Faszination Wasser – Tegetthoffkaserne

4. Dezember 2018 Mehr

Wohnen am Wasser / Wien / BLAICH + DELUGAN ARCHITEKTEN

Der Traum vieler Menschen ist es, am Wasser zu wohnen oder zumindest einen Ausblick auf natürliche Wasserflächen zu haben. Wasser als Element übt eine gewisse Faszination aus, nicht zuletzt, weil das Leben aus dem Wasser entstanden ist und sich von dort auf dem festen Teil des Erdbodens entwickelt hat. Und da in Österreich bebaubare Seegrundstücke äußerst rar (und fast immer unbezahlbar) sind, sind auch Lagen an Flüssen, wie der Donau und ihrer Seitenarme sehr gefragt.

2012 wurde beschlossen, einige kleinere Kasernenanlagen in Österreich aufzulassen. Darunter befand sich auch die 1939 errichtete Tegetthoffkaserne – als einzige Kaserne mit einer Schiffsanlegestelle in Österreich – am Kuchelauer Hafenbecken. In einem öffentlichen Verfahren ging die Marinekaserne Tegetthoff in Wien-Döbling an ein Bieterkonsortium rund um das Österreichische Siedlungswerk (ÖSW). Die gemeinnützige Wohnungsgesellschaft und deren Partner hatten sich im zweimonatigen Verkaufsprozess, bzw. in den finalen Verhandlungen unter acht Bietern als Bestbieter herausgestellt. Das Gelände hat nun einige Schwierigkeiten für eine Bebauung aufzuweisen: den Denkmalschutz und den Hochwasserschutz. Ersterer umfasste neben dem Mannschaftsgebäude interessanterweise auch eine kleine Trafostation, die sich zentral am Gelände befand und umgesetzt werden musste. Der zweite Punkt Hochwasserschutz wurde mit einer sogenannten „braunen Wanne“ gelöst.

 

Tegetthoffkaserne

Die ehemalige Tegetthoffkaserne in Wien, Döbling wurde 2012 aufgelassen und Teile des Geländes von BLAICH + DELUGAN ARCHITEKTEN mit einer Wohnbebauung versehen. Die frei finanzierten Eigentumswohnungen im Kuchelauer Hafenbecken sind sicherlich punkto unverbaubarer Aussicht und Wohnqualität ein Gustostückerl in Österreich.

 

Das 34 Hektar große, am Kuchelauer Hafenbecken gelegene Areal wurde in der Folge in drei Bauplätze aufgeteilt, wobei das denkmalgeschützte ehemalige Kasernengebäude mit der ebenfalls denkmalgeschützten Kaimauer die Mitte bildet und die Grundflächen stromaufwärts als auch stromabwärts für eine Neubebauung in der Bauklasse GB I g–35% abgeteilt wurden. Für das stromaufwärts in Richtung Klosterneuburg gelegene Areal wurden im Zuge eines internen Wettbewerbsverfahrens die Blaich + Delugan Architekten ausgewählt. 2014 wurde mit der Planung begonnen und nach zwei Jahren Bauzeit konnten – ab 2017 – die Wohnungen an die Käufer übergeben werden.

Das Konzept sieht aus Gründen des passiven Schallschutzes eine geschlossene und von der Straße leicht abgerückte Bebauung entlang der Kuchelauer Hafenstraße vor. Von der Straßenseite her gesehen, ergibt sich ein eher geschlossenes Bild. Hohe Fenster dominieren die Fassade. Die Eingangsbereiche setzen sich durch Holzverkleidungen von den weißen Putzflächen optisch ab. Der insgesamt 115 Meter lange Baukörper wurde dabei mehrmals leicht geknickt, sodass die Gliederung in vier Stiegen ablesbar bleibt und sowohl straßen- als auch hofseitig eine elegant strukturierte Außenerscheinung erzielt wird. Einerseits hält der geschlossene Baukörper den Lärm von der Schnellstraße und der Bahnlinie ab, andererseits öffnet sich das Areal baulich in Richtung Lebenselement Wasser. Hier tritt die Faszination der Aussicht auf das Wasser der Donau richtig zum Vorschein. Durchgehende Balkonbänder bieten jeder Wohnung genug Freifläche, um die Natur und den unverbaubaren Ausblick zu genießen.

Die drei nahezu baugleichen Einzelgebäude sind leicht zueinander verschoben und verschwenkt, sodass sich auch für die Wohnungen des etwas höher gelegenen, rückwärtigen Längsbaukörpers freie Durchblicke auf das Hafenbecken ergeben. Die frei stehenden Punkthäuser sind dabei in ihren Proportionen auf die Seitenflügel der Kaserne abgestimmt. Ihre spielerische Anordnung sowie das Vorrücken in Richtung „Coastline“ bindet den ehemaligen Kasernenbau mit seinen vorgelagerten Bungalows ein und bildet mit diesem ein zeitgemäßes, modernes Ambiente.

 

Tegetthoffkaserne

Die durchlaufenden Balkonbänder bieten selbst aus der hinteren Reihe noch eine herrliche Aussicht auf die Wasserflächen.

 

Neben dem städtebaulichen Ansatz haben insbesondere Fragen zur Wohnqualität die Ausformung und Gestaltung der Baukörper bestimmt. Blickbeziehungen zum Wasser sowie die Ausrichtung entsprechend des Sonnenverlaufes, aber auch die Frage, an welcher Stelle welche Wohnungsgröße angeboten werden soll, waren Gegenstand reiflicher Überlegungen. Weiters standen die Freiraumqualitäten im Mittelpunkt der Planung: Vorgelagerte Wohnhöfe entlang der Straße ermöglichen hier das Wohnen im Erdgeschoss, Hecken schützen die Gärten innerhalb des Areales, großzügige und mit Klarglas verglaste Balkone stellen den direkten Bezug zur Natur her.

Eine besondere Herausforderung stellten – wie schon eingangs erwähnt – die sehr spezielle, hochwassergefährdete Lage am Kuchelauer Hafenbecken und die damit verbundenen strengen Auflagen aus dem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren sowohl in technischer als auch planerischer Hinsicht dar. Insbesondere waren bedeutende Geländeanpassungen erforderlich, um die gewünschte Absicherung gegen Hochwasser (10.000-jähriges Projekt-Hochwasser) zu erreichen. Aufgrund des fallweise stark schwankenden Grundwasserpegels musste zudem das Garagenbauwerk schwerer als statisch erforderlich ausgebildet werden, um dem damit einhergehenden Auftrieb entgegen zu wirken. Weitere Auflagen betrafen die Bauführung, so z. B. das Bauverbot während der Laichzeit geschützter Fische oder aber das Rettungsboot, welches aus Arbeitnehmerschutzgründen während der Bauzeit in Bereitschaft zu halten war.

 

 

Wohnen am Wasser
Wien, Österreich

Bauherr: ÖSW, GSG (Österreichisches Siedlungswerk/ Ges. für Stadtentw. u. Stadterneuerung.)
Planung: BLAICH + DELUGAN ARCHITEKTEN
Mitarbeiter: Ryszard Pultowicz, Adnan Balcinovic, Peter Parigger
Statik: DI Gerhard Hejkrlik

Grundstücksfläche: 9.658 m2
Bebaute Fläche: 3.193 m2
Nutzfläche: 6.863 m2
Planungsbeginn: 05/2014
Bauzeit: 2 Jahre
Fertigstellung: 11/2017

Schnitt Plan Tegetthoffkaserne

Lageplan Tegetthoffkaserne

 

Fotos:©Hertha Hurnaus

Text:©Peter Reischer

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Kategorie: Projekte