Gerade und doch gebogen – Headquarter Pernod Ricard
Threads / Mexico City / Belzberg Architects
Auch wenn die oft negativen und zum Teil polemischen Schlagzeilen über Mexiko und seine Hauptstadt dominieren, so hat doch eine innere Kraft und der starke Wille der Bevölkerung eine stete Welle von Veränderungen ausgelöst, auch in architektonischer Hinsicht. Ein Beispiel dafür ist das von den Belzberg Architects errichtete neue Hauptquartier der lateinamerikanischen Ländervertretung der französischen Spirituosen- und Weinfirma Pernod Ricard in Mexiko.
Es ist das Erste einer Reihe von nicht allzu hohen Bürogebäuden in Mexico City, alle geplant von den Belzberg Architects. Diese architektonische Initiative geht auf die Vision einer Reihe von Investoren, unter ihnen die Grupo Anima, zurück. Diese Immobilienentwickler haben sich zum Ziel gesetzt, das nördlich von den Stadtteilen Roma und La Condesa gelegene Gebiet der Nachbarschaft Cuauhtémoc in eine fußläufig erlebbare, interessante Gegend mit einer hohen Work-Life-Balance zu verwandeln. Das Projekt ist auf 20 Jahre angelegt und soll einen Mehrwert für die Bevölkerung kreieren. Das alleine ist in seiner Zeitlinie und -tiefe bemerkenswert. Bei der Grupo Anima sieht man diese Projekte nicht als einzelne Leuchttürme, sondern als einen breiten Versuch, gewissen Fehlentwicklungen in der Stadtplanung entgegenzuwirken.
Es ist ein Musterbeispiel für Technik und Fassade: das neue Hauptquartier der französischen Spirituosenfirma Pernod Ricard in Mexico City, errichtet von den Belzberg Architects. Ein eher rechteckiger Körper mit einer Glasfassade wird von dreidimensionalen Aluminiumlamellen durchdrungen, der Eindruck ist sowohl von der Straße her wie auch für die Nutzer atemberaubend. Es entstehen innen wie außen interessante und faszinierende Raumsituationen.
„Threads“, das Headquarter von Pernod Ricard, sitzt an einer prominenten Straßenecke, hat sechs Geschosse und einen rechteckigen Grundriss. Dass es nicht „normal“ aussieht, verdankt es der räumlichen Durchdringung des Rechteckes in der vertikalen durch eine (oder mit einer) dreidimensional geschwungenen Glas-Aluminiumfassade, die aufregende Räume im Inneren wie im Äußeren erzeugt. Während einerseits die maximal nutzbaren Grundflächen erzielt wurden, schufen die Architekten andererseits eine fließende, bewohn- und auch benutzbare Haut, welche die rechteckige Geometrie des Körpers konterkariert. Eine umfassende Verglasung und endlos erscheinende, vertikale Lamellen, welche die Umhüllung durchdringen, charakterisieren das Projekt. Die Asymmetrie der Fassade und die dynamische Bewegung schaffen variable Räume und visuelle Erfahrungen auf beiden Seiten: innerhalb wie außerhalb des Gebäudes. Der von den Lamellen im Außenraum gebildete Körper spielt raffiniert mit der Ecksituation und schafft eine städtebauliche Lösung mit Betonung der Straßenkreuzungssituation, obwohl sich sein Volumen eigentlich als Luftraum entpuppt.
Zwischen der Glasfassade und den Metalllamellen entstehen im Inneren der Architektur interessante und vielfach nutzbare Räume.
Indem man digitale Entwurfs- und Designmethoden verwendete, digitale Fabrikationsmethoden und eine sehr enge Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team realisierte, schuf man 272 einzigartige, dreidimensional aus Aluminium geformte Lamellen, die sowohl die Glasflächen wie auch die Stahlbetondecken durchdringen. Die dreieckige Geometrie der Lamellen erlaubte es unter anderem, in der geschweißten Form die erwünschten Kurven ohne zusätzliche Schablonen und Vorrichtungen zu erzielen. Die Einzelstücke, die sich von Geschossdecke zu Geschossdecke spannen, erforderten höchste Präzision bei der Montage, um die gewünschte Flucht, Ausrichtung und optische Kontinuität zu erreichen. Ihre Anordnung, die von Ebene zu Ebene verschieden ist, schafft einzigartige Räume auf den verschiedenen Geschossen. In einer einzigen, vertikalen Bewegung erzeugen die Lamellen ein Meter tiefe Balkone und schneiden aus dem Volumen im Inneren Rücksprünge und Alkoven, während sie die Gebäudehülle durchstoßen.
Die Architekten benutzten verschiedenste Strategien, um die Wirkung der Fassade sowohl auf Benutzer wie auch Passanten zu optimieren. So sind die Aufzüge, Stiegenhäuser und Nasszellen alle auf eine hinten liegende Seite des Grundstückes zusammengedrängt. Dadurch wird die volle Sicht auf die Straßenseiten nach außen gewährt. Graues Sicherheitsglas mit einer Low-E-Beschichtung dient der Verringerung des Hitzeeintrages, aber es beeinflusst auch während des Tagesverlaufes die Einsehbarkeit der Innenräume von der Straße her. Gleichzeitig erhöht es den Eindruck der Dynamik der Gebäudepräsenz auf der Straßenseite für Passanten. Diese Verbindung und Vermischung von inneren und äußeren Eindrücken führt im Außenraum zu einer positiven Resonanz auf die Architektur und einer daraus auf die Benutzer rückwirkenden, positiven Beziehung zur Kommunität der Nachbarschaft.
Die digitale Produktion des Projektes wurde in Kalifornien abgewickelt. So konnte das Team den Prozess genau überwachen und steuern. Alle Feinabstimmungen und Änderungen konnten so im Vorfeld erledigt werden. Das erlaubte es auch, alle möglichen Herausforderungen der Montage vor Ort zu simulieren und zu antizipieren, bevor die Lamellen nach Mexiko geliefert wurden. Das Design erlaubte für insgesamt sieben Verbindungspunkte (über sechs Geschosse) eine maximale Toleranz von sieben Zentimetern. Maximal durfte die Abweichung zwischen den Einzelteilen 0,6 cm betragen, um das Bild von durchgängigen, vertikalen Linien zu wahren.
Threads
Mexico City, Mexiko
Bauherr: Grupo Anima
Planung: Belzberg Architects
Statik: Arup
Grundstücksfläche: 4.700 m2
Bebaute Fläche: 550 m2
Nutzfläche: 2.600 m2
Planungsbeginn: 2013
Bauzeit: 2015 – 2016
Fertigstellung: 2016
Fotos:©Roland Halbe
Text:©Peter Reischer