Wand am Boden
Sonnenhof / Jena / J. Mayer H. Architects
Mitten im historischen Zentrum von Jena stehen auf einem, aus mehreren Parzellen zusammengelegten Baugrundstück, vier 5 bis 7-geschossige architektonische Volumina von Architekt J. Mayer H. Mit ihrer städtebaulichen Situierung versuchen sie, die ehemalige Blockbebauung zu schließen. Durch ihre Platzierung an den äußeren Grundstücksgrenzen definieren sie einen, der mittelalterlichen Stadtstruktur entsprechenden kleinmaßstäblichen Freiraum, durch die Ausbildung als einzelne Baukörper erlauben sie eine freie Durchwegung des Geländes. Unter der Bezeichnung ‚Sonnenhof‘ befinden sich im Inneren Büro- und Wohneinheiten sowie Gewerbe im Erdgeschoss – so weit, so gut.
Die erste Irritation entsteht durch die äußere Gestaltung, die stringent in hell/dunkel gehalten ist. Ein grafisches Muster überzieht wie eine Haut die Architektur. Die Flächen mit den rechteckigen und pentagonalen Fensteröffnungen sind durch diese Grafik zu unregelmäßigen Flächen zusammengefasst, und zwar in einem dunklen, fast schwarz wirkenden Grafitgrau. Diese Bereiche kontrastieren mit den reinweiß gestalteten Restflächen. Diejenigen der dunklen Flächen, die bis zum Boden reichen, sind in den Hof hinein mit derselben Farbe am Boden, sich verjüngend, verlängert. Es wirkt, als ob sich lange Schatten auf den Erdboden erstrecken würden. Dann sind aber wiederum am Ende einiger dieser perspektivisch zusammenlaufenden Schatten, schwarze Säulen, – die als Lichtträger fungieren – positioniert. Somit vermeint man, dass die Schattenflächen von diesen Pylonen ausgehen und sich auf den Fassadenflächen abbilden. Einige der ‚Pseudoschatten‘ wurden in Grünflächen und Sitzbänke umgewandelt.
Diese grafisch/optische Wirkung, die ein bisschen an die Kunst der Op-Art erinnert, speziell an die Mode der 60er Jahre mit ihren schwarz-weißen Kleidern, ist eine durchaus interessante Lösung um große Fassadenflächen zu gestalten und zu behandeln. Architekt Mayer führt somit die senkrechten Wandflächen weiter in das Gestaltungskonzept der Freiräume, des Hofes und über die Grundstücksgrenzen bis in die umgebende Stadt. Er verankert sozusagen die Architektur über die Fassaden am Boden fest und bindet sie mit der Stadt zusammen.
Die vier Baukörper selbst sind einfach: Die Grundrisse formieren mit leicht abgeschrägten Ecken Eingangssituationen zum Innenhof. In den oberen 2 Geschossen neigen sie sich leicht zurück und bilden so eine Referenz an die Dachformen der umliegenden Bauten. Unter der Hoffläche befindet sich eine Tiefgarage.
In den Erdgeschossen sind Gewerbe und Geschäfte untergebracht, in den oberen Geschossen Büros und Wohnungen. Diese funktionale Durchmischung erleichtert die Integration in die bestehende städtische Umgebung. Die Eingangstüren sind in den abgeschrägten Erdgeschosszonen der Baukörper untergebracht. Zwei der Betonblöcke neigen sich in den oberen Bereichen zueinander, verbinden sich und bilden so wiederum eine Passage zwischen Hof und Straßenraum.
Im Inneren der Häuser ragen graue Stiegenläufe durch vieleckige Öffnungen in die Höhe. Auch die Gangflächen sind in grau gehalten und die unregelmäßigen Deckendurchbrüche sowie Säulen mit Öffnungen referieren immer wieder an die grafische Gestaltung der Außenflächen und Fensterformen. Linienförmige Neonbeleuchtungen und Glasgeländer betonen noch das Konzept der irregulären Formen.
Die Gebäude sind an eine Fernwärmeversorgung angeschlossen, sowohl Büro- wie auch Wohnräume haben eine natürliche Belüftung und besitzen auch eine ebensolche Belichtung. Zur Klimatisierung wurden in den Büroräumen Kühldecken verbaut. Die Isolierung und damit die Energiekennzahlen entsprechen der Energiesparverordnung (EnEV 2007). Der Verbrauch aller vier Gebäude liegt mit Heizung und Strom bei 133 kWh/m2/Jahr und die CO2-Emission bei 10,5 kg/m2/Jahr.
Sonnenhof
Jena, Deutschland
Bauherr Wohnungsgenossenschaft „Carl Zeiss“ eG. Jena
Planung J. MAYER H. Architects, Berlin
Mitarbeiter Christoph Emenlauer, Jesko Malkolm Johnsson-Zahn, Christian Paelmke, Max Reinhardt, Jan-Christoph Stockebrand
Statik Ingenieurbüro Dr. Krämer GmbH
Nutzfläche 9.555 m²
Planungsbeginn 2008
Bauzeit 2008 – 2014
Fertigstellung 2015
Text: Peter Reischer
Fotos: ©David Franck