Material, Technik & Zukunft

3. Oktober 2017 Mehr

Die Materialien, aus denen die Architektur der Zukunft bestehen wird, werden und müssen einen starken  Bezug zur Ökologie, Umwelt und Nachhaltigkeit haben. Diese Behauptung ergibt sich schon alleine aus den endlichen Ressourcen unserer Erde. Der „Welterschöpfungstag“ findet jedes Jahr früher statt. Also wird geforscht, entwickelt und recycelt, immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten unserem Bedarf nach gebautem Raum gerecht zu werden. Architekten sind durchaus erfinderisch und kreativ, wenn es um die Anwendung von neuen Materialien geht, aber auch die Wissenschaft ist zunehmend damit beschäftigt, die Natur als Vorbild für menschliche Zwecke zu erforschen. Lernen können die westlichen Länder aber durchaus auch von den sogenannten „Entwicklungsländern“. In afrikanischen und asiatischen Ländern wird zum Beispiel Bambus bereits als ein durchaus dem Stahl und Beton gleichwertiges Material benutzt.

 

Papierturm
Bis zu einer Höhe von 18 Metern türmt sich das Objekt mit der Bezeichnung „Hive“ in der Halle des National Building Museum in Washington, D.C. auf. Das Team von Studio Gang, einem in Chicago und New York ansässigen Büro, hat die Installation gestaltet. „Hive“ ist aus 2.700 Papierzylindern gebaut und vollkommen recycelbar. Die Röhren sind bis zu drei Meter hoch und ihre Verbindung ergibt drei domähnliche Kammern. Die mittlere hat eine fast drei Meter große Öffnung an ihrer Spitze. Die silberne Außenseite der Röhren schafft zusammen mit einer magentafarbenen Innenseite einen merkwürdigen Kontrast mit den historischen Räumen und den korinthischen Säulen des Museums. Die Form der Papierarchitektur nimmt auch nicht unbeabsichtigt eine Verbindung zu Bauten, wie dem Dom von Brunelleschi in Florenz oder den Lehmhütten in Kamerun auf. Papier als Baumaterial wird hier zu Räumen gefügt, die irritieren, nachdenklich stimmen und trotzdem auch völlig „natürlich“ sind.

 

©Timothy Schenck Photography

 

Metallgestaltung
In Pasadena, einem Vorort von Houston, Texas entstand auf Initiative der ortsansässigen Industrie das Houston Area Safety Council (HASC) als gemeinnützige Einrichtung für Sicherheitstrainings. Der Bau einer eigenen arbeitsmedizinischen Klinik mit Akutversorgung war ein entscheidender weiterer Schritt auf dem ganzheitlichen Betreuungsweg des HASC. Sein markantes Gesicht verdankt der Klinikentwurf von ­Kirksey Architecture dem als Halbrund gebauten Haupteingang. Die 100 m2 große Dachbrüstung aus semitransparentem Edelstahlgewebe wurde mit einem Entwurf der Architekten versehen. Dieses Motiv zeigt die Skyline von Houston mit Wolkenkratzern, Bohrtürmen, Schloten, Kränen und Menschen. Die vielschichtige Perspektive wurde scherenschnittartig in einem eigens entwickelten, speziellen Etchingverfahren auf das Edelstahlgewebe appliziert. Hierfür bot die glatte Oberfläche und relativ dichte Struktur des Gewebes besonders gute Voraussetzungen. In umfangreichen Tests entwickelte man deshalb ein Verfahren, mit dem die Motivvorlage in der verlangten Detailtreue und räumlichen Wirkung gestrahlt werden konnte. Es entstand auf einer Gesamtfläche von 100 Quadratmetern, die sich aus sieben Paneelen – jede 3,4 x 4,3 Meter groß – zusammensetzt, ein optisch nahtloses Panoramabild des geschäftigen Treibens der Region. Ohne weitere Oberflächenbehandlung ist diese Bildwelt dauerhaft witterungs- und UV-beständig. Je nach Lichteinfall und Betrachtungswinkel wirken die Motive blickdicht oder transparent. Nachts verleihen Strahler der Szenerie mit gezielt gesetzten Lichtakzenten die Anmutung eines Schattentheaters.

 

© Slyworks Photography 

 

Bambus
Versteckt im Regenwald von Quãng Bình in Vietnam kombiniert ein strohgedecktes Gebäude die Funktionen Unterbringung, Erholung und Restaurant miteinander. Das Projekt der RÂU ARCH besteht aus zwei Ebenen, unten sind Gästezimmer, Nebenräume und Küche und oben ein großzügiges Restaurant samt Erholungsbereich. Die halb offene Architektur entspricht den klimatischen Anforderungen der Gegend – Regen, Hitze und Sturm. Gleichzeitig zeigt sie den Umgang mit den lokalen, natürlichen Baustoffen und den dazugehörigen Techniken. Die Architektur ruht auf einer Basis aus Steinen, alle oberen Ebenen sind aus Holz und Bambus errichtet. Bambus ist auch für den bestimmenden und prägenden Eindruck verantwortlich. Das reichlich vorkommende Naturmaterial ist zu feinen Mustern und Strukturen, die auch tragende Funktionen übernehmen, verflochten. Speziell beim Blick in das Dachgebälk kann man die Kunst der Handwerkstechnik erkennen und bewundern. Die tragenden Stahlbetonsäulen sind ebenfalls mit gewöhnlichem Bambus umwickelt und verkleidet, sodass sie sich in das übrige Interieur einfügen.

 

 © hùng râu kts

 

Kapillarsysteme
Sehr große oder verwinkelte Räume sind genauso schlecht zu klimatisieren wie Altbauten unter Denkmalschutz oder schlecht gedämmte Architekturen. Heizkörper an den nötigen Stellen sehen nicht immer gut aus und Klimaanlagen sind nicht geräuschlos. Seit den 80er Jahren verbaut man Kapillarrohrsysteme als Alternative zu dicken Rohren oder Gebläsen. Sie bestehen aus einem filigranen Netz von Röhrchen, durch welche temperiertes Wasser fließt. Die außergewöhnlich breitflächige Wärmeübertragung ermöglicht ein schnelles und gleichmäßiges Aufheizen/Abkühlen auch von größeren Räumen bei geringen Vorlauftemperaturen. Dank der geringen Höhe von nur wenigen Millimetern und der einfachen Installation sind die Kapillarrohrmatten multifunktional einsetzbar und auch für einen nachträglichen Einbau im Bestandsgebäude geeignet. Als Fußbodenheizung werden sie direkt in den Estrich gelegt und verschwinden hinter jedem beliebigen Fußbodenbelag. Als Wandheizung/-kühlung werden die Kapillarrohrmatten direkt in den Putz eingebettet. Wegen der äußerst flachen Struktur kann der Putz extra dünn aufgetragen werden. Dadurch liegt das wasserführende System sehr dicht hinter den Wänden, was ein zeitgemäßes energieeffizientes Klimatisieren ermöglicht: Es reicht aus, 60 – 70 % der Wandfläche mit den Kapillaren zu bestücken, um für eine gleichmäßige Wärmeverteilung im gesamten Wohnraum zu sorgen. Denkmalschutz und eine zeitgemäße Energieeffizienz schließen sich so nicht mehr aus.

 

© ELTEC-GeoClima 

 

Das Falthaus
Den momentanen Gegebenheiten der Migration und der vielen Migrationsbewegungen kommt ein Projekt der Ten Fold Engineering entgegen. Sie haben eine modulare, sich selbstständig entfaltende Wohnstruktur entwickelt. Sie benötigt keinerlei Fundamente, kann leicht von einem Ort zum anderen transportiert werden, braucht auch keinen Kran oder Arbeiter. Der Kern entfaltet sich zu einer Größe, dreimal so groß wie sein Transportvolumen. Danach ist die Architektur sofort bewohnbar. Alle Anschlüsse und Notwendigkeiten sind vorinstalliert. Das System ist reversibel, kann also wieder zusammengeklappt werden und weiterreisen. Die Module lassen sich auch zu größeren Einheiten, sogar zu Hotels kombinieren und addieren. Sogar die Grundrisse der Einheiten lassen sich den persönlichen Bedürfnissen der Nutzer anpassen. Erweiterbar sind sie mit Batteriesystemen, Wasseraufbereitung und Fotovoltaik um Autarkie zu ermöglichen.

 

© ten fold engineering 

 

Text: ©Peter Reischer

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Kategorie: Magazin