Der Trick mit dem Knick – Brick Cave

25. September 2018 Mehr

Brick Cave / Hanoi / H&P architects

Der Ziegel hat als Baumaterial eine jahrtausendealte Tradition. Bis heute hat er nichts von seiner Aktualität verloren und sein Platz in der Architektur ist unangefochten. Die ältesten Ziegel wurden im Jahr 1952 bei archäologischen Grabungen in Jericho gefunden und stammen aus der Zeit von ca. 7.500 v. Christus. Der perfekt gebrannte Einhandziegel, der in den Proportionen 1:2:4 als vorgefertigtes und optimal rationalisiertes Bauelement gebräuchlich ist, wurde erstmals zwischen 2800 und 2200 v. Christus in der damaligen Indus-Kultur oder Harappa-Kultur entwickelt. Dieser Ziegel ist in allen Richtungen beliebig addierbar.

Auch in Ländern wie Vietnam ist der Ziegel ein weitverbreitetes Baumaterial, vor allem im ländlichen Bereich. So haben in einem Vorort der Stadt Hanoi – der momentan einem rapiden Urbanisierungsprozess unterliegt – die H&P architects für einen privaten Kunden ein Stadthaus errichtet. Der Entwurfsgedanke war, einen künstlichen Platz, ähnlich der natürlichen Umgebung zu schaffen. Also gestalteten die Architekten das Haus unter Einbeziehung der Natur und des Lichtes als Höhle aus Ziegeln. Was geschrieben fast wie ein Widerspruch erscheint, ist jedoch in der Realität ganz gut gelungen.

 

Brick Cave

Ein Ziegelhaus, das aus einer doppelten Hülle besteht, entwarfen die H&P architects für einen privaten Auftraggeber in einem Vorort von Hanoi, Vietnam. Das Ergebnis ist größer und wohnlicher als es die Kriterien vermuten lassen. Zusätzlich ist auch genügend Natur in der Architektur integriert.

 

Die Architektur nimmt fast den gesamten Platz ein, der auf diesem Eckgrundstück zur Verfügung steht. Eine Ziegelmauer, teilweise durchbrochen, teilweise mit Öffnungen versehen – die aber wiederum mit einer geometrischen, zarten Gitterstruktur verschlossen sind – umschließt den Bauplatz. Sie stellt aber nicht das Haus dar, sondern dieses befindet sich ein paar Meter zurückgesetzt hinter einer zweiten Ziegelwand. Also bilden zwei Wände das Wohnhaus.
Die Außenwand hat eine Höhe von 8,25 Meter und ist ab dem untersten Drittel nach innen, zum eigentlichen Wohnbereich hin geknickt. Der Bereich zwischen den beiden Wänden ist den Pflanzen, der Ventilation und der Belichtung vorbehalten. Nach oben ist er großteils offen und so werden die Pflanzen und Bäume in der Regenzeit natürlich bewässert. Zusätzlich bietet er einen erweiterten Lebensraum für die Hausbewohner und durch den Knick in der Außenwand dringt durch die halbtransparente Ziegelmauer und die vergitterten Öffnungen wesentlich mehr natürliches Licht ins Innere.

 

Brick Cave

Elegante, edle Materialien bestimmen das Interieur in diesem Ziegelbau. Bodenhohe Verglasungen geben den Blick auf den „Zwischenraum“ frei.

 

Die zwei ineinander gebauten Ziegelwände nehmen auch die Funktion eines Filters wahr. Lärm, Schmutz und Staub des Straßenraumes werden durch die äußere Wand vom inneren Bereich ferngehalten, hingegen können Licht und Luft ungehindert in das Volumen hineinströmen. Durch den Knick der Außenwand entstehen auch neue und bessere Sichtwinkel in den Außenraum, ebenso lässt sich das Wetter besser beobachten und überhaupt sorgt man so für eine intensivere Verbindung zum Umraum. Diese Kombination von offen und geschlossen setzt auch eindeutige Akzente einer Trennung in öffentlichen (Straßenraum) und privaten (Wohn)Bereich. Wobei natürlich dieselbe Kombination auch die Grenzen zwischen innen und außen verwischt und einen Übergang zwischen Mensch und Umraum/Natur schafft.

Die Außenfassaden lassen den Anschein entstehen, dass es sich um ein dreigeschossiges Haus handelt. Es sind aber nur zwei, dafür sehr hohe und luftige Ebenen in diesem Wohnhaus vorhanden. Zusätzlich zu einer Dachterrasse, die bepflanzt und begrünt ist und als Erholungsfläche dient.
Der Zugang im Erdgeschoss erfolgt über das den Straßen zugewandte Eck. Im Zwischenbereich zwischen Außen- und Innenwand ist Platz für die Fortbewegungsmittel der Bewohner – die üblichen Mopeds. Etwas zurückgesetzt gelangt man durch eine große Glaswand mit Schiebetüren in den Wohnbereich. Dahinter befinden sich, nur durch Wandteile abgetrennt, die Küche und der Essplatz. Dieser ragt aus dem inneren Kern hinaus und ist auch von oben belichtet, aber durch eine Glasdecke geschützt. Eine einfache Holzstiege erschließt die obere Ebene und das Dach. Im ersten Stock sind Schlafzimmer und Bäder angeordnet. Mehrere Öffnungen lassen Licht und Luft aus dem Zwischenraum der beiden Wände eindringen. Dadurch, dass dieser Bereich nach oben schmäler wird, entsteht auch eine Kaminwirkung, die eine zusätzliche Ventilation und Durchlüftung in der meist recht schwülen Atmosphäre Vietnams bewirkt.

Natürlich sind die Innenräume nicht gerade lichtdurchflutet, aber stündlich wechselnde Schatten- und Lichtzonen bringen Abwechslung und auch Reize für die Bewohner. Elegante Materialien wie lackierte Holzböden und Marmor tragen zu einer ausgesprochen gehobenen Qualität bei. Alle Innenwände sind ebenfalls aus Ziegeln gemauert und die Emotionalität, die durch diese Materialwahl entsteht und auch der „höhlenähnliche“ Charakter dieser Architektur rufen sowohl Befremdung wie auch familiäre Intimität hervor. Dieses vietnamesische Stadthaus ist eine urbane Ziegelhöhle, welche die Natur simuliert. Sie bringt den Nutzern Eindrücke von Gartenecken, Terrassen und Himmelsblicken, dabei liegt sie mitten in der Stadt.

 

 

Brick Cave
Hanoi, Vietnam

Bauherr: privat
Planung: H&P architects
Statik: H&P architects

Grundstücksfläche: 175 m2
Bebaute Fläche: 110 m2
Planungsbeginn: 2016
Bauzeit: 1 Jahr
Fertigstellung: 2017

 

Brick Cave

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Brick CaveBrick Cave

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fotos:©Nguyen Tien Thanh

Text:©Peter Reischer

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Kategorie: Projekte