Die Architektur muss einen Wandel erfahren

14. November 2018 Mehr

Interview mit Herrn Architekt Anton Schweighofer

 

Anton Schweighofer

Anton Schweighofer ist ein österreichischer Architekt, der sich vor allem durch soziale Projekte wie „Die Stadt des Kindes“ einen Namen gemacht hat. 1977 wurde ihm seitens der Stadt Wien der Architekturpreis verliehen. Foto:©eSel

 

Welche Rolle nimmt die Architektur Ihrer Meinung nach heute ein? Wie hat sie sich im Laufe der Zeit verändert?

Generell ist der Anspruch, der an die Qualität der Objekte und der Projekte gestellt wird, vor allem in den letzten Jahren geringer geworden. Die Gründe hierfür liegen im vermehrt kapitalistischen Denken der heutigen Gesellschaft. Dies ist eine negative Entwicklung, da es im Bereich der Architektur immer eine gewisse künstlerische Freiheit und einen Anspruch auf Qualität geben sollte. Dies war früher schon so und hat sich auch im Laufe der Zeit nicht geändert. Für die Gesellschaft und deren Wohlbefinden ist Architektur nach wie vor sehr wichtig und somit eine Disziplin, die nicht vernachlässigt werden darf.

Sehen Sie heute noch einen gesellschaftlichen Nutzen der Architektur?

Für die Gesellschaft ist der Nutzen der Architektur wohl so groß wie noch nie. Denn das Leben der Menschen wird in der heutigen Zeit immer komplexer und immer schwieriger. Allgemeingültige bauliche Lösungen gibt es also längst nicht mehr. Die Architektur und die gesamte Baubranche müssen auf die vielfältigen Entwicklungen der heutigen Zeit hinreichend reagieren und so Lebensqualität sichern. Eine Chance sehe ich hierbei vor allem in sozialen Projekten. Nur so ist eine Wohnqualität in Städten gewährleistet.

Wie können Architekten und Planer auf diese Anforderungen reagieren? Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Architekten aus?

Fachkräfte sind dazu angehalten, hohe Ansprüche an sich selbst und den Raum zu stellen. Sie sollten außerdem darauf achten, dass sie auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren. Auch sind Projekte so zu entwickeln, dass sie nicht nur für die jetzige, sondern auch für zukünftige Generationen einen Mehrwert darstellen.
Ein „guter Architekt“ befasst sich nicht nur mit dem technischen, sondern gleichermaßen mit dem sozialen Aspekt eines Projekts. Planer sollten stets im Hinterkopf behalten, dass sie für die Menschen planen. Neben dem Sozialen spielt aber auch die Ästhetik eine wichtige Rolle. Ein Projekt muss sich in den Stadtraum integrieren und sowohl bei den Nutzern als auch bei Passanten für Wohlbefinden sorgen. Ein Architekt ist vor allem heute dazu angehalten, bei der Realisierung von Projekten etliche Aspekte zu berücksichtigen und diese ausgewogen in seine Planung zu integrieren.

 

Stadt-des-Kindes

Die Zukunft sieht Anton Schweighofer in sozialen Konzepten, die sich den Bedürfnissen der Gesellschaft anpassen. Bei der Stadt des Kindes handelte es sich um ein solches Projekt – heute befinden sich im ehemaligen Heim für gefährdete Kinder und Jugendliche Wohnungen.

 

In welchem Bereich hat die Baubranche Nachholbedarf? Was ist der Grund für negative Entwicklungen in der Architektur?

Die Architektur befindet sich mittlerweile zu einem großen Teil in den Händen von Geschäftsleuten und Unternehmen. Diese sehen in der Architektur zumeist nur den geschäftlichen und kapitalistischen Nutzen. Die Qualität der baulichen Entwicklung kommt dadurch abhanden.

Woran liegt das? Wie macht sich ein Mangel an Qualität in der Architektur bemerkbar?

Der Mensch selbst rückt in den Hintergrund. Es wird nicht auf die Bedürfnisse der Individuen eingegangen, wodurch es zu einem sozialen und optischen Verfall von Städten kommt. Auf lange Sicht hat dies in Bezug auf die Wohn- und Lebensqualität große Einbußen zur Folge.

Glauben Sie, dass sich diese Tendenz wieder ändern wird?

Ich bin grundsätzlich Optimist. Aus diesem Grund glaube ich, dass die Architektur über kurz oder lang wieder einen Wandel erfahren wird. Die Gesellschaft und die Öffentlichkeit werden dadurch wieder mehr Einfluss auf die Gestaltung und die Realisierung von Planungsprojekten haben. Dies ist auf lange Sicht natürlich wiederum mit positiven Auswirkungen auf die Architektur verbunden. Allerdings kann ich nicht sagen, wie lange es dauern wird, bis die Bauplanung einen solchen Wandel erfährt.

Wie sehen Sie die Wechselwirkung zwischen Architektur und Sozialem? Ist das Zusammenspiel der beiden Bereiche in der heutigen Zeit gelungen?

Wenn es um die Berücksichtigung sozialer Aspekte geht, weisen viele Projekte derzeit einen Mangel auf. Allerdings glaube ich, dass sich diese Tendenz in der Zukunft wieder umkehren wird. Die Gesellschaft entwickelt sich schließlich weiter. So werden auch Planer und vor allem Bauträger erkennen, dass Architektur in erster Linie auf die Bedürfnisse der Gesellschaft reagieren muss. Hier ist aber anzumerken, dass es in diesem Bereich keine allgemeingültigen Lösungen gibt.

 

Bosco_Verticale

Bosco Verticale: Ein Projekt, das auf eine gesellschaftliche Entwicklung, der heutigen Zeit reagiert. Foto:©Thomas Ledl

Text:©Dolores Stuttner

Kolumne PEOPLE Teil 5

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Kategorie: Kolumnen