Claude Bernard Overpass, Paris
Offene Verbindung.
Claude Bernard Overpass / Paris / DVVD architecture.
Paris wächst, entwickelt sich weiter und man hat als Ausdruck der Selbstwertschätzung bereits den Begriff „Greater Paris“, das größere Paris, geprägt. Als ein eindeutiges Symbol, als Landmark dieses größeren Paris kann man den „Claude-Bernard-Steg“ betrachten. Die Übersetzung von „Overpass“ mit Steg ist schon fast eine zu niedliche Bezeichnung für diesen Verkehrsbau, der eine Verbindung über den Boulevard Périphérique zwischen Paris und Aubervillier herstellt. Er trägt so zum weiteren Zusammenwachsen der verschiedenen Teile der Stadt bei. In seiner Gestaltung trägt er die eindeutige Handschrift von DVVD architecture, einer Design und Konstruktionsagentur aus Paris und ist seit 2. Oktober 2015 in Betrieb. Die aus Holz und Stahl gefertigte Struktur, einfach wie ein Pinselstrich und leicht gekrümmt, spannt sich fast 100 Meter vom Parc du Millénaire in das Claude Bernard Stadtentwicklungsgebiet – als das Sinnbild einer zeichenhaften Gestaltung – hinüber.
Ein technisch-konstruktives Projekt wie solch eine Überquerung birgt natürlich mehrere, nicht gerade alltägliche Herausforderungen in sich. Die kleinstmögliche Störung des starken Verkehrsaufkommens auf dem Boulevard Périphérique verlangte beispielsweise, einen eher unüblichen Bauprozess. Nachdem die Auflager mit den Stiegenzugängen auf beiden Seiten installiert waren, wurde der Verbindungssteg in einer einzigen Nacht eingehoben. Die Aktion benötigte die Aufstellung eines mobilen Autokranes mit extrem hoher Kapazität – ein einzigartiges Gerät in ganz Europa. Der Kran wurde am äußeren Fahrstreifen des Boulevard Périphérique positioniert und in Rekordzeit mit den notwendigen Gewichten, die als Ausgleich für das Gewicht des gesamten Steges notwendig waren, bestückt. Er setzte die Brücke ein und verschwand wieder, um den Verkehr unter der neuen Überquerungsstruktur weiterfließen zu lassen.
Unter denselben Kriterien der absoluten Optimierung ist auch die Geometrie des Stegs als kontinuierlicher Bogen ohne Unterbrechung und die Gestaltung des stählernen Rahmens, mittels ausgeklügelter digitaler Programme, erstellt worden. Es ging immer darum, die Struktur leichter zu machen, die Kosten zu reduzieren und wirtschaftlich mit den benötigten Materialien umzugehen und schlussendlich die Hebeaktion zu ermöglichen. Der Zeitpunkt für das Versetzen war der 14. Mai und er verlangte einen minutengenauen Ablauf. Die Installation benötigte eine Sperre der inneren und äußeren Fahrbahn, etwas, das es seit Eröffnung des Boulevards noch nie gegeben hatte.
Der Steg beginnt im Süden bei einem, für Fußgänger gewidmeten Platz in der Nähe des Kinos in Aubervillier. Er lädt die Benutzer ein, über den Périphérique zu „segeln“ und eine sanfte Landung auf der Nordseite zu machen. Er ist die logische Fortsetzung einer Richtung, die von den kürzlich vollendeten öffentlichen Gebäuden hinüber zum Parc du Millénaire weist. Der Weg ist klar und einfach für alle Fußgänger, sie werden instinktiv zu den, mit breiten Stufen versehenen Stiegenaufgängen auf beiden Seiten gezogen. Oder sie benutzen die in der Landschaft angelegten Rampen für einen leichteren Zugang, wie es Rollstuhlfahrer, Personen mit eingeschränkter Mobilität und Radfahrer tun können.
Um die Höhe der Struktur und den Einfluss auf die Landschaft zu reduzieren, auch im Interesse einer subtilen Formgebung, ist die lasttragende Konstruktion in doppelter Ausführung als ein dreidimensionaler Bogen in den Verkleidungen der hölzernen Seitenwände verborgen. Diese wirken gleichzeitig als Sicherheitsbarriere. So wird die Steifigkeit der Hauptträger erhöht und Gewicht gespart. Die optimierte Struktur hat ein Gesamtgewicht von 270 Tonnen, spart Materialien, reduziert den ökologischen Footprint und erlaubte auch die Versetzung mittels des Kranes. So konnte auch das Niveau der Fußgänger-ebene um mehr als einen Meter gesenkt werden. Die Tragstrukturen sind auf beiden Seiten des Steges und nicht unter dem Steg platziert – daher entstand eine 20 Meter lange Rampe auf jeder Seite und man sparte sechs Stufen. Die schützenden Holzverkleidungen interagieren mit dem Licht und der Durchsicht, bei Tag und bei Nacht. Die Transparenz der Hülle erlaubt visuellen Kontakt zwischen Fußgängern und Autofahrern und schafft gleichzeitig Distanz.
In der Mitte der Überquerung sind die begrenzenden Holzlatten höher und näher beisammen, so blockieren sie den Blick auf den grauenvollen Verkehr, sechs Meter tiefer. Die Passanten sind so – in einem quasi intimeren Bereich – geschützt vor der stärkeren Lärm- und Geruchsbelastung,
Wenn man sich einmal auf der Struktur über der Straße befindet, ist sie ein Ort der vereint, Radfahrer und Fußgänger können auch in entgegengesetzter Richtung passieren, ohne sich in die Quere zu kommen. Die leicht angehobene Kurve der Plattform wird durch das seitliche Geländerprofil noch überhöht, eine Verlängerung der Kurven verbindet die Enden des Steges mit der Landschaft auf beiden Seiten der Brücke. Im Hinblick auf die Natur der Umgebung ist die Verbindung im Maßstab der Straße gehalten, die Dimensionen erleichtern die Benutzung und Aneignung durch die Fußgänger und machen sie so zu einem Schlüssel-element im Netzwerk, welches den Verkehrsfluss in der Region regelt. Diese kontextuelle Evidenz verstärkt sowohl die räumliche wie auch die visuelle Nachbarschaft beider Seiten des Boulevard Périphérique.
Text: Peter Reischer
Fotos: ©Luc Boegly, Natalie Prébende