Der Schein trügt (nicht)!
Das ursprüngliche Kloster Palau-Castell in Betxí, Spanien war ein typisches Beispiel der palastähnlichen Festungen der valenzianischen Renaissancearchitektur in der Mitte des 16. Jahrhunderts. In dieser Zeit stellte es ein alleinstehendes Gebäude mit einem quadratischen Grundriss in den Maßen von 30 x 30 Metern dar. Es war um einen inneren Hof orientiert, von befestigten Mauern und einem Graben umgeben.
Heute liegt es in der Mitte der Altstadt von Betxí, gut angebunden an die öffentlichen Verkehrsadern, die gleichzeitig auch den historischen Bereich begrenzen. Das Bauwerk symbolisiert den Ursprung und die Gründung der Stadt und gibt so viele Aufschlüsse über das damalige Leben. Gleichzeitig ist es einer der bedeutendsten Exponenten der „noblen“ Renaissancearchitektur von Valenzia und seine Instandhaltung und Renovierung ergab wichtige Aufschlüsse im Bereich der Architekturgeschichte und Konstruktion. Man entdeckte seltene Konstruktionsmethoden, wie zum Beispiel Wände aus gestampfter Erde und Steinen, sowie spezielle Bearbeitungsmethoden der Renaissance, die teilweise auch heute noch in Gebäuden angewendet werden.
Die Revitalisierung des Monuments war von einigen Stakeholdern der bürgerlichen Gesellschaft Valenzias gefordert worden, nachdem der Bau 20 Jahre dem Verfall preisgegeben war. Beauftragt wurde das Architekturbüro el fabricante de espheras. Zuerst wurde von den Architekten ein Masterplan zur Erstellung eines Zeit- und Finanzrahmens geschaffen. Dieser wurde in acht Schritten umgesetzt. Der erste Schritt sah die Öffnung des Klosters für die Öffentlichkeit und seine Erneuerung als Kulturraum vor. Gleich zu Beginn stellten die Architekten fest, dass eine normale Restaurierung und Konservierung der Architektur nicht ausreichen würde. Man beschloss also tiefer in der Vergangenheit zu schürfen und Zusammenhänge zu finden. Die Situation erforderte eine Einbeziehung der Bevölkerung, um das bereits in Vergessenheit geratene Erbe wiederzubeleben. Alles in Anbetracht eines sehr begrenzten Budgets, das vonseiten der Stadtverwaltung, vom autonomen Kulturministerium Valenzia und privaten Institutionen zur Verfügung stand.
Das Projekt war mit dem Verlust der Hälfte des ursprünglichen Klosters konfrontiert. Nach Jahrzehnten des Verfalls war die ursprüngliche Substanz in den 70er Jahren durch zwei Wohnbauten verstümmelt worden. Das Konzept basiert nun auf einem riesigen Spiegel und hölzernen Jalousien, welche die trennende Wand verbergen und – zumindest optisch – den verlorenen Raum rekonstruieren.
Die Stadt entdeckte so einen Bereich, der von den Bewohnern bereits vergessen worden war und begann einen Prozess, das Gebäude wieder in das Herz und den Mittelpunkt des städtischen Lebens – in dem es ja einmal gewesen war – zu stellen. Das Projekt demonstriert das große Potenzial für die urbane und soziale Erneuerung, durch die akribische und intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit. Und das trotz des knappen Budgets.
Die Restaurierung zeigt ganz vorsätzlich und bewusst den Fortgang der Arbeit, immer unter dem Gedanken des “non-finito”, des Unvollendeten. Die Vergangenheit wird durch die „Beschwörung“ von Ruinen wachgerufen, betont somit die historischen Zeichen und benutzt diese als Verbindungsglied zwischen den Zeitschichten.
Im Klosterbereich sind die handgemachten Bodenbeläge im traditionellen Diagonalmuster verlegt, und zwar im gesamten Gebäude. Dabei wurde ein einziger Ziegeltypus verwendet, jedoch gestalterische Unterschiede durch seine Orientierung erzielt: In ungedeckten Bereichen wurde er mit der Stirnseite nach oben verlegt, in den überdachten Zonen im Läuferverband.
Die Palau-Castell Stadterneuerung ist für dieses Projekt mit dem Ceramic Architecture Award ASCER 2014 ausgezeichnet worden. Damit wurden ihre Bemühungen bei der urbanen Regeneration und die Verwendung des Spiegels samt der speziellen Ziegelverlegung bei dieser architektonischen Intervention gewürdigt.
Text: Peter Reischer / Fotos: Milena Villalba,el fabricante de espheras
Kategorie: Projekte