Gespür für Licht und seine technischen Fähigkeiten in der Umsetzung sieht man etwa an der Lamellen-Wand: Entworfen wurde ein System, das über zweifache Licht-Umlenkung funktioniert. Über eine Länge von 15 Meter und einer Höhe von 2,80 m wurde eine Holz-Lammellen-Wand errichtet, die wie ein Screen funktioniert. In ausgeschaltetem Zustand ist es ein neutraler grauer Ton, der durch die RGB-Elemente animiert werden kann. Durch eine enorm flexible Schaltbarkeit können entlang der Länge unterschiedliche Stimmungen erzeugt werden. Durch die zweifache Umlenkung wird das Licht gestreut, es sind keine LED-Leuchten sichtbar und ein diffuser Lichtschein entsteht.
Demgegenüber steht eine Leihgabe der renommierten heimischen Künstlerin Brigitte Kowanz. Ihre Arbeit „Introduction of the Euro” ist ein wesentlicher Beitrag für das Licht-Konzept im Lounge-Bereich und zieht die Blicke auf sich. Passend zum Kunstwerk wurde eine Spiegelwand aufgezogen, deren Spiegelungseffekt von oben nach unten immer geringer wird. Hat man Zugang zum Backstageraum, offenbart sich ein weiteres Design-Highlight: Brandstätter ließ sich dabei von Arbeiten vom dänischen Star-Architekten Verner Panton inspirieren. Eine Installation aus 1800 maßgefertigten Acrylglasblättchen, die auf der einen Seite mit Prismen, auf der anderen Seite mit einem Farbverlauf digital bedruckt wurden. Das ergibt im Zusammenspiel mit dem blauen Samt, mit dem der ganze Raum ausgekleidet wurde, ein sehr warmes Licht, das durch punktgerichtete LED-Spots erzeugt und durch die Prismen auf den Blättchen gebrochen wird. Da diese auf der Decke hängend angebracht wurden, entstehen bei Bewegung, eventuell durch einen Luftzug verursacht, Moiré-Effekte und Schattenspiele am Boden.
Die gesamte Einrichtung dieser neuen Location ist ein gelungener Brückenschlag zwischen unterschiedlichen Stilen und Epochen – von den 70er-Jahren bis ins Hier und Jetzt. Von Vintage-Leuchten bis zu modernen Dali Spots. Ein ansprechender, nie überladener Mix aus Retro-Elementen und modernen Materialien, bei dem ein Element immer wiederkehrt: Es ist der „orangene Faden“, der das Lokal durchzieht, sich farblich in vielen Details wiederfindet und den Gin-Tonic in der Praterstrasse zum Erlebnis macht.
Text: Alexander Magyar
Fotos: Mato Johannik